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UN warnen vor HungersnotDeutsche Luftbrücke für Gaza gestartet

4 min
Humanitäre Hilfe wird über Gaza-Stadt im Gaza-Streifen abgeworfen und schwebt an Fallschirmen zu Boden.

Schon in den vergangenen Tagen wurde humanitäre Hilfe auf dem Luftweg nach Gaza gebracht; hier ein Foto vom 28. Juli.

Die Bundeswehr hat mit den Hilfsfügen über dem Gazastreifen begonnen. Es gibt Kritik an der Effizienz und der Sicherheit des Vorgehens.

Nachdem kürzlich das Sicherheitskabinett um Kanzler Merz einen entsprechenden Beschluss gefasst hatte, hat die Bundeswehr ihre Hilfsaktion für notleidende Menschen im Gazastreifen begonnen. Deutsche Transportflugzeuge hätten 34 Paletten mit knapp 14 Tonnen Lebensmitteln und medizinischer Ausrüstung über dem Gebiet abgeworfen, teilte das Verteidigungsministerium mit. 

Der Gazastreifen steht nach UN-Angaben unmittelbar vor einer Hungersnot. Israel kontrolliert alle Zugänge zu dem Küstengebiet am Mittelmeer und ließ über mehrere Monate keine oder nur wenige Hilfslieferungen passieren. So sollte nach israelischer Darstellung der Druck auf die islamistische Hamas erhöht werden, die letzten der am 7. Oktober 2023 entführten Geiseln freizulassen.

Nicht die ersten deutschen Hilfsflüge über Gaza

Seit vergangenem Sonntag - nach weltweit wachsender Kritik an der entsetzlichen Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung - lässt Israel wieder größere Lieferungen auf dem Landweg zu und unterstützt die Abwürfe von Hilfsgütern durch verbündete Staaten wie Jordanien und die Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Deutschland beteiligt sich an der Aktion mit zwei Flugzeugen, die auf einer Militärbasis in Jordanien beladen werden und dringend benötigte Nahrungsmittel und Ausrüstung über dem Gazastreifen abwerfen.

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Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) betonte, die Hilfsflüge könnten nur einen sehr kleinen Teil beitragen und das Allernötigste zu den Menschen bringen. „In Gaza fehlt es in diesen Tagen vor allem an Nahrung und Medikamenten. Für viele Menschen – auch für viele Kinder – geht es ums nackte Überleben.“ Er erwarte, dass Israel die umfassende humanitäre Versorgung der seit Monaten leidenden Menschen sicherstelle. 

Kinder stehen dicht gedrängt mit leeren Schüsseln an einer Verteilstelle.

Die Vereinten Nationen sprechen von einer unmittelbar bevorstehenden Hungersnot in Gaza.

Auch Außenminister Johann Wadephul (CDU) betonte, es werde unter Hochdruck daran gearbeitet, auch den humanitären Landweg mit erfahrenen UN-Organisationen wieder aufzubauen. Hilfsflüge könnten diese Lieferungen nicht ersetzen, nur über Land könnten ausreichend Hilfsgüter zu den Menschen gelangen. „Deswegen fordern wir in unseren Gesprächen die israelische Regierung dringend auf, den UN und den internationalen Hilfsorganisationen sicheren Zugang und vor allem auch sichere Verteilung zu ermöglichen.“

Auch im vergangenen Jahr hatte sich die Bundeswehr bereits an Hilfsflügen über dem Gazastreifen beteiligt. In 39 Flügen wurden im März 2024 insgesamt 316 Tonnen Hilfsgüter abgeworfen. Danach wurden die Flüge eingestellt, weil es vorübergehend wieder bessere Transportwege gab. 

Israels Blockade macht soziale Ordnung zunichte

Internationale Organisationen halten den Abwurf von Hilfsgütern aus der Luft wegen der relativ geringen Mengen für ineffektiv und teuer. Im Vergleich zu Lkw am Boden könnten so nur sehr wenige Lebensmittel in den Küstenstreifen gelangen. Helfer weisen außerdem darauf hin, dass die Paletten in einem so dicht besiedelten Gebiet Menschen am Boden verletzen oder töten könnten.

Anders als bei Hilfslieferungen mit Lastwagen können die abgeworfenen Lebensmittel auch kaum gezielt verteilt werden. So könnten Verletzte, Menschen mit Behinderungen oder Alleinerziehende mit Kindern Probleme haben, überhaupt an die Hilfsgüter zu gelangen. Es gelte „ein bisschen das Gesetz des Stärkeren“, warnen Hilfsorganisationen.

Das gilt nach Schilderungen von Augenzeugen und Helfern vor Ort jedoch mehr und mehr auch für Lastwagen, die es ins Innere des Gazastreifens schaffen. Die Bevölkerung sei so verzweifelt, dass es zu chaotischen Szenen komme. Viele Ladungen seien von Menschenmengen geplündert worden, bevor sie die Lagerhäuser erreichen konnten. Beobachter führen diese Zustände auch auf den Zusammenbruch jeglicher sozialer Ordnung im kriegszerstörten Gazastreifen zurück, den die israelische Blockadepolitik noch verschärft habe.

Deutschland baut seine Hilfe für die hungernde Bevölkerung nun auch finanziell aus. Außenminister Wadephul kündigte bei einem Besuch in Israel zusätzliche Mittel von fünf Millionen Euro für das UN-Welternährungsprogramm WFP an. „Damit werden unter anderem Bäckereien und Suppenküchen unterstützt, um die Menschen in Gaza auch mittelfristig mit Brot und warmen Mahlzeiten zu versorgen“, sagte er. Außerdem finanziert die Bundesregierung ein Feldkrankenhaus der Malteser in Gaza-Stadt. 

Wadephul: Weitere Hürden „nicht gerechtfertigt“

Der Außenminister schloss nicht aus, dass ein Teil der Hilfe von der terroristischen Hamas abgezweigt werden könnte. Aber: „Die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen ist jetzt so groß, dass es nicht gerechtfertigt ist, hier weitere Hürden aufzubauen.“ Im Übrigen sei das beste Mittel, um Missbrauch zu verhindern, möglichst viele Lebensmittel und Hilfsgüter in den Gazastreifen hereinzulassen.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes beläuft sich die deutsche humanitäre Hilfe für die Palästinensischen Gebiete seit Beginn des Gaza-Krieges im Oktober 2023 auf mehr 330 Millionen Euro. Mehr als 95 Prozent davon würden für die Bevölkerung im Gazastreifen verwendet. Zuletzt wurden die Hilfen im Mai um bis zu knapp 31 Millionen Euro aufgestockt. 

60.000 Tote in Gaza seit Hamas-Angriff

Auslöser des Gaza-Kriegs war der Überfall der Hamas und anderer islamistischer Terrororganisationen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. 

Wie die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde am Dienstag mitteilte, kamen in den vergangenen knapp 22 Monaten 60.034 Palästinenser ums Leben. 145.870 weitere Menschen erlitten demnach Verletzungen. Bei der Mehrheit der Opfer soll es sich um Frauen, Minderjährige und ältere Menschen handeln. 

Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen und unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern. UN-Organisationen sehen sie aber als weitgehend zuverlässig an. (dpa/red)