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Landkreis-Präsident im Interview„Wasserknappheit ist ein ernsthaftes Problem“

5 min
Landrat Sager

Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistages

Die Kommunen stemmen sich gegen Dürre und Gasmangel. Landkreis-Präsident Reinhard Sager warnt  im Gespräch mit Tobias Schmidt davor, Verbrauchern im Sommer das Wasser abzudrehen oder im  Winter die Heizung zu drosseln. Hat er rech

Dürre und Hitze plagen Land und Leute. Sind wir nicht richtig vorbereitet auf die Folgen des Klimawandels?

Die Wasserknappheit ist ein ernsthaftes Problem. Darauf müssen sich die Landkreise einstellen, auch wenn nicht alle Gebiete gleichermaßen betroffen sind. Schon jetzt wird in manchen Landkreisen die Wassernutzung eingeschränkt.

Was bringen Verbote, sein Auto zu waschen oder den Rasen zu sprengen?

Wo echter Wassernotstand droht, kann das angemessen sein. Deutschlandweit sehe ich das nicht. Hinzu kommt: Wer soll die Verbote kontrollieren oder Verstöße gar sanktionieren? Ich plädiere für Regeln, die von der Bevölkerung nachvollzogen und von den Behörden kontrolliert werden können. Erfolgversprechender als ein Blumengießverbot sind Appelle zum Wassersparen an die Bürger, die ja selbst um die Knappheit wissen. Wir müssen nicht überall gleich Verbote erlassen.

Zur Person

Reinhard Sager, geboren 1959 in Grömitz an der Ostsee, ist bereits seit 21 Jahren direkt gewählter Landrat des Kreises Ostholstein. 2014 übernahm der CDU-Politiker die Leitung des Deutschen Landkreistages, des kommunalen Spitzenverbandes, der die Interessen der 294 Landkreise auf Bundesebene vertritt. In ihnen wohnen etwa 55 Millionen Menschen, was rund 68 Prozent der Bevölkerung Deutschland entspricht. (EB)

In Italien wird teils schon nachts das Wasser abgestellt. Bald auch bei uns?

Auch hier sehe ich keine Notwendigkeit für staatliche Eingriffe. Wir sollten eher versuchen, die Menschen in den besonders trockenen Landkreisen zu freiwilliger Sorgsamkeit beim Umgang mit Wasser zu ermuntern, wenn sie es nicht von selbst machen.

Müssen Bund, Länder und Landkreise nicht viel mehr tun, um die Widerstandsfähigkeit der Natur zu stärken?

Unbedingt. Renaturierung, Wiedervernässung der Moore, weniger Bodenversiegelung: All das gehört auf die Agenda, auch auf kommunaler Ebene. Denn der Klimawandel schreitet voran. Es ist keine Zeit zu verlieren.

Nach dem heißen Sommer kommt im Winter womöglich das Frieren, wenn kein Gas mehr fließt, oder?

Wir Landkreise blicken natürlich auch mit Sorge auf die drohende Gasknappheit, sollten es aber tunlichst vermeiden, Panik zu schüren und die Menschen zu verunsichern. Der Bund ist gefordert, die Gasbedarfe für den Winter zu decken, wo immer es geht Gas einzukaufen. Die Speicher sind zu etwas mehr als 60 Prozent gefüllt. Es gibt erste Landkreise, die Wärmeinseln vorbereiten, flächendeckend ist das aber kein Thema. Ich gehe auch nicht davon aus, dass die Menschen im Winter frieren werden, sondern dass die Gas- und Strombewirtschaftung funktionieren wird. Der Bund hat dafür die Verantwortung und er nimmt sie auch wahr.

Wirtschaftsminister Robert Habeck ruft dazu auf, Energie zu sparen…

Dem Appell zum Energiesparen schließe ich mich an. Die Landkreise machen bei der Initiative des Ministers mit: Jede eingesparte Kilowattstunde hilft!

Staatliche Eingriffe zur Senkung der Heiztemperaturen braucht es nicht?

Von Vorgaben, die Heizung abzudrehen, halte ich überhaupt nichts. Der Preisdruck ist enorm, so dass die Menschen klug genug sind, keine Energie zu verschwenden. Eingriffe aus Berlin oder Brüssel in die Wohnraumbeheizung können sowieso nicht zum Ziel führen. Kein Staat auf der Welt könnte das kontrollieren oder gar sanktionieren. Daher bitte Finger weg von unsinnigen Regeln. Das trägt allenfalls zur Verunsicherung bei.

Habeck regt beim Gas eine Priorisierung an. Wäre es richtig, den Vorzug für Verbraucher zu kappen, damit auch die Industrie beliefert wird?

Die Ansage des Ministers bringt uns nichts. Verbraucher und Wirtschaft gegeneinander zu stellen, ist alles andere als zielführend. Natürlich sollten Privatkunden beim Gassparen mitmachen. Aber an den EU-Regeln, wonach Haushalte, Kliniken und andere kritische Infrastrukturen Vorrang vor der Industrie haben, darf nicht gerüttelt werden, und darüber sollte auch nicht leichtfertig spekuliert werden.

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Was sagen die Landkreise zur Debatte über Energiequellen, die noch nicht oder nicht mehr genutzt werden sollen: Frackinggas und Atomkraft?

Wir leben in einer Zeitenwende. Da ist es aus meiner Sicht unangemessen, Energiegewinnungsformen per se auszuschließen. Das gilt für längere AKW-Laufzeiten ebenso wie für Fracking. Flüssiggas wollte auch niemand nutzen, jetzt wird es händeringend gesucht und die Terminals werden im Eiltempo hochgezogen. Vielleicht brauchen wir die Atomkraft am Ende nicht. Aber die Option jetzt vom Tisch zu nehmen, ist falsch. Wir sind nun mal ein rohstoffarmes Land. Gleiches gilt fürs Fracking. Beliebt ist das nirgendwo, kein Landrat wünscht sich das. Aber wenn es die Chance gibt, durch erträgliche Eingriffe in die Natur auf diesem Weg bei uns Gas zu fördern, dann sollten wird das angehen. In Katar, Norwegen oder Großbritannien um das Gas zu betteln, das wir selbst nicht fördern wollen, finde ich unlogisch.

Dass der Windkraftausbau schnell genug vorangeht, glauben Sie nicht?

Da stehen wir Landkreise voll hinter dem Ziel der Bundesregierung, beim Weg aber sind wir nicht einverstanden. Die Länder zu zwingen, genau zwei Prozent ihrer Fläche für Windkraft auszuweisen, ist ein unnötiges Ärgernis. Viel zielgerichteter wäre eine Mengenvorgabe für erneuerbaren Strom, die die Länder einzuhalten haben. Wer die Menge auch mit Photovoltaik erreicht oder mit Wasserkraft und Geothermie, braucht vielleicht nur 1,5 Prozent der Fläche für Windkraft. Andere Länder könnten auch drei Prozent für Windkraft ausweisen. Die Flexibilität würde zugleich mehr Akzeptanz schaffen, daher hoffen wir hier auf ein Umdenken in Berlin.