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Behandlung HochbetagterStreeck-Vorstoß stößt auf Widerspruch bei Woelki und Latzel

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Mit seinen Äußerungen sorgte Hendrik Streeck (CDU) für Wirbel.

Der Bonner Virologe und Bundestagsabgeordneter stellt die Kostenfrage bei der Behandlung hochbetagter Menschen und stößt auf Kritik.

Äußerungen des Bonner Virologen und Bundestagsabgeordneten Professor Dr. Hendrik Streeck (CDU) zur Kostenfrage bei der medizinischen Behandlung Hochbetagter haben für teilweise scharfe Kritik gesorgt. Der Bundesverband der Partei-Gliederung „Senioren Union“ erklärte am Freitag „großes Befremden und deutliche Ablehnung“. Streeck hatte in einem Talkformat des Fernsehsenders „Welt TV“ über die Finanzierung des Gesundheitswesens zugespitzt formuliert, ob bei sehr alten, lebensbedrohlich erkrankten Menschen noch aufwändige Therapien und teure Medikamente eingesetzt werden sollen.

„Verbindliche Leitlinien“ gefordert

Streeck, der auch Drogenbeauftragter der Bundesregierung ist, sprach sich für „klarere und verbindliche Leitlinien“ aus, die im Wege der Selbstverwaltung von Medizinerinnen und Medizinern erstellt werden sollen. „Es gibt einfach Phasen im Leben, wo man bestimmte Medikamente auch nicht mehr einfach so benutzen sollte“, sagte Streeck. Bei fortgeschrittenen Krebs-Erkrankungen sei es fraglich, ob man Erkenntnisse neuester Studien bei Hundertjährigen anwenden solle, wenn die Sterblichkeit dadurch um zehn Prozent reduziert werden könne. Seine Argumentation unterstrich er mit Erfahrungen beim Tod seines Vaters (siehe Kasten). 

„Wir dürfen in Deutschland niemals dahin kommen, dass über den Wert eines Lebens nach seinem wirtschaftlichen Nutzen entschieden wird“, erklärte Hubert Hüppe, Vorsitzender der Senioren-Union. Das Alter eines Menschen dürfe kein Kriterium dafür ein, ob eine medizinische Behandlung oder ein Medikament verordnet wird. Der Respekt vor der Würde jedes einzelnen Menschen müsse Leitlinie aller politischen Entscheidungen im Gesundheitswesen sein.

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki erklärte gegenüber der Rundschau, ältere und schwächere Menschen verdienen besonderen Schutz – einschließlich einer flächendeckenden und verlässlich finanzierten Hospiz- und Palliativversorgung. Woelki: „Sollte eine ernst gemeinte Diskussion darüber entbrennen, ob nachgewiesen wirksame Behandlungsmethoden und Medikationen nur noch mit Altersgrenze zum Einsatz kommen, dann wird das hoffentlich auf breites Unverständnis und Ablehnung treffen.“

Präses: „Ethisch nicht vertretbar“

„Es ist ethisch nicht vertretbar, den Zugang zur besten medizinischen Versorgung an das Alter zu knüpfen“, sagte Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, auf Anfrage der Rundschau: „Ich halte solche Überlegungen für altersdiskriminierend und brandgefährlich. Denn es öffnet Tür und Tor für völlige Willkür.“ Wenn jemand wegen seines Alters bestimmte Behandlungen versagt bekomme, könnten auch anderen Betroffenen aus diversen Gründen Teile der Versorgung gestrichen werden. „Wir brauchen eine notwendige Reform des Gesundheitssystems in Deutschland“, so Latzel: „Sie darf aber nicht durch eine Aufgabe grundlegender ethischer Maßstäbe geschehen.“ Er unterstelle Herrn Streeck dabei keine böse Absicht, aber die Politik müsse sich an klaren ethischen Leitlinien orientieren, wobei medizinische Indikation und Patientenwille im Vordergrund zu stehen hätten.

Regelung eher als Gesetz

Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Helmut Frister, sagte der Rundschau, etwa bei fortgeschrittenen lebenslimitierenden Tumorerkrankungen werde schon heute mit den Patienten ausgelotet, welchen Nutzen weitere Behandlungen bringen. Wünschten Betroffene das, müssten Ärzte dem nur entsprechen, wenn das medizinisch indiziert sei. In weniger eindeutigen Fällen gelte allein der Wille der Patienten. „Eine weitergehende Therapiebegrenzung aus ökonomischen Gründen sieht das geltende Recht nicht vor“, betonte Frister: „Sie könnte nach meiner Auffassung auch nicht durch medizinische Leitlinien, sondern nur durch Gesetz eingeführt werden.“

Hendrik Streeck selbst wollte sich auf Anfrage am Freitag nicht zu der von ihm ausgelösten Debatte äußern.