Ein „Spitzel“-Streit erschüttert die NRW-AfD: Sven Tritschler erhebt schwerwiegende Vorwürfe gegen Parteikollegen und Mitarbeiter.
Kölner Landtagsabgeordneter erhebt Vorwürfe„Spitzel“-Streit in der NRW-AfD ausgebrochen

Sven W. Tritschler, AfD-Abgeordneter, erhebt schwerwiegende Vorwürfe.
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In der AfD-Landtagsfraktion und im nordrhein-westfälischen Parteivorstand geht es drunter und drüber. Ein Abgeordneter konfrontiert einen Pressesprecher der Partei mit massiven Vorwürfen und beschädigt damit indirekt den AfD-Landesvorsitzenden Martin Vincentz. Es geht um Spitzelei, alte und neue Feindschaften, Konflikte zwischen Lagern.
Was genau ist in der AfD-Fraktion passiert?
Der Kölner AfD-Landtagsfraktionsvize Sven Tritschler (43) hat in einem vertraulichen Schreiben an seine Fraktion und an die AfD-Bundesvorsitzenden, das unserer Redaktion vorliegt, schwere Vorwürfe gegen den Fraktions- und Landespartei-Pressesprecher Kris Schnappertz erhoben.
Darin steht unter anderem: „Jede Vertrauensgrundlage für eine weitere Zusammenarbeit mit unserem Pressesprecher ist zerstört. Ich untersage ihm ausdrücklich, in meinem Namen zu sprechen oder für die Gesamtfraktion zu sprechen, ohne darauf hinzuweisen, dass er nicht in meinem Namen sprechen darf.“ Alle Kollegen sollten sich diesem Schritt anschließen.
Tritschler, der auch Vize-Vorsitzender des AfD-Landesverbandes NRW ist, wirft Schnappertz in dem Schreiben vor, gegen ihn zu intrigieren. Er soll sogar versucht haben, einen Büromitarbeiter von Tritschler, den 22-jährigen Tim Schramm aus Wuppertal, als Spitzel anzuwerben, um Kompromittierendes gegen Tritschler herauszufinden.
„Mit der Aussicht auf hochdotierte Jobs wurde Herr Schramm massiv unter Druck gesetzt. Er wurde aufgefordert, Kopien und Fotografien aus meinem Büro zu liefern, namentlich sollte er Personalunterlagen kopieren“, behauptet der Kölner Abgeordnete.
Schramm sei „in seiner jugendlichen Naivität“ gegen Tritschler aufgehetzt worden. „Ihm wurden eine Reihe von Jobs mit (… ) unverhältnismäßig hohem Gehalt bei verschiedenen Bundestagsabgeordneten und in unserer Fraktion in Aussicht gestellt“, heißt es. Schramm habe dies ablehnt und sei anschließend durch den AfD-Landesvorstand mit einem Parteiausschlussverfahren bestraft worden.
Tritschler versucht diese Vorwürfe mit Screenshots zu belegen. Einer soll die Chat-Nachricht einer Mitarbeiterin des AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Martin Vincentz an Schramm zeigen. Darin ist von einem „3000-Euro-Job“ die Rede, den „Kris“ habe. Dafür müsse Schramm aber etwas „Verwertbares“ liefern. Die Intrige sei also sogar „aus dem Vorzimmer unseres Vorsitzenden heraus“ betrieben worden, schlussfolgert Tritschler.
Was sagt Kris Schnappertz zu den Anschuldigungen?
Er weist sämtliche Vorwürfe zurück. Darüber hinaus sagt er derzeit nichts. Schnappertz ist übrigens auch in einen anderen AfD-internen Konflikt involviert: In Düsseldorf tobt derzeit ein Streit um die Reserve-Kandidatenliste der AfD für die Kommunalwahl im September. Schnappertz darf nach einigem Hin und Her nun doch nicht in Düsseldorf kandidieren. Er und andere liegen vor Ort im Clinch mit Kräften, die die Partei offenbar noch weiter rechts aufstellen wollen.
Was ist bisher über Tim Schramm bekannt?
Nach eigenen Angaben hat der 22-jährige Student in der Ukraine ein paar Monate lang freiwillig als Mörserschütze und Drohnenpilot gegen Russland gekämpft, ohne die Partei darüber in Kenntnis zu setzen. Laut „Welt“ und der AfD-nahen „Jungen Freiheit“ soll die Landesspitze der AfD in NRW versuchen, Schramm aus der Partei zu werfen. Seine Parteiämter soll er ruhen lassen.
Welche Konfliktlinien in der Partei werden hier sichtbar?
Im Grunde alle, die es innerhalb der Landes- und der Bundes-AfD gibt. Die AfD-Landesspitze in NRW und die Landtagsfraktion um Martin Vincentz zählen sich selbst zu den gemäßigten Akteuren in der Partei. Auf der anderen Seite stehen – nicht nur in den ostdeutschen Ländern, sondern auch in NRW – völkisch-nationalistische Kräfte.
Einer dieser Rechtsaußen ist der Dortmunder Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich, ein Intimfeind von Vincentz. Er hat sich mal als „freundliches Gesicht des NS“ bezeichnet und verbucht das selbst unter Ironie. Helferich wurde vor Kurzem durch das Landeschiedsgericht der NRW-AfD aus der Partei ausgeschlossen, wehrt sich aber dagegen.
Es gibt also eine Konfliktlinie Vinzentz – Helferich beziehungsweise Rechte gegen extrem Rechte. Eine zweite spielt in dieses Ränkespiel in der NRW-AfD hinein: In Teilen der AfD, besonders im Osten, gibt es eine russlandfreundliche Grundhaltung. Für andere Parteimitglieder ist Putin ein Schurke. Dazu kommen – unabhängig von den politischen Lagern – Rangeleien um Kandidaturen und Arbeitsplätze im Politikbetrieb, besonders im beginnenden Kommunalwahlkampf.
Sven Tritschler, der eigentlich dem Vincentz-Lager zugerechnet wird, nun aber auf Distanz zu diesem geht, ist in diesem Geflecht aus Vorwürfen und Grabenkämpfen schwer einzuordnen. Er schreibt seinen Fraktionskollegen: „Ich habe aus mehreren Gesprächen den Eindruck, dass man mir verübelt, dass ich mich nicht dem ,Dschihad‘ gegen Teile der Partei anschließe, der unseren Landesverband seit Monaten lähmt und zerstört. Offenbar reicht es, als Feind markiert zu werden, wenn man nicht vorbehaltlos der Linie ,von oben‘ folgt. Und um so einen Feind loszuwerden, ist dann jedes Mittel recht.“