Schulministerium hält an umstrittener Konstruktion mit Moscheeverbänden fest – weil die Alternative wohl TikTok-Prediger wären.
Trotz anhaltender KritikNRW verlängert Islamunterricht bis 2031

In der Diskussion: Der Islamunterricht an Schulen in NRW ist bereits seit Jahren Thema der Politik.
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NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hat die Fortführung des islamischen Religionsunterrichts bis mindestens 2031 gegen Kritik verteidigt. „Der islamische Religionsunterricht ist ein wichtiger Teil unseres schulischen Bildungsangebots. Er bietet muslimischen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, sich fundiert mit ihrer Religion auseinanderzusetzen – jenseits von verzerrten oder radikalisierten Bildern“, hieß es am Donnerstag auf Anfrage aus dem Schulministerium.
Verlängerung der Regelungen bis 2031
Die schwarz-grüne Koalition verlängert mit dem 17. Schulrechtsänderungsgesetz, das in dieser Woche im Landtag behandelt wird, auch die Regelungen zum islamischen Religionsunterricht bis 31. Juli 2031. Damit gewährt das Land weiterhin islamischen Organisationen, die keine Religionsgemeinschaften im Sinne der Landesverfassung sind, entscheidenden Einfluss auf Lehrinhalte und Lehrpersonal.
Gerade in einer vielfältigen Gesellschaft sei es wichtig, „Räume zu schaffen, in denen Religionsmündigkeit, Offenheit und Toleranz gestärkt werden“, so das Schulministerium. Der islamische Religionsunterricht leiste in NRW einen wertvollen Beitrag zur Persönlichkeitsbildung, zur kritischen Reflexion und zur Förderung eines differenzierten Gesellschaftsbildes.
FDP fordert Ethikunterricht statt Islamkunde
Die FDP-Opposition im Landtag hält dagegen die bisherige Konstruktion des Islamkunde-Angebots für falsch und fordert stattdessen die Einführung eines verpflichtenden Fachs „Ethik“ für alle Schüler, die nicht am evangelischen oder katholischen Religionsunterricht teilnehmen. „Die Landesregierung zementiert ein Modell, das längst gescheitert ist“, kritisierte die Schulexpertin der Liberalen, Franziska Müller-Rech.
Müller-Rech monierte den Einfluss konservativer Islamverbände und massive Qualitätsdefizite in der Lehrkräfteausbildung. Zudem erreiche das Angebot noch immer nur etwa sechs Prozent aller muslimischen Kinder in NRW. „Das ist kein Erfolg, das ist Realitätsverweigerung“, so die FDP-Politikerin. In einem Pflichtfach Ethik oder Praktische Philosophie könnten vielmehr Werte, Menschenrechte, Demokratie und interkulturelles Verständnis vermittelt werden.
NRW hatte 2012 als erstes Bundesland einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht eingeführt. Zunächst wurde das neue Fach mit einem achtköpfigen Beirat abgestimmt. Davon versprach man sich damals, die religiöse Unterweisung von Kindern aus „Hinterhofmoscheen“ herauszuholen und trotzdem ausreichende Akzeptanz bei interessierten muslimischen Elternhäusern zu finden.
Einfluss muslimischer Verbände und die Rolle der Kommission
Ab 2021 übernahm dann eine Kommission mit Vertretern aus sechs einflussreichen muslimischen Verbänden für das Schulministerium die inhaltliche Konzeption und durfte auch die Lehrerlaubnis an Pädagogen vergeben. Damit reagierte das Land auf die Tatsache, dass es keinen akzeptierten einheitlichen Ansprechpartner des deutschen Islam für den Staat gibt wie etwa beim christlichen Konfessionsunterricht die Kirchen.
Die Mandatierung einer solchen Kommission blieb für Schulministerin Feller ebenso wie schon für ihre Amtsvorgängerin Yvonne Gebauer (FDP) stets ein Balanceakt. Die Verbände durften nur nach einer umfangreichen Prüfung einen Vertreter entsenden und mussten dem Land vertraglich zusichern, dass sie staatsunabhängig seien und verfassungstreu wirken werden. Vor allem um den unter Migranten in NRW sehr einflussreichen Moscheeverband Ditib, der eng mit dem türkischen Staat verbandelt ist, gab es immer wieder Diskussionen.
Bedarf und Ausbildung für den Islamunterricht in NRW
Heute besuchen knapp 29.000 Schüler den Islamunterricht, der von insgesamt 271 Lehrkräften erteilt wird. Der Bedarf dürfte deutlich größer sein: Insgesamt gibt es in NRW mehr als 490.000 Kinder muslimischen Glaubens – Tendenz steigend.
An der Universität Münster werden nach deutschen Hochschulstandards seit über 14 Jahren Lehrkräfte für den islamischen Religionsunterricht ausgebildet. So soll die Abhängigkeit von anderweitig geprägten Islamgelehrten aus dem Ausland gesenkt werden. Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für islamische Theologie an der Universität Münster, hatte zuletzt in einer Studie eingeräumt, dass etwa fünf bis zehn Prozent aller Islamlehrer, die zurzeit an NRW-Schulen unterrichten dürfen, eine stark konservative Auslegung des Islam verträten. Vor allem unter nicht grundständig ausgebildeten Lehrkräften sei diese Haltung verbreiteter.
Gleichwohl hatte die Studie auch die immense Bedeutung des Unterrichtsangebots unterstrichen. Die Autorität des islamischen Religionslehrers konkurriere heute mit TikTok-Predigern und der lokalen Moscheegemeinde. „Je mehr die Schüler den islamischen Religionsunterricht besuchen, desto weniger fühlen sie sich von den digitalen Angeboten zum Thema Islam angesprochen“, sagte Khorchide vor einigen Monaten im Landtag. Junge Muslime bezögen heute nicht nur ihr religiöses Wissen immer stärker aus den sozialen Medien, sondern auch ihre religiöse Identität. Hier brauche es den Religionsunterricht in staatlichen Schulen aus „Gegengewicht“.