Kritik und Sanktionen: Israelische Offensive in Stadt Gaza ruft internationale Proteste und mögliche Sanktionen hervor
Gaza-KriegIsrael will Gaza erobern – Was sind mögliche Folgen?

Zerstörung, Trümmer und Elend prägen rund 22 Monate nach Beginn des verheerenden Gaza-Kriegs das Bild in dem Küstenstreifen. (Archivbild)
Copyright: Ohad Zwigenberg/AP/dpa
Das israelische Sicherheitskabinett hat nach ausgiebigen Beratungen beschlossen, den Militäreinsatz im Gazastreifen zu intensivieren. Dabei soll die Stadt Gaza eingenommen werden, möglicherweise mit dem Ziel, die Kontrolle über das gesamte Küstengebiet zu erlangen.
Gaza, die größte Stadt des Gazastreifens, wurde seit Beginn des Krieges vor etwa 22 Monaten mehrfach von israelischen Angriffen getroffen. Hier sind mögliche Auswirkungen des Beschlusses:
Welche Ziele verfolgt Israel?
Nach dem Sicherheitskabinettbeschluss wurden fünf Prinzipien zur Beendigung des Konflikts von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu's Büro bekannt gegeben. Diese umfassen die Entwaffnung der Hamas, die Rückkehr aller Geiseln - lebend oder tot -, die Entmilitarisierung des Gazastreifens, die militärische Kontrolle des Küstengebiets durch Israel sowie die Schaffung einer Zivilverwaltung, die unabhängig von der Hamas oder der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) sein soll.
Laut einem Interview mit dem US-Sender Fox News vor der Sicherheitskabinettsitzung erklärte Netanjahu, dass Israel die Herrschaft über den gesamten Gazastreifen übernehmen wolle, ohne ihn jedoch dauerhaft zu besetzen. Ziel sei es, das Gebiet von der Hamas zu befreien, um es dann an andere Kräfte zu übergeben, die nicht die Zerstörung Israels anstreben.

Der israelische Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu spricht während einer Pressekonferenz. (Archivbild)
Copyright: Ronen Zvulun/Pool Reuters/dpa
Medienberichten zufolge könnte die jüngste Ankündigung einer Ausweitung der Kämpfe als Verhandlungstaktik interpretiert werden, um Druck auf die Hamas in den stockenden Verhandlungen um eine Waffenruhe auszuüben. Vertreter israelischer Politiker äußerten sich in diese Richtung. Laut dem Bericht des N12-Senders setzen Länder wie Katar, Ägypten und die Türkei bereits Druck auf die Hamas, um schnell wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Was bedeutet das für die Bevölkerung im Gazastreifen?
Das Bild im Küstenstreifen von Gaza ist rund 22 Monate nach Beginn des verheerenden Gaza-Kriegs von Zerstörung, Trümmern und Elend geprägt. Die humanitäre Lage vor Ort wird als katastrophal beschrieben. Laut den Vereinten Nationen besteht außerdem die Gefahr einer Hungersnot in der Region.
Israels Streitkräfte haben gegenwärtig die Kontrolle über circa 75 Prozent der Fläche des Gazastreifens. Die Stadt Gaza ist bisher nicht unter israelischer Kontrolle und beherbergt vor dem Konflikt etwa 700.000 Einwohner. Trotz bereits erfolgter Abwanderung wird erwartet, dass die anhaltenden Kämpfe zu einer weiteren Fluchtbewegung führen. Kämpfe in städtischen Gebieten gelten als besonders gefährlich für Zivilisten.
Der TV-Sender N12 hat berichtet, dass Bewohner bis Anfang Oktober in Flüchtlingslager im Zentrum des Gazastreifens evakuiert werden sollen. Die Lager sind bereits jetzt überfüllt und die hygienischen Bedingungen gelten als gesundheitsgefährdend. Verschiedene Hilfsorganisationen haben wiederholt vor Krankheitsausbrüchen gewarnt.
Die Ankündigungen über mögliche Gebietserweiterungen haben bei den Palästinensern Sorgen ausgelöst. Es wird befürchtet, dass es zu einer erneuten Flüchtlingswelle kommen könnte, ähnlich wie während der israelischen Staatsgründung 1948 und des Sechstagekriegs 1967.
Was bedeutet das für die Geiseln?
Die Armeeführung warnt vor einer Ausweitung der Kämpfe aus Angst um das Leben der Geiseln. Laut der Zeitung „Jediot Achronot“ besteht die Gefahr, dass die Geiselnehmer die Gefangenen töten könnten, falls israelische Truppen sich den Entführungsorten nähern. Es wurde davor gewarnt, zu tief in die betroffenen Gebiete vorzudringen, da dies zu einem „vollständigen Verlust aller Geiseln“ führen könnte.
Angehörige der Entführten haben sich wiederholt gegen militärische Befreiungsaktionen ausgesprochen und drängen auf eine friedliche Lösung zur Beendigung des Konflikts. Israelischen Angaben zufolge werden noch 50 Geiseln im Gazastreifen vermutet, wobei 20 von ihnen noch am Leben sein sollen.
Israelischen Berichten zufolge warnte ein Beamter davor, dass die Geiseln in Gaza verhungern könnten und die Hamas weiterhin die Kontrolle über die Region haben werde. Jüngsten Veröffentlichungen zufolge zeigen Propagandavideos der Hamas und des Palästinensischen Islamischen Dschihads (PIJ) zwei abgemagerte und erschöpfte Geiseln, darunter den Deutsch-Israeli Rom Braslavski (21) und Evjatar David (24).
Wie könnte die internationale Gemeinschaft reagieren?
Die Zunahme der Kämpfe würde zu einer weiteren Eskalation des Konflikts führen. Kritik an Israels Vorgehen hat international stark zugenommen. Kommentatoren warnen vor einer drohenden diplomatischen Isolation, da selbst enge Verbündete des Landes die Regierung in Jerusalem scharf kritisieren.
Angesichts der anhaltenden Krise in Gaza haben einige Staaten in Erwägung gezogen, Sanktionen gegen Israel zu verhängen. Die deutsche Bundesregierung reagierte nach zunehmender Kritik am militärischen Vorgehen Israels und beschloss innerhalb weniger Stunden konkrete Maßnahmen. Bundeskanzler Friedrich Merz verkündete am Mittag, dass vorerst keine Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter erteilt würden, die im Konflikt in Gaza eingesetzt werden könnten.
Welche anderen Folgen könnte die Entscheidung für Israel haben?
In städtischen Gebieten zeichnet sich eine weitere umfangreiche Bodenoffensive ab, deren Beginn noch unklar ist. Dies könnte jedoch erhöhte Risiken für die israelischen Soldaten mit sich bringen. Es gibt bereits eine verbreitete Forderung in der israelischen Bevölkerung nach einem Ende des Krieges. Die Betrübnis über gefallene Soldaten in diesem Jahr war bereits erheblich - zusätzliche Verluste auf israelischer Seite könnten die Unterstützung für den Krieg weiter schwächen.
Regierungschef Netanjahu steht vor einer schwierigen innerpolitischen Lage bezüglich des Gazastreifens. Während rechtsextreme Koalitionspartner die Einnahme des gesamten Gebiets und die Vertreibung der Palästinenser fordern, halten sich gemäßigte Regierungsmitglieder bedeckt. Die Oppositionsparteien sprechen sich vehement gegen diese Forderungen aus. Eine weitere Polarisierung der politischen Lager könnte drohen. (dpa)