Lehrkräfte in NRW sind trotz Berufszufriedenheit oft von ihren Arbeitsbedingungen überfordert. GEW fordert mehr Personal und dringende Systemreformen.
UmfrageSo bewerten Lehrkräfte in NRW ihren Beruf und ihre Lage

Eine junge Lehrerin schreibt im Mathematikunterricht Zahlen an eine Schultafel.
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Die meisten Lehrerinnen und Lehrer in NRW sind zwar grundsätzlich zufrieden mit ihrer Berufswahl, verzweifeln aber mitunter an ihren Arbeitsbedingungen. „Herausfordernde Schülerinnen und Schüler, praxisferne bildungspolitische Neuerungen und zu viel Bürokratie trüben das Bild“, sagte die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ayla Celik, am Montag in Düsseldorf bei der Vorstellung der Umfrage „Psychische Gesundheit an Schulen in NRW“.
Besonders in Schulen in „schwierigen sozialen Lagen“ fehlten den Lehrkräften Zeit, Räume und Kollegen, um sich um jene Kinder, die unterstützt werden müssten, kümmern zu können. Der „Sozialindex“, auf dessen Grundlage in NRW die Bedarfe der Schulen gemessen werden, müsse daher dringend gestärkt werden, so Celik.
Verwaltungsaufgaben wie das Organisieren von Klassenfahrten, die Dokumentation von Gesprächen mit Kindern und Eltern und die Aktualisierung von Computern belasteten die Psyche des Schul-Personals ebenso wie die vielen „bildungspolitischen Neuerungen“ in NRW. „In der Ausbildungsordnung für Grundschulen sind zum Beispiel die Förderstunden gestrichen worden, Das empfinden die Kolleginnen und Kollegen in den Grundschulen als wahnsinnig belastend, denn diese Förderstunden waren für sie das einzige Mittel, um Schulkinder mit besonderen Bedarfen individuell zu fördern“, erklärte Celik.
Wie kann KI in der Schule eingesetzt werden?
Ein weiteres Beispiel sei der Vorschlag der Landesregierung, Künstliche Intelligenz (KI) für die Schule zu nutzen. „Technischer Fortschritt ist gut, aber KI kann keine pädagogischen Gespräche führen, hilft nicht bei der Beratung von Eltern. Dafür braucht es Menschen im System Schule“, so die GEW-Landeschefin. Laut Prof. Christian Reintjes von der Uni Osnabrück werde auch der schlechte bauliche Zustand vieler Schulen von Lehrkräften als äußerst belastend empfunden.
Die Gewerkschaft GEW fordert neben dem „Aufstocken“ des Sozialindex„ insgesamt mehr Personal an den Schulen, mehr Gesundheitsförderung und weniger Bürokratie. Seit 2022 hätten in NRW fast 2500 Lehrkräfte gekündigt, darunter fast 900 Beamtinnen und Beamte. „Wer verbeamtet ist und trotzdem kündigt, tut das nicht leichtfertig. Das ist kein individuelles Problem, das ist ein systemischer Notruf“, warnte Ayla Celik.
„Lehrkräfte brennen für ihren Beruf“, sagte NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) nach der Vorstellung der GEW-Umfrage. Das Land mache den Pädagoginnen und Pädagogen heute schon viele Angebote für mehr Arbeitszufriedenheit, zum Beispiel ein Beratungstelefon für psychosoziale Themen sowie Entspannungs-, Resilienz- und Achtsamkeitskurse.
Lehrer als Helden des Bildungssystems?
„Wir entlasten Lehrkräfte aber auch ganz konkret in ihrem Alltag, etwa mit über 1700 Alltagshelferinnen und Alltagshelfern, mit weniger Klassenarbeiten oder der Streichung von umfangreichen Arbeitsplänen an Grundschulen zugunsten schmaler schuleigener Unterrichtsvorgaben“, so Feller. Mit dem schulscharfen Sozialindex und dem Startchancen-Programm von Bund und Ländern würden Schulen schon gezielt gestärkt. Außerdem seien heute insgesamt 7400 Menschen mehr an den NRW-Schulen tätig als im Dezember 2022.
Dilek Engin, Schulexpertin der SPD-Landtagsfraktion, bezeichnete die Lehrkräfte als „wahre Helden unseres Bildungssystems“. „Die Arbeit mit und für die Schülerinnen und Schüler motiviert Lehrkräfte im ganzen Land dazu, über das Zumutbare hinaus alles zu geben. Genau hierin liegt aber das Problem: Immer mehr Lehrkräfte müssen Mehrarbeit leisten, um ihren Job gewissenhaft erfüllen zu können. Das führt am Ende zu einer massiven Überlastung“, so Engin.
Franziska Müller-Rech, Schul-Expertin der FDP im Landtag, sagte: „Die Situation an unseren Schulen spitzt sich von Jahr zu Jahr weiter zu: Immer mehr Lehrkräfte, die mit großem Engagement gestartet sind, fühlen sich ausgebrannt oder denken ernsthaft über einen Berufswechsel nach.“ Die Befunde des GEW-Frühjahrsreports zeigten, wie viel Handlungsdruck auf der Landesregierung laste – und wie wenig sie diesem Druck bislang begegne.