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NRW-Minister Liminski„Wichtig ist, dass die Hilfe die Menschen erreicht“

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Nathanael Liminski (r.) mit Gadi Mozes (80), Bewohner des Kibbuz Nir Oz, der 482 Tage als Geisel in der Hand der Hamas war.

Nathanael Liminski (r.) mit Gadi Mozes (80), Bewohner des Kibbuz Nir Oz, der 482 Tage als Geisel in der Hand der Hamas war.

NRW-Minister Nathanael Liminski berichtet nach seinem Vor-Ort-Besuch im Interview mit der Rundschau zur Situation in Israel und den Palästinensischen Gebieten.

Nathanael Liminski (CDU), Chef der NRW-Staatskanzlei und Minister für Internationales, hat am Dienstag auf Fragen von Raimund Neuß und Frank Überall nach seiner Rückkehr aus Israel und den Palästinensischen Gebieten geantwortet.

Sie haben den vom Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 betroffenen Kibbuz Nir Oz besucht. Was waren Ihre Eindrücke vom Wiederaufbau und vom Umgang der Menschen mit dem Trauma des 7. Oktober?

Nir Oz ist das Kibbutz, das am schwersten betroffen wurde. 80 der 250 Geiseln, die von der Hamas in den Gaza-Streifen verschleppt wurden, stammen von dort. Der Ort wurde nahezu vollständig zerstört, Dutzende Menschen wurden auf teils bestialische Weise ermordet – die Spuren dieses Grauens sind bis heute sichtbar. Und dennoch: Die Menschen kehren allmählich in ihre Heimat zurück. Das ist auch dank der Unterstützung aus Nordrhein-Westfalen möglich. Ich habe vor Ort Freiwillige aus Bergisch-Gladbach getroffen, die beim Wiederaufbau tatkräftig mithelfen - im Rahmen unseres Programms Shalom Chaveruth. Wir machen ernst mit dem Ziel, genau dort, wo die Hamas jüdisches Leben auslöschen wollte, es wieder erblühen zu lassen. Die Widerstandskraft und der Mut der Menschen in Nir Oz sind eine Inspiration.

Was bedeutet der 7. Oktober für die Arbeit von Yad Vashem und für die Zusammenarbeit unseres Bundeslandes mit dieser Institution?

Der 7. Oktober war ein schockierender Beweis dafür, dass Antisemitismus auch heute noch in eine unfassbare Zerstörungswut umschlagen kann – in einer Dimension, die an die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte erinnert. Damit hat die Arbeit von Yad Vashem eine bedrückend neue Aktualität erhalten. Zugleich erleben wir im Nachgang zum 7. Oktober eine gefährliche Entwicklung: die Relativierung des Holocaust, Täter-Opfer-Umkehr und eine zunehmende Normalisierung von Antisemitismus – auch mitten in Europa. Gerade deshalb ist Yad Vashem so wichtig. Es geht nicht nur um Erinnerung, sondern auch um Wachsamkeit in der Gegenwart für die Zukunft. Und diese Bildungsarbeit muss zunehmend unter veränderten Umständen stattfinden – ohne lebende Zeitzeugen, die die Brücke von der Gegenwart zur Rampe in Auschwitz schlagen konnten. Deshalb setzen wir als Land Nordrhein-Westfalen alles daran, die Kooperation mit Yad Vashem zu vertiefen - das haben wir in Jerusalem nun besiegelt. Wir bemühen uns zudem darum, den ersten Ableger von Yad Vashem außerhalb von Israel nach Nordrhein-Westfalen zu holen – um jungen Menschen bei uns neue Wege der Begegnung, Aufklärung und Empathie zu eröffnen. Mit unserer parteiübergreifenden Unterstützung, zentral gelegenen Erreichbarkeit und der Gedenkenstättenlandschaft hier in NRW können wir die Wirkung der Außenstelle noch einmal in ihrer Wirkung hebeln.

Sie haben sich auf Ihrer Reise dafür ausgesprochen, Palästinenserpräsident Abbas zu stärken. Wie sehen Sie die Chancen, dass seine Autonomiebehörde auch die Verwaltung des Gazastreifens führen kann und die Hamas von der Macht verdrängt wird?

Aktuell scheint die Hamas ihre Macht doch wieder auszubauen, wo Israel abgezogen ist. Die Palästinensische Autonomiebehörde ist in den Augen vieler internationaler Partner – auch vieler Israelis – die derzeit einzige realistische Alternative zur Hamas. Dass die Autonomiebehörde Verantwortung für den Gazastreifen mitübernehmen könnte, setzt voraus, dass diese endlich lang anstehenden Reformen mit Blick auf Transparenz und Effizienz umsetzt und glaubhaft versichert, dass sie zur dauerhaften friedlichen Koexistenz mit Israel bereit ist. Doch klar ist, dass die Zeit drängt. Denn die Hamas versucht, ihre Macht in jedem entstehenden Vakuum sofort wieder auszubauen. Deshalb muss nun schnell die Entwaffnung der Hamas und die Etablierung einer klaren Sicherheitsstruktur vorangetrieben werden.

Was waren Ihre Eindrücke an der Grenze zum Gazastreifen?

Die Lage für die Zivilbevölkerung ist nach wie vor dramatisch. Gleichzeitig konnte ich mich davon überzeugen, dass humanitäre Hilfe in Teilen ankommt – auch ohne die Strukturen von UNRWA, denen Israel verständlicherweise misstraut. UNRWA war in den letzten Jahren einfach zu intransparent und letztlich auch zu verwoben mit den von der Hamas dominierten Regierungsstrukturen in Gaza, um als vertrauenswürdiger Partner zu dienen. Hilfslieferungen werden über internationale Organisationen und mit bilateraler Unterstützung abgewickelt. Der Weg ist schwierig, doch jeder Lkw, der Lebensmittel, Wasser oder medizinische Güter in den Gazastreifen bringt, macht einen Unterschied. Wichtig ist, dass die Hilfe auch wirklich die Menschen erreicht, die sie benötigen – und nicht von Terrororganisationen instrumentalisiert wird.