StilkolumneWie wichtig ist Pünktlichkeit in der heutigen Zeit noch?

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Symbolbild Pünktlichkeit

Ein Blick auf die Uhr verrät: pünktlich oder nicht?

  • Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  • Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Redakteurin und Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  • Diesmal erklärt Ingeborg Arians, ob Pünktlichkeit auch in der heutigen Zeit noch immer eine große Rolle spielt. Und was man mit Pünktlichkeit alles bewirken kann.

Köln – Pünktlichkeit sei die Tugend der Könige, wusste man in höfischen Gesellschaften. In post-industrieller Zeit ist Pünktlichkeit vor allem eine Frage der Effizienz („Zeit ist Geld“) und der Verlässlichkeit. Deswegen hat sie im Protokoll wie auch in der Wirtschaft einen hohen Stellenwert.

Es gibt allerdings regionale und kulturelle Unterschiede: Im Rheinland zum Beispiel werden gewisse Spielräume oder Nachlässigkeiten bei der Einhaltung von Terminen eher in Kauf genommen. Die Kommunikation selbst beziehungsweise ihr Ergebnis wird für wichtiger erachtet als die strikte Einhaltung festgesetzter Zeiten. In der jüngeren Generation ist überdies eine Skepsis gegenüber vermeintlichen Formalismen verbreitet: Pünktliches Erscheinen wird dann eher als ein Benimm-Korsett wahrgenommen denn als Ausdruck von Respekt und Höflichkeit.

Zur Person

Ingeborg Arians 2

Ingeborg Arians

Foto: Michael Bause

Ingeborg Arians, geboren 1954, hat Sprachen und Volkswirtschaftslehre studiert und ist Dipl.-Übersetzerin für Französisch, Spanisch und Englisch. Von 1986 bis 2019 war sie Leiterin der Abteilung Repräsentation und Protokoll im Amt der Oberbürgermeisterin der Stadt Köln. In dieser Zeit arbeitete sie für insgesamt vier Oberbürgermeister und die amtierende OB Henriette Reker.

Unpünktlichkeit im Geschäftsleben kann mit dem kapitalistischen Grundgesetz von Angebot und Nachfrage zu tun haben. Wenn ich dringend einen Handwerker brauche und heilfroh bin, dass er überhaupt kommt, dann wird sein zu spätes Erscheinen nachrangig. Ärgerlich ist es trotzdem. Man kann Unpünktlichkeit auch als Machtdemonstration einsetzen. Bestimmte Staatschefs waren und sind bekannt dafür, ihre Gesprächspartner aus Prinzip warten zu lassen – weil sie meinen, es sich leisten zu können. Solche Arroganz ist zur Nachahmung nicht empfohlen.

Ein Puffer wirkt wahre Wunder

Ein wesentlicher Grund für Unpünktlichkeit ist – neben Nachlässigkeit oder mangelhaftem Zeitmanagement – tatsächlich ein unterschiedliches Zeitgefühl der Menschen. Eine Minute ist für den Pünktlichen nur gefühlt 55 Sekunden lang, für den notorisch Unpünktlichen dagegen 65, 70, 75 Sekunden. Aber: Unpünktlichkeit ist kein Schicksal. Man kann gegensteuern. Schon ein kleiner Puffer im Terminkalender wirkt wahre Wunder. Die akademischen Zeitangaben „sine tempore“ (s. t.) für den pünktlichen Beginn und „cum tempore“ (c. t.) für eine 15-minütige Zugabe (das „akademische Viertel“) findet man immer seltener. Im Alltag gilt heute eine fünfminütige Verspätung bei einem Meeting noch als akzeptabel. Umgekehrt gilt das für ein zu frühes Erscheinen von bis zu zehn Minuten.

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Wer pünktlich ist, demonstriert Professionalität und Alltagstauglichkeit. Die Botschaft lautet: Ich schaffe es, meine Termine vorausschauend zu planen und Unwägbarkeiten einzukalkulieren. Und: Ich räume meinem eigenen Zeitbudget den gleichen Stellenwert ein wie deinem. Das ist gerade heutzutage der vielleicht wichtigste Ausdruck der Wertschätzung.

Pünktliche Menschen sammeln Pluspunkte

Pünktlichkeit liegt überdies im eigenen Interesse: Wer zu spät kommt, wirft ein negatives Licht auf sich selbst, löst Enttäuschung aus und bringt sich per se in eine Position der Schwäche. Wer pünktlich kommt, sammelt dagegen Pluspunkte.

In Gesprächsrunden gilt für die Leitenden die Regel: Beginnen Sie unbedingt pünktlich. Wer sich zur festgesetzten Zeit zuverlässig eingestellt hat, soll dafür auf keinen Fall bestraft werden. Wer zu spät kommt, hat sich zu entschuldigen. Aber nicht beim Erscheinen mit großem Tamtam in die Runde trompeten. Stattdessen sollte man es da bei einer optischen Geste des Bedauerns belassen. Die – dann bitte auch ehrliche – erklärende Entschuldigung sollte später, etwa in der Pause oder zu Beginn eines eigenen Redebeitrags, erfolgen. Ist eine Verspätung absehbar, empfiehlt es sich, diese anzukündigen.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an: Stilkolumne@dumont.de

Das Pendant zum pünktlichen Erscheinen ist übrigens das pünktliche Gehen. Zu den diplomatischen Gepflogenheiten gehört etwa bei Empfängen oder anderen offiziellen Anlässen nicht nur die Angabe des Beginns, sondern auch des Endes. Und dieses Zeitfenster ist auch einzuhalten.

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