Äußerungen im Taurus-StreitWarum Briten und Franzosen so sauer auf Scholz sind

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beantwortet die Fragen von Sven Gösmann, dpa-Chefredakteur, und Michael Fischer bei der Chefredaktionskonferenz 2024 im dpa-Newsroom.

Denkwürdige Fragerunde: Der Kanzler bei seinem Auftritt am Montag in Berlin

Erst bekommt der Bundeskanzler Saures vom französischen Präsidenten Macron, dann von britischen Spitzenpolitikern. Warum Olaf Scholz’ zulasten der Verbündeten gemachten Aussagen im Taurus-Streit so ein schwerer Fehler waren.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat es geschafft, mit zwei Sätzen einen außenpolitischen Großschaden anzurichten. Im Streit um Taurus-Marschflugkörper hat er gleich zwei westlichen Alliierten öffentlich attestiert, sie seien an der Zielsteuerung beteiligt. Er hat dann sogar das Wort Kriegsbeteiligung verwendet. Entsprechend scharf sind die Reaktionen, die er – nach Emmanuel Macrons auf ihn gemünzter Philippika gegen „Nie, nie“-Sager – auch in London erntet.

Scholz’ Äußerungen waren alles andere als spontan und unüberlegt. Spontan tritt Scholz ohnehin nie auf. Für die Erklärungen zum Taurus hatte er sich eine Konferenz mit Spitzenvertretern von rund 100 Medien ausgesucht. Und er hatte den Wortlaut – was er nicht hätte tun müssen – zur sofortigen Veröffentlichung freigegeben. Alles war auf maximale Breitenwirkung angelegt. Scholz hatte das genau und zulasten der Verbündeten kalkuliert.

Inszenierung als Friedenskanzler

Scholz’ kommunikative Kosten-Nutzen-Rechnung wird ein Problem bleiben, auch wenn die Scherben des Taurus-Eklats zusammengekehrt sein werden. Der Kanzler wollte aus einer Debatte herauskommen, die seine Koalition spaltet. Und er wollte die Sorgen jener Bürger adressieren, die angesichts der Ukraine-Hilfe Kriegsgefahr wittern. Er könnte nun ruhig erklären, dass die Lage genau dann eskalieren würde, wenn man den russischen Staatschef Wladimir Putin gewähren ließe. Wer aber Scholz’ jüngsten Auftritt in Dresden gesehen hat, die theatralische Geste, mit der er die Forderung nach „Diplomaten statt Granaten“ aufgriff und an Putin weitergab, der kann nur zu dem Schluss kommen: Scholz inszeniert sich – auch angesichts einer dräuenden Europawahl? – als Friedenskanzler.

Dabei begeht er den Fehler, Außenpolitik aus der Innenpolitik zu entwickeln. Er malt das Risiko einer Kriegsbeteiligung an die Wand, um als der zu erscheinen, der es beseitigt. In Dresden gibt er neue Details über die angebliche französisch-britische Verwicklung in Marschflugkörperangriffe preis – nun geht es um eine Art Vetorecht. Und er fabuliert von einem potenziellen ukrainischen Taurus-Angriff auf Moskau (bei einer Taurus-Reichweite von 500 Kilometern ist das praktisch ausgeschlossen). Das beschädigt das Verhältnis zu den Partnern weiter und sorgt auch im Inneren für das Gegenteil dessen, was Scholz erreichen will: für Verunsicherung.

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