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Teurer Spargel und Erdbeeren?NRW-Bauern fürchten 15-Euro-Mindestlohn

Lesezeit 4 Minuten
Beim Beerenhof Ell werden frisch geerntete Erdbeeren gezeigt.

Beim Beerenhof Ell werden frisch geerntete Erdbeeren gezeigt.

Der Mindestlohn könnte 2026 auf 15 Euro steigen, was höhere Preise für Spargel und Erdbeeren zur Folge hätte.

Am Dienstag war Johannistag, an dem manche die Geburt Johannes des Täufers feiern und viele das Ende der Spargelsaison betrauern. Es war ein gute, sagten Verbände und Landwirte aus Nordrhein-Westfalen unserer Redaktion, man ist zufrieden auf den Spargelhöfen. Auch die Erdbeerernte läuft gut. Umso banger ist allerdings ihr Blick voraus: Sollte die schwarz-rote Bundesregierung wirklich den Mindestlohn Richtung 15 Euro anheben, müssten Spargel und Erdbeeren 2026 teurer werden.

Auch Jan-Hendrik Schulte-Scherlebeck vom gleichnamigen Spargelhof in Herten ist mit dieser Saison zufrieden: „Wir haben gute Absätze erzielt, das trockene, sonnige Wetter hat geholfen.“ Die Kundinnen und Kunden hätten auch die leicht angehobenen Preise akzeptiert. Die Kosten, auch der Mindestlohn, waren schon dieses Jahr gestiegen, was wäre, wenn er wie von der SPD gewünscht 2026 auf 15 Euro springt? „Wir warten ab, wohin sich der Mindestlohn entwickelt“, sagt Schulte-Scherlebeck. Klar sei, dass man die Preise nicht beliebig anheben könne, „wir müssen schauen, wo die Schmerzgrenze ist“.

Gastronomie kann Preis für Spargelgerichte leichter anheben

Wie der Hertener Spargelbauer will auch Thomas Dercks aus Walbeck am Niederrhein seine Anbauflächen zunächst nicht verkleinern. Der Landwirt hat ebenfalls bereits in diesem Jahr die Preise leicht angehoben, im Durchschnitt um 80 Cent je Kilogramm. Gestartet ist er mit 15 Euro je Kilo in die Saison, geendet bei 11 Euro. Weil Qualität und Geschmack des Edelgemüses in diesem Jahr besonders gut gewesen sei, hätten die Kunden den Aufpreis auch gezahlt. Seine Sorge: „Wir müssen sehen, ob die Nachfrage auch konstant bleibt, wenn wir nächstes Jahr weiter erhöhen müssen“, so der Bauer aus dem für seinen Spargel berühmten Ort Walbeck.

Einen Ausweg für seinen Familienbetrieb kennt er schon: Wenn die Preise für die erste Güte zu teuer für den Hofverkauf würden, könne er versuchen, den verstärkt an Restaurants zu verkaufen. Denn er hat beobachtet: „Die Gastronomie kann den Preis für Spargelgerichte leichter anheben als wir. Die Leute sind im Restaurant eher bereit, etwas mehr zu zahlen.“

„Die Kosten laufen den Erzeugern jetzt schon davon“, sagt Peter Muß, Geschäftsführer des Provinzialverbands Rheinischer Obst- und Gemüsebauern. Personal, Folien, Dünger, Energie – alles sei teils deutlich teurer geworden, der Mindestlohn sei ja auch zu Beginn dieses Jahres um 41 Cent gestiegen. Kämen auf die aktuell 12,82 Euro noch einmal zwei Euro drauf, werde das „den Betrieben richtig weh tun“, sagt Muß.

Höhere Kosten: Preise für Erdbeeren und Spargel steigen

Er rechnet fest damit, dass 2026 weniger Spargel und Erdbeeren angebaut werden. Den normalen Preismechanismen zufolge müssten sie dann auch deutlich teurer werden, doch die Landwirte könnten ihre Mehrkosten nicht so einfach auf die Endpreise draufschlagen, „letztlich bleiben finanzielle Einbußen für die Erzeuger“.

Die Interessenvertreter der Landwirte fordern daher beim Mindestlohn eine Ausnahme für osteuropäische Saisonarbeiter, damit sich der Anbau von Spargel und Erdbeeren weiter rechnet. „Je nach Betrieb machen die Personalkosten bis zu 60 Prozent und mehr aus. Ein Anstieg des Stundenlohns um 1,50 oder zwei Euro wäre für sie ein enormer Kostenanstieg“, sagt Marion von Chamier, Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbands der Westfälisch-Lippischen Land- und Forstwirtschaft. Bei Erdbeeren rechnet sie damit, dass dann viele Landwirte noch mehr Felder für Selbstpflücker umwidmen. Beim Spargel ist das natürlich keine Option.

Die Flächen fürs Edelgemüse sind bereits seit 2020 immer kleiner geworden, in den vergangenen Jahren hätten im Rheinland einige kleinere Betriebe aufgegeben und die größeren ihre Flächen verkleinert, sagt Muß. NRW-weit sind die Spargelanbauflächen binnen drei Jahren um rund 200 Hektar auf zuletzt 3725 Hektar geschrumpft. Die Flächen für Freilanderdbeeren sind in den vergangenen Jahren noch weit stärker zurückgegangen, aber vor allem, weil immer mehr Landwirte zum Anbau in aufgeständerten Erdbeerbeeten unter Folientunneln übergehen. Unterm Strich sind aber auch die Flächen für den Erdbeeranbau in NRW in den vergangenen Jahren kleiner geworden.

An Erntemaschinen ist beim Beerenobst nicht zu denken

Der neue Standard im Erdbeeranbau birgt auch das größte Potenzial, aufs Kilo gerechnet Erntekosten zu sparen. Denn im Stehen pflückt es sich leichter und schneller, die Saisonarbeiter schaffen für den gleichen Lohn mehr Erdbeeren. An technische Lösungen, also Erntemaschinen ist beim Beerenobst nicht zu denken, sagt Agrarexperte Muß, „Himbeeren zum Beispiel sind viel zu weich dafür“.

Für Spargel gibt es bereits Erntemaschinen, aber die haben sich noch nicht durchgesetzt und werden es auch so bald nicht, glaubt Muß. Denn erstens seien sie mit sechs- bis siebenstelligen Anschaffungskosten für die meisten Betriebe zu teuer. Zweitens seien sie noch nicht ausgereift genug. Die wenige Betriebe, die sie im Rheinland getestet haben, würden sie aktuell nicht mehr nutzen. Da die Spargelroboter alle Stangen in einem Damm oberhalb der Wurzel kappen, würden auch viele kurze geerntet, die sich schwer verkaufen ließen.