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Streit um Parteizentrale„Die AfD besetzt mein Haus“

7 min
Schauplatz des Konflikts: Das Gebäude in Berlin-Reinickendorf, in dem die AfD ihre Parteizentrale hat, gehört dem Wiener Unternehmer Lukas Hufnagl.

Schauplatz des Konflikts: Das Gebäude in Berlin-Reinickendorf, in dem die AfD ihre Parteizentrale hat, gehört dem Wiener Unternehmer Lukas Hufnagl.

 Lukas Hufnagl besitzt einen Bürokomplex in der Hauptstadt. Einen Teil vermietet er an die AfD. Doch inzwischen will er die Partei nur noch loswerden. Er wirft ihr sogar mutmaßliche Erpressung vor. Über einen außergewöhnlichen Streit im Berliner Norden.

Das Gebäude steht in einem Gewerbegebiet im Berliner Ortsteil Wittenau. Eine Autowerkstatt, eine Spedition, ein Heizkraftwerk. Und dazwischen ein vierstöckiger, hufeisenförmiger Bürokomplex mit zwei Eingängen und einem gepflegten Innenhof. Anwälte residieren hier, Physiotherapeuten, eine Beratungsstelle, die Geflüchteten hilft. Und dann gibt es einen Mieter, den man hier, im Eichhorster Weg 80, in dieser unscheinbaren und zweckmäßigen Gegend, eher nicht erwartet.

Im Norden der Hauptstadt hat die Alternative für Deutschland ihre Parteizentrale. Noch, muss man sagen. Denn Lukas Hufnagl will die AfD loswerden. So schnell wie möglich.

Man erreicht ihn per Telefon. Lukas Hufnagl lebt in Wien, was man ihm anhört. 2018 hat der österreichische Immobilienunternehmer das Bürogebäude in Berlin, 9000 Quadratmeter plus Tiefgarage, für viel Geld gekauft, hat es generalsanieren lassen. Ein paar Jahre später zog die AfD ein, wurde Hauptmieter.

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Heute ist das Verhältnis zwischen Vermieter und AfD zerrüttet. Hufnagl hat ihr zum 31. März dieses Jahres fristlos gekündigt und über seinen Anwalt beim Berliner Landgericht auch eine Räumungsklage eingereicht. Doch die Partei weigert sich, auszuziehen.

Hufnagl sagt, dass ihn die AfD bewusst in die Insolvenz drängen wolle, seine Firma Quercus Grund GmbH sei finanziell am Limit. Er erhebt schwere Vorwürfe, vor allem zwei Akteure sieht er in der Hauptverantwortung: AfD-Schatzmeister Carsten Hütter und den AfD-Bundesgeschäftsführer Hans-Holger Malcomeß. Mit den beiden hat sich Hufnagl immer wieder getroffen, auch über einen Verkauf der Immobilie an die AfD verhandelt, es ging um Millionen. Zig Millionen.

Heute sagt er: „Hütter und Malcomeß haben versucht, mich zu etwas zu drängen, wodurch ich mich von den beiden erpresst fühlte.“ Am 3. Juli hat Hufnagl gegen beide Strafanzeige gestellt. Was ihn zusätzlich ärgert: Dass der gesamte Bundesvorstand keinerlei Interesse an einer echten Lösung zeige. Für ihn ist der Grund klar: „Die AfD will nicht ausziehen, weil sie weiß, dass kein Vermieter mit ihr noch Geschäfte machen will.“

Die größte Oppositionspartei ohne Parteizentrale? Mitleid hätte Lukas Hufnagl sicher nicht. Nicht nach dem, was alles passiert ist.

Am Anfang sieht alles gut aus. Ende 2022 bezieht die AfD das Gebäude im Bezirk Reinickendorf. Zu dieser Zeit stehen viele Büros leer. Hufnagl freut sich über die 1700 Quadratmeter Bürofläche, die er an die Partei vermieten kann.

Aber warum hat er sich überhaupt auf die AfD eingelassen? Hätte er nicht ahnen müssen, dass die Partei keine gewöhnliche Mieterin sein dürfte? Schließlich wurde sie im Herbst 2022 bereits bundesweit vom Verfassungsschutz als „rechtsextremer Verdachtsfall“ geführt, der Thüringer Landesverband galt da schon als gesichert rechtsextrem.

Hufnagl winkt ab: „Dieses übermoralisierende Getue ist typisch deutsch, das kennen wir in Österreich nicht. Schaun Sie: Ich vermiete Gewerbeflächen, ich habe Kredite zu zahlen und eine Familie zu ernähren. Solange sich ein Mieter an Recht und Ordnung hält, ist er mir willkommen.“ Zwei Sachen, an die sich die AfD aus seiner Sicht später nicht mehr halten wird.

Schon kurz nach dem Einzug zeigt die Partei Kaufinteresse

Kurz nach dem Einzug steht ein Verkauf der Immobilie an die AfD im Raum – für 33,5 Millionen Euro. Die Partei sei auf ihn zugekommen, sagt Hufnagl. Was danach passiert, schildert er so: Demnach sagt die AfD im Januar 2023 zunächst mündlich einen Kauf zu. Schatzmeister Hütter und Geschäftsführer Malcomeß leiten die Verhandlungen. Man brauche nur etwas Zeit, um das Geld zu organisieren, sagen sie. Klingt harmlos. Doch dann beginnt das, was Hufnagl heute als „mutmaßliche Erpressung“ empfindet.

Im Mai 2023 ein erneutes Treffen: Nun nennt die AfD plötzlich nur noch 28 Millionen Euro als Kaufpreis. Grinsend habe Malcomeß betont, man wisse, dass die Finanzierung des Gebäudes auslaufe, aber weder die Refinanzierung noch ein Verkauf mit der AfD als Mieter realisierbar sei. Eine Art Nötigung durch Unterlassen? Hufnagl lehnt das Angebot ab.

Aber der Österreicher bemüht sich weiter um einen Deal. Ein Jahr später, im Juli 2024, wird Hufnagl deutlich gegenüber den AfD-Vertretern: Ihm drohe der Bankrott, die Partei müsse sich darauf einstellen, vom Insolvenzverwalter „sofort rausgeschmissen“ zu werden. „Daraufhin hat Hütter wörtlich gesagt: ,Dann besetzen wir das Objekt!‘.“ Und genau das sei passiert, sagt Hufnagl. „Die AfD besetzt de facto mein Haus.“ Im August 2024 lässt die Partei einen Kauf endgültig platzen.

Hufnagl steht vor Schwierigkeiten: Er hat zwar einen Finanzier im Rücken, der die Finanzierung des Komplexes vorläufig verlängert hat, Fachleute sprechen von Prolongieren. Aber einen langfristigen Kreditgeber hat Hufnagl bis heute nicht gefunden. „In Deutschland ist keine Bank bereit, ein Objekt zu finanzieren, in dem die AfD sitzt.“ Er wittert eine Strategie: Die AfD will in Gestalt von Hütter und Malcomeß ihren schlechten Ruf nutzen und ihn gezielt in die Insolvenz treiben, um das Gebäude später günstig bei einer Zwangsversteigerung zu erwerben.

Die AfD weist die Vorwürfe zurück. Die Partei bestätigt zwar Gespräche und ein grundsätzliches Kaufinteresse, aber es habe niemals eine verbindliche Zusage gegeben. Das 28-Millionen-Euro-Angebot sei lediglich eine „Beispielrechnung“ gewesen. „Es ist außerdem nicht nachvollziehbar, welches Interesse wir als Mieter daran gehabt haben sollen, dass der Vermieter sein Objekt weder verkaufen noch refinanzieren kann“, teilt Bundesschatzmeister Carsten Hütter auf Anfrage mit. Die AfD wolle einen wirtschaftlich stabilen Vermieter, der den Mietvertrag zuverlässig erfüllen könne.

Das alles erklärt, wie es zum Zerwürfnis zwischen Hufnagl und der AfD kommen konnte. Aber reicht das für eine fristlose Kündigung? Vermutlich nicht. Und deshalb geht die Geschichte weiter.

Zum großen Knall kommt es vor fünfeinhalb Monaten. 23. Februar, der Abend der Bundestagswahl. Die AfD kann ihren Stimmenanteil auf mehr als 20 Prozent verdoppeln, wird zweitstärkste Kraft hinter der Union. Und sie feiert: im Eichhorster Weg 80. Die Stimmung ist ausgelassen, der Andrang groß. Auf die Fassade im Innenhof wirft ein Projektor das blau-rote Parteilogo, es wird gegrillt. Internationale Medien berichten. Hufnagl sieht, wie die Weltöffentlichkeit auf die AfD schaut – und damit auf seine Immobilie. Jetzt hat er genug. Kurz darauf verschickt sein Rechtsanwalt die fristlose Kündigung der Mietverträge, darin wird die AfD aufgefordert, das Haus bis zum 31. März zu räumen.

Die Vorwürfe: Die AfD habe keine Genehmigung für die Party gehabt, mit der Projektion des Parteilogos gegen ein vereinbartes Werbeverbot verstoßen, zudem sei es für andere Mieter im Haus währenddessen nicht mehr möglich gewesen, das Gebäude zu betreten. Und die Stände im Innenhof hätten bei einem Notfall die Feuerwehr behindert.

Die „fristlose Kündigung ist ungerechtfertigt gewesen und ohne vorherige gesetzlich vorgeschriebene Abmahnung erfolgt“, entgegnet AfD-Mann Hütter. Ein Auszug könne dann erfolgen, wenn die „derzeitige Suche nach einer neuen Bundesgeschäftsstelle“ in Berlin abgeschlossen sei.

Der Anwalt der AfD argumentiert, dass Hufnagl „eben nicht an ,Lieschen Müller‘ vermietet, die vielleicht einmal in ihrem Leben zu einer Hochzeitsfeier einlädt, sondern an eine politische Partei“. Eine Genehmigung sei versehentlich nicht eingeholt worden, weil sie die Veranstaltung wegen der vorgezogenen Bundestagswahl sehr kurzfristig hätten organisieren müssen. So geht es aus einem Schreiben an das Landgericht Berlin hervor, das unserer Redaktion vorliegt.

Drohanrufe von Menschen mit sächsischem Akzent

Lukas Hufnagl sagt, er habe seine Immobilie stets aus der Politik raushalten wollen. Bereits kurz nach Beginn des Mietvertrags musste er aber feststellen, dass das mit der AfD nicht möglich ist. Im Oktober 2022 warnte die Antifa vor einem „Faschotreff in Reinickendorf“. In der nächsten Silvesternacht flogen Brandsätze in das Erdgeschoss des Gebäudes. In den Vorderreifen seines Autos drehte jemand zwei Schrauben.

Auch heute gibt es noch Attacken, seit der Räumungsklage hat sich aber etwas verändert, seitdem kommen sie von der anderen Seite. AfD-Schatzmeister Hütter soll im sächsischen Landtag, wo er als Abgeordneter sitzt, das Gerücht gestreut haben, Hufnagl sei ein Agent des Mossads. Hufnagl will das von anderen AfD-Funktionären erfahren haben. Auf den Vorwurf hat Hütter bis Redaktionsschluss nicht reagiert. Hufnagl berichtet auch von Drohanrufen von Menschen mit sächsischem Akzent. Sie sagten dann: „Wir wissen, wo du wohnst!“ und „Wir wissen, dass du für den Mossad arbeitest, du Schwein!“.

Am 19. September wird vor dem Landgericht Berlin über die Räumungsklage verhandelt. Ein Richter wird entscheiden, ob die AfD kurzfristig ausziehen muss. „Egal wie das Verfahren ausgeht, einer von uns wird in Instanz gehen und dann könnte der Prozess bis Mitte 2026 dauern“, sagt Hufnagl. Vorsorglich hat er der AfD auch fristgerecht gekündigt. Ende 2026 wird das Mietverhältnis enden, so oder so. Lukas Hufnagl will nur nicht bis dahin warten.