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40 Prozent der Fälle vermeidbarWarum man auch durch Lüften sein Krebsrisiko senkt

Lesezeit 6 Minuten
Eine Frau öffnet das Fenster, um ihre Wohnung zu lüften.

Auch regelmäßiges Lüften kann das persönliche Krebsrisiko senken.

Viele Krebsdiagnosen wären vermeidbar, denn der eigene Lebensstil hat einen großen Einfluss. Wie man das persönliche Risiko senkt.

Rund 40 Prozent aller Krebsfälle sind laut der Deutschen Krebshilfe vermeidbar. Obwohl das Potenzial von Prävention und Früherkennung enorm ist, ist das Wissen vieler Menschen über den Einfluss auf das eigene Krebsrisiko häufig gering.

„Prävention im Alltag ist ein ganz entscheidendes Thema“, betont Beate Appenrodt, Chefärztin für Innere Medizin am St. Elisabeth-Krankenhaus Köln-Hohenlind. Als onkologisches Schwerpunktkrankenhaus kennt man sich in ihrer Klinik gut aus mit der Diagnose Krebs – und mit den Maßnahmen, durch die sich viele dieser Schicksale verhindern lassen könnten. Ein gesunder Lebensstil, Impfungen und regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen können das persönliche Risiko stark beeinflussen, ebenso wie alltägliche Handlungen wie regelmäßiges Lüften.

Schuld an der eigenen Krebsdiagnose hat natürlich dennoch niemand. „Krebs ist eine multifaktorielle Erkrankung“, betont Beate Appenrodt. Es gibt also nicht die eine Ursache, die zur Entstehung eines Tumors führt. Einige Faktoren lassen sich auch nicht beeinflussen, genetische Veranlagungen etwa. Hinzu kommt, dass sich das Präventionspotenzial für verschiedene Krebsarten mitunter stark unterscheidet. Geringer sei es wahrscheinlich bei Tumoren im Kindesalter, bei Hirntumoren und bei Leukämie. „Diese Krebsarten lassen sich nicht so sehr durch Umweltfaktoren oder unsere Lebensweise beeinflussen“, erklärt die Medizinerin. Für andere Arten ist es höher: für Darm- und Magenkrebs, Leberkrebs, Hautkrebs, Brust- und Gebärmutterhalskrebs etwa. Viele Präventionsmaßnahmen haben darüber hinaus den positiven Nebeneffekt, auch weiteren Erkrankungen vorzubeugen.

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Risikoreicher Genuss: Zigaretten und Alkohol

Etwa der Verzicht auf Zigaretten. „Der Tabakkonsum hat den größten Anteil unter den lebensstilbedingten Faktoren“, sagt Appenrodt. Bis zu 20 Prozent der Krebsfälle sind in Deutschland aufs Rauchen zurückzuführen. Hinzu kommt eine erhöhte Gefährdung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle. Wer aufhöre zu rauchen, der könne sein Risiko für letztere Fälle recht schnell wieder senken, so die Ärztin. Bei Krebs dauere das wesentlich länger, erst nach bis zu zehn Jahren verringere sich das Lungenkrebsrisiko um etwa die Hälfte. „Natürlich sollte man trotzdem unbedingt aufhören zu rauchen, dafür ist es nie zu spät“, betont Appenrodt.

Ein weiterer Risikofaktor für Krebs ist ein hoher Alkoholkonsum. Gründe dafür gibt es gleich mehrere, weiß Beate Appenrodt: So bilde Alkohol bei seiner Verstoffwechselung den möglicherweise erbgutverändernden Stoff Acetaldehyd. Außerdem greife er in den Hormonhaushalt ein und fördere entzündliche Prozesse im Körper. Als Grenzwerte für einen eher risikoarmen Alkoholgenuss gelten laut der Medizinerin bei Frauen maximal 12 Gramm reiner Alkohol am Tag, das entspricht in etwa einem Glas Bier à 250 ml. Bei Männern liegt die Grenze bei 24 Gramm reinem Alkohol pro Tag, was höchstens zwei Gläsern Bier entspricht.

Ernährung: Viel Obst und Gemüse, wenig Fleisch

Auch die Lebensmittel, die täglich auf den Teller kommen, beeinflussen das persönliche Krebsrisiko. „Die Ernährung spielt sowohl direkt als auch indirekt eine große Rolle“, erklärt die Chefärztin für Innere Medizin. „Eine ungesunde Ernährung kann zu Übergewicht führen, und das ist per se ein Krebsrisiko. Denn Fett fördert entzündliche Prozesse und das kann Krebs begünstigen“. Zudem könne Fett in den Hormonhaushalt eingreifen, was wiederum die Gefahr für hormonbedingte Tumore erhöhe. Wie zum Beispiel Brust- oder Gebärmutterhalskrebs. „Zum anderen hat eine gesunde Ernährung ganz direkte präventive Eigenschaften.“ Besonders ballaststoffreiche Lebensmittel, wie Obst und Gemüse oder Vollkornprodukte können demnach das Darmkrebsrisiko verringern. Denn Ballaststoffe haben eine nachgewiesene schützende Wirkung auf den Verdauungstrakt. Andersherum gebe es auch Lebensmittel, die man besser reduzieren solle, so Appenrodt. Fleisch etwa. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) stuft verarbeitetes Fleisch als karzinogen, also als krebserregend, ein.

Fit im Alltag: Sport und Bewegung

Regelmäßig Sport treiben und ausreichend Bewegung im Alltag: Beides gehört zu einem gesunden Lebensstil dazu und hat zahlreiche gesundheitliche Vorteile. Einer davon, so Beate Appenrodt: „Es gibt eindeutige Daten, die zeigen, dass das Krebsrisiko sinkt, wenn man körperlich aktiv ist. Mindestens 150 Minuten mittlere Belastung pro Woche können schützend wirken.“ Mittlere Belastung bedeutet, dass die Intensität des Trainings nur so hoch ist, dass man sich währenddessen noch gut unterhalten kann. Zügiges Gehen, Wandern, Haus- oder Gartenarbeit oder Schwimmen zählen dazu.

Umweltfaktoren: Lüften und cremen gegen Krebs

Neben dem Lebensstil spielen auch Umwelteinflüsse eine Rolle bei der Krebsprävention. Gegen einige können gerade Menschen in Ballungsräumen kaum selber aktiv werden. Die Feinstaubbelastung durch den Autoverkehr etwa müsse durch Grenzwerte reguliert werden, sagt Beate Appenrodt. Ihr Eindruck sei aber, dass das auch geschehe. Neben Feinstaub gibt es zahlreiche weitere Chemikalien und Umwelteinflüsse, die erwiesenermaßen karzinogen sind. Die meisten davon sind jedoch nur für bestimmte Berufsgruppen relevant. Nur ein weiterer betrifft die Gesamtbevölkerung: Radon. Laut einer Studie verursacht das radioaktive Edelgas mehr Krebsfälle als Feinstaub. „Radon kommt natürlicherweise überall auf der Welt im Gestein vor, daher können Kellerräume und das Erdgeschoss stärker belastet sein“, erklärt Appenrodt. Das Problem: „Es kann sich in geschlossenen Räumen anreichern. Daher sollte man schauen, dass man ausreichend lüftet.“ Das verringere die Radonkonzentration und damit das Krebsrisiko.

Auch gegen die UV-Strahlung, die Hautkrebs begünstigt, kann man sich aktiv selber schützen. Maßnahmen wie die Verwendung von Sonnencremes mit ausreichend hohem Lichtschutzfaktor und der Verzicht auf Sonnenbäder können das Hautkrebsrisiko stark reduzieren. Da die UV-Strahlung durch den Klimawandel zunimmt, würden solche Schutzmaßnahmen künftig immer wichtiger, fügt die Medizinerin hinzu.

Impfung gegen den Krebs

Einen richtigen Durchbruch in der Krebsmedizin habe es 2006 mit der Zulassung des Impfstoffs gegen Gebärmutterhalskrebs gegeben, sagt Beate Appenrodt. Das sei eine „ganz entscheidende Errungenschaft der Medizin, denn man weiß, dass das humane Papillomvirus (HPV) zu Gebärmutterhalskrebs und anderen Krebsarten führen kann.“ Eine Impfung empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) für Mädchen und Jungen ab neun Jahren. Die Impfquote und auch die Impfbereitschaft seien in Deutschland allerdings noch viel zu niedrig, kritisiert Appenrodt. Dabei konnte die hohe Wirksamkeit der HPV-Impfung bereits durch zwei groß angelegte Studien nachgewiesen werden, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) mitteilt. Auch das Hepatitis B-Virus ist ein Risikofaktor für Leberkrebs. Eine Impfung wird bereits für Säuglinge empfohlen.

Nicht zu unterschätzen: Vorsorgeuntersuchungen

All diese Maßnahmen seien Teil der sogenannten Primärprävention, erklärt Beate Appenrodt. „Der zweite Block ist dann die Sekundärprävention: die Früherkennung.“ Beides zusammengenommen könnte die Krebssterblichkeit um bis zu 75 Prozent senken, schreibt die Deutsche Krebshilfe. Für Frauen sollte die Brust- und Gebärmutterhalskrebsvorsorge beim Gynäkologen fest im Kalender stehen. Wichtig für Frauen und Männer sei zudem die Darmkrebsvorsorge, betont die Kölner Medizinerin: „Dabei können Vorstufen von Krebs entdeckt und entfernt werden.“ Auch das Hautkrebs-Screening gehört zur Früherkennung.

Wie wichtig diese Untersuchungen seien, das habe auch die Corona-Pandemie deutlich gezeigt, berichtet die Ärztin aus Hohenlind. Weil viele Menschen 2020 und 2021 aus Angst vor einer Covid-Infektion ihre Vorsorgetermine nicht wahrgenommen haben, könne man seither eindeutig eine Zunahme an Krebserkrankungen, wie auch an weiter fortgeschrittenen Tumoren, beobachten.

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