MikroabenteuerWas Sie tun können, wenn der geplante Sommerurlaub ausfällt

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Kleine Outdoor-Abenteuer findet man direkt vor der Haustür.

  • Der Sommerurlaub wird in diesem Jahr wohl flach fallen – die Corona-Krise macht Strandfaulenzern und Bergbewunderern einen Strich durch die Rechnung.
  • Heißt die Alternative also, die Zeit in den eigenen vier Wänden totzuschlagen? Mitnichten.
  • Christo Foerster ist ein großer Fan von Mikroabenteuern. In seinem Buch „Raus und machen“ erklärt er, was es damit auf sich hat und wie man eins erlebt.

Köln – The same procedure as last year? The same procedure as every year! Was Miss Sophie und Butler James zum Jahreswechsel im Fernsehen stets betonen, gilt bei vielen Menschen auch ein halbes Jahr später. Der alljährliche Sommerurlaub steht an, und es geht, natürlich: in die Berge zum Wandern, ans Meer zum Entspannen. Wie die letzten Jahre auch. Doch 2020 geht das nicht. Der geplante Sommerurlaub wird, es sieht deutlich danach aus, von der Corona-Krise ausradiert. Doch die Krise kann auch eine Chance sein, alte Muster aufzubrechen. Neue Erfahrungen zu machen. Wie wär's mit einem Mikroabenteuer? 

Abenteuer? Das verbinden viele Menschen mit großen Dingen. Eine Tour durch den Dschungel, ein Fallschirmsprung, einen Berg im Himalaya erklimmen. Es geht aber auch eine Nummer kleiner. Deutlich näher. Und vielleicht sogar besser.

Nach Dänemark schwimmen oder ein Wochenende im Wald

„Das kleine mag im Schatten des großen stehen. Es mag auf die meisten Menschen eine geringere Faszination ausüben. Aber für beide gelten die gleichen Regeln und Gesetze. Sie haben beide die gleiche Kraft.“ Das schreibt Christo Foerster in seinem aktuellsten Buch „Raus und machen“. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, die Idee der Mikroabenteuer in Deutschland zu verbreiten. Foerster ist ein großer Verfechter der Mini-Adventures, schwimmt auch mal mit seinem Freund von Deutschland nach Dänemark oder verbringt ein Wochenende in einem Baumzelt im Wald. Sein erstes Abenteuer der kleinen Art: Der Hamburger verabredete sich mit einem Freund aus Berlin zum Frühstück am nächsten Morgen. Foerster buchte keinen Zug, sondern holte das Rennrad aus dem Keller. Am nächsten Morgen kam er am Brandenburger Tor an.

Die Idee der Mikroabenteuer geprägt hat der Brite Alastair Humphreys. Nachdem ihn jahrelang die großen Trips gereizt hatten, startete Humphreys eine Reihe von Ausflügen direkt in seiner Umgebung. Zum Auftakt: eine Wanderung entlang der M25. Die Autobahn, die London umkreist. Und generell als hässlich und langweilig gilt. Und auch dort ließ sich ein Abenteuer erleben.

Drei Regeln für ein Mikroabenteuer

Doch wie genau definiert sich so ein Mikroabenteuer? Christo Foerster hat für sich drei Regeln aufgestellt: eine Dauer von mindestens acht, maximal 72 Stunden, der Verzicht auf Auto und Flugzeug. Ist er über Nacht unterwegs, schläft er draußen, ohne Zelt. Damit grenzt er seine Mikroabenteuer von anderen Draußen-Aktivitäten ab.

Wie und wo man ein Mikroabenteuer beginnt ist im Prinzip egal. „Einfach los und gucken, was passiert“, plädiert Christo Foerster. „Verantwortungsvoll dem eigenen Leben gegenüber, das ist klar, aber eben doch unperfekt. Ohne Angst vor dem Scheitern.“ Hört sich leicht an. Auf jeden Fall leichter, als es ist. Das Motto „Raus und machen“ habe Foerster nicht zufällig gewählt. „Ich weiß, dass der Schritt aus der Tür meist der schwerste ist.“ Das wahrscheinlich einfachste Mikroabenteuer der Welt sei das Zelten im Garten. Christo Foerster hängt auch gerne mal seine Hängematte auf dem Balkon auf und übernachtet dort.

Auch das ist der Vorteil eines Mikroabenteuers. Es muss nicht in Afrika, Asien, Nord- oder Südamerika stattfinden. „Wenn ich einen 200-Kilometer-Radius um meinen Wohnort Hamburg ziehe, dann ergibt sich ein Kreis, in dem überraschend unterschiedliche Landschaften und, ja, sogar Kulturen liegen“, so Foerster. Diese ließen sich nicht mit dem tibetischen Hochland oder dem Urwald Ugandas vergleichen, „aber Raum für Abenteuer bieten sie jede Menge, wenn meine Haltung stimmt.“ So sei Fernweh auch „fast immer nur die Beschreibung einer Sehnsucht, die mit geografischer Distanz eigentlich wenig zu tun hat. Fernweh umschreibt die Sehnsucht nach Veränderung und nach echten Erlebnissen.“ Und die gibt es auch vor der Haustür.

Berge, die in den Alpen nicht einmal als Hügel durchgehen

Auch bei Foerster dauerte es, bis diese Erkenntnis in ihm reifte. Berge faszinieren ihn seit jeher, als Norddeutscher waren diese für ihn allerdings stets weit weg – dachte er. Mittlerweile aber wisse er, „dass auch die Berge große Qualitäten haben, die im Alpenraum nicht einmal als Hügel durchgehen würden. Was hatte ich für eine selige Zeit, als ich auf dem höchsten Berg Hamburgs, dem Hasselbrack (116 Meter), eine Nacht in der Hängematte verbrachte. Wie schön ist es, auf dem Wilseder Berg (169 Meter) zu stehen und über die Lüneburger Heide zu blicken“, schreibt er.

Um ein Mikroabenteuer vor der Haustür zu finden, hat Foerster einen Trick parat. Menschen halten oft nach Superlativen Ausschau – „der höchste Berg, der längste Fluss, der größte Wald. Wenn wir aus dem Höchsten, Längsten und Größten aber einfach das Nächste machen, werden wir überrascht sein, wie viel Abenteuerpotenzial die direkte Umgebung bereithält.“ Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt.

Es fährt ein Zug nach irgendwo

Alternativ kann man sich auch von Zufällen treiben lassen. Mit der nächsten Bahn, die am Bahnhof abfährt, fährt man eine zuvor festgelegte Anzahl an Stationen. Steigt aus, erkundet die Gegend oder läuft zu Fuß zurück. Ein blinder Fingertipp kann über das Ziel des nächsten Abenteuers entscheiden. Oder man geht einfach drauf los. Kommt eine Kreuzung, entscheidet ein Münzwurf die Richtung.

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Natürlich kann Inspiration von allen Seiten hilfreich sein. So hatte Christo Foerster vor einem Mikroabenteuer den Wunsch, etwas für die Natur zu tun. Spontan fuhr er mit dem Zug von Hamburg nach Sylt, sammelte Plastikmüll am Strand, übernachtete im Schlafsack auf dem Sand und war am Abend darauf wieder zu Hause. „Sicher, ich hätte auch zwei Tage lang meinen Stadtteil in Hamburg aufräumen können. Aber ich wollte nach Sylt. Und ich wollte was tun.“ So einfach kann es manchmal sein.

Im Urlaub wollen Menschen dem Alltag entfliehen. Das Potenzial haben Mikroabenteuer auch. Foerster hört das allerdings nicht gerne. „Weil genau dieser Gedanke völlig vorbeiläuft an dem, was mir das Wichtigste dabei ist: nämlich nicht zu fliehen, wegzurennen, abzuhauen, sondern den Alltag umzugestalten, ihn aufzuladen mit besonderen Erlebnissen.“ Mikroabenteuer nicht als Flucht vor dem Alltag, sondern als Verbesserung dessen. Sie machen ihn abwechslungsreich. Denn so gut „the same procedure as every year“ auch ist – irgendwann kennt man es auswendig.

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