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Milliardeninvestition für Sicherheit35 Milliarden für deutsche „Sicherheitsarchitektur“ im All

4 min
Boris Pistorius (SPD)

Boris Pistorius (SPD)

Der Verteidigungsminister warnt, dass gezielte Angriffe im All ganze Staaten lahmlegen könnten. Die Bundesregierung gibt nun Milliarden für Gegenmaßnahmen.

„Aufholjagd im All“: Die Bundesregierung wird nach Angaben von Verteidigungsminister Boris Pistorius in den nächsten fünf Jahren 35 Milliarden Euro für Weltraumprojekte und eine Sicherheitsarchitektur im All bereitstellen. Der SPD-Politiker kündigte in Berlin beim BDI-Weltraumkongress ein Gesamtpaket an, „das Schutz und Wirkung gleichermaßen gewährleistet“.

Als Ziel des Programms nannte er eine belastbare Struktur aus Satellitenkonstellationen, Bodenstationen, gesicherten Startfähigkeiten ins All und den nötigen Services. „Wir härten unsere Systeme gegen Störungen und Angriffe. Das schließt ganz ausdrücklich die Cybersicherheit für alle Weltraumsysteme ein“, sagte Pistorius.

Der Minister sprach sich auch dafür aus, dass über Offensivfähigkeiten gesprochen werden müsse. Der Begriff beschreibt Systeme, um im Weltall notfalls auch militärisch wirksam zu sein oder angreifen zu können. „Auch im Weltraum müssen wir abschrecken können, um verteidigungsfähig zu sein“, sagte Pistorius. 

Deutschland braucht gesicherte Transportwege ins All

Zusätzlich müssten Redundanzen durch mehrere, vernetzteSatellitenkonstellationen geschaffen werden. Deutschland brauche auch gesicherte Transportkapazitäten ins All: „Hier setzen wir auf einen Mix: kleine Trägerraketen für flexible Starts, mittelfristig aber auch europäische Schwerlastträger, die im Wettbewerb entstehen – und vor allem bestehen müssen.“

Im Weltraumkommando der Bundeswehr werde ein eigenes militärisches Satelliten-Betriebszentrum nötig sein. Pistorius sagte: „Nur so behalten wir die Kontrolle über unsere Systeme und können im Ernstfall schnell reagieren.“

Russland und China können Satelliten stören und zerstören

Russland und China haben ihre Fähigkeiten zur Kriegsführung im Weltraum nach Einschätzung von Pistorius in den vergangenen Jahren „rasant ausgebaut“. „Sie können Satelliten stören, blenden, manipulieren oder kinetisch zerstören“, sagte er.

Aktuell würden zwei auch von der Bundeswehr mitbenutzte IntelSat-Satelliten durch zwei russische Luch-Olymp-Aufklärungssatelliten verfolgt. China führe mit seinen Weltraumsystemen hochagile und dynamische Annäherungsmanöver durch, die man auf die Luftwaffe übertragen als Luftkampfübungen bezeichnen könne. 

Pistorius warnte, Satellitennetzwerke seien eine Achillesferse moderner Gesellschaften. „Wer sie angreift, legt ganze Staaten lahm.“ Bereits heute seien auch Systeme der Bundeswehr von Störangriffen betroffen. Die Attacken richteten sich aber nicht nur gegen die Truppe, sondern auch gegen Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt.

Bereits am Morgen vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine habe ein russischer Cyberangriff auf das Satellitennetzwerk „ViaSat“ große Teile der Kommunikation lahmgelegt, erinnerte der Minister. In Deutschland sei die Betriebssteuerung von insgesamt knapp 6.000 Windrädern massiv eingeschränkt gewesen.

Pistorius: Rede findet unter 39 Aufklärungssatelliten statt

Die heutige Bedrohungslage gehe weit darüber hinaus. Pistorius sagte: „Bei unseren Gebirgsjägern in der Bundeswehr gilt der Satz: Wer die Höhen hat, der kontrolliert auch die Täler. Würden wir die Situation im Weltraum heute auf eine Landkarte legen, wäre eines sehr schnell offensichtlich: Russland und China besetzen bereits wichtige strategische Hügel und Berge im All.“

Allein während seiner Rede kreisten insgesamt 39 chinesische und russische Aufklärungssatelliten über Berlin. Erst vor wenigen Monaten hatte NATO-Generalsekretär Mark Rutte seine Sorge darüber geäußert, dass Russland möglicherweise die Stationierung von Nuklearwaffen im Weltraum erwäge – mit dem Ziel, gegnerische Satelliten angreifen zu können.

Deutschland ist zuletzt immer mehr zurückgefallen

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht deutlich höheren Investitionsbedarf, um im globalen Wettbewerb der Raumfahrtnationen aufzuholen. Deutschland und Europa hätten in den vergangenen Jahren weiter an Abstand zu führenden Akteuren wie den USA und China verloren, heißt es in einer gemeinsamen Studie mit der Unternehmensberatung Roland Berger. Dies habe weitreichende Folgen für die gesamte Industrie, warnen die Autoren.

Der globale Markt für weltraumgestützte Infrastruktur und Dienste werde sich bis 2040 vervierfachen – von heute knapp 500 Milliarden auf zwei Billionen Euro, heißt es in der Studie. Für die deutsche Wirtschaft bestehe erhebliches Potenzial „dank ihres spezialisierten Ingenieurs-Know-how, das die Raumfahrt dringend benötigt“.

Die Studie bemängelt eine jahrzehntelange Unterfinanzierung, die Folgen habe. Deutschland betreibe derzeit nur etwas mehr als 80 eigene Satelliten, die USA dagegen über 10.000 und China über 900 – „Tendenz stark steigend“. 

Die Autoren machen auf kritische Abhängigkeiten aufmerksam – insbesondere im Bereich der Satellitenkommunikation. Derzeit existiert demnach keine deutsche oder europäische Alternative zum US-amerikanischen Netzwerk. Dabei seien satellitengestützte Daten essenziell – sowohl für die Verteidigungsfähigkeit als auch für zentrale Prozesse. (dpa)