Frage des TagesIst Europa im Iran-Konflikt machtlos?

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Ursula von der Leyen EU

Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission

Brüssel/Berlin – Der erste Härtetest für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Der Iran-Konflikt. Und mit ihm am Mittwoch der Aufruf von US-Präsident Donald Trump, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die anderen sollen nicht mehr am Atomabkommen mit dem Iran festhalten.

Während all dies geschieht, ist von der Leyens Kommission gerade mal fünf Wochen im Amt. Bis zum Montag waren die EU-Institutionen noch in der Winterpause. Und so dauerte es fast vier Tage, ehe von der Leyen sich zu den Ereignissen äußerte – und klarmachte, dass dem Iran nahe stehende Kräfte für die Krise verantwortlich seien. Am Mittwoch forderte sie schließlich: „Der Gebrauch von Waffen muss jetzt aufhören, um Raum für Dialog zu schaffen.“ Die EU könne zur Deeskalation auf ihre ganz eigene Weise beitragen, weil man bewährte Beziehungen zu vielen Akteuren in der Region und darüber hinaus habe.

Und auch der Außenbeauftragte Josep Borrell warnt vor einer „Spirale der Gewalt“. Mahnt zur Zurückhaltung. Bedauert den Rückzug des Irans aus dem Atomabkommen. Und dringt auf eine politische Lösung.

Wie gehen die Europäer mit der Krise um?

Während die Situation weiter und weiter eskaliert, versucht Europa es mit den Mitteln der Diplomatie. Borrell führt Gespräche mit allen Seiten – unter anderem mit dem iranischen Außenminister Mohammed Dschwad Sarif. Anschließend schrieb Borrell in einem Brief an die EU-Außenminister, Sarif habe ihm zugesichert, der Iran bekenne sich zum Atomabkommen. Wenig später gab die Regierung in Teheran bekannt, sich künftig auch über die letzten Beschränkungen des Abkommens von 2015 hinwegzusetzen.

Mit Kritik an den USA halten sich alle Beteiligten in Europa zurück – von der Nato über die EU-Kommission bis zu den Regierungen in Paris, London und Berlin. Am deutlichsten wurde noch Außenminister Heiko Maas, der Teile von Trumps Verhalten als „nicht sehr hilfreich“ bezeichnete.

Wie verhält sich Deutschland?

Deutschland setzt wie die EU traditionell auf Diplomatie. „Es gibt keine militärische Lösung für diesen Konflikt“ – wie ein Mantra wird dieser Satz in Berlin wiederholt und stößt kaum je auf Widerspruch. So auch beim Iran-Konflikt.

Tatsächlich gab es in den vergangenen Jahren aber kaum noch eine Situation, bei der die Wahl zwischen militärischer und politischer Lösung auf dem Tisch gelegen hätte. Eine zunehmende Zahl internationaler Akteure bedient sich stattdessen beider Mittel gleichzeitig oder abwechselnd, zunehmend ohne Rücksicht auf Spielregeln der Weltgemeinschaft und oftmals viel weiter ins Risiko gehend, als man es in europäischen Demokratien vertreten kann und will. Für Brüssel bleibt oft nur die Rolle des mahnenden Beobachters.

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In dieser Situation müsse Deutschland auch zu einer Rolle als „Gestaltungsmacht“ bereit sein, sagte die Verteidigungsministerin und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer im November. Deutschland müsse zu Fragen, die strategische Interessen beträfen, eine eigene Haltung entwickeln. Wenn nötig, müsse das Spektrum militärischer Mittel zusammen mit den Verbündeten ausgeschöpft werden. Auch dies: bislang nur Ankündigungen.

Und welche Mittel hätte die EU im aktuellen Konflikt?

Zumindest könnte die Staatengemeinschaft schneller reagieren, meint ein EU-Diplomat. „Warum treffen sich die Außenminister nicht schneller?“, fragt er. „Das wäre ein Signal.“

Als Test für von der Leyen und ihre geopolitische Kommission will der EU-Diplomat die aktuellen Ereignisse noch nicht bewerten. Dazu sei sie zu kurz im Amt. Zudem betont er, dass die EU bei Konflikten immer schon Beschwichtiger gewesen sei. Sobald es militärisch werde, habe die Staatengemeinschaft keinen Hebel. Ein anderer Diplomat sagt, es brauche in jedem Konflikt jemanden, der mit beiden Seiten im Gespräch sei. „Da kommt der EU und den Mitgliedstaaten schon eine eigene Rolle zu.“ Diplomatie sei kein medienwirksames Ereignis – und Ergebnisse stünden am Ende eines langen Prozesses.

Die Vielzahl europäischer Bemühungen dieser Tage ist schon auffällig. Allein in dieser Woche wurden in verschiedenen Formaten Krisengespräche zur Lage im Iran und in Libyen geführt. Auch das für Freitag geplante Sondertreffen der Außenminister ist ungewöhnlich. (dpa)

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