Deutschland hinkt beim bidirektionalen Laden von E-Autos hinterher, trotz technischer Möglichkeiten und Vorteilen für Haushalt und Netzstabilität.
StromspeicherWenn das E-Auto der Waschmaschine den Strom liefert

Pictogramme für E-Autos sind auf dem Boden des bislang größten Schnellladeparks des Energieunternehmens EnBW für E-Autos zu sehen. Aber auch umgekehrt geht es: Das E-Auto kann auch Strom abgeben.
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Das E-Auto als Stromspeicher für den Haushalt oder auch als rollende Batterie für den Campingausflug: Technisch möglich ist das bereits. Und eigentlich könnten die derzeit rund 1,8 Millionen zugelassenen Stromer auch einen wichtigen Beitrag leisten, wenn es um die Stabilität des Stromnetzes geht. Eigentlich. Tatsächlich aber hinkt Deutschland beim Thema „Bidirektionales Laden“ hinterher.
Beim bidirektionalen Laden fließt der Strom in beide Richtungen, nicht nur vom Ladepunkt in die Autobatterie, sondern von dort bei Bedarf auch zurück ins Haus – beispielsweise, wenn die Solaranlage auf dem Dach zu wenig liefert. Diese Technik wird als V2H („vehicle to home“) bezeichnet und ist bei einigen E-Auto-Modellen, unter anderem der ID-Familie von VW, bereits möglich. Weit komplexer ist hingegen die Abgabe von Strom ins öffentliche Netz (V2G, „vehicle to grid“): Dabei hapert es nicht nur an technischen, sondern vor allem an regulatorischen und juristischen Voraussetzungen.
Herkunft des Stroms ist entscheidend
Die Stiftung Umweltenergierecht hat unlängst in einer Studie die Hemmnisse zusammengetragen, die die Nutzung von E-Autos als Netz-Stromspeicher bislang verhindern. Es sind eine Menge: „Obgleich das deutsche Recht keine Normen enthält, die das bidirektionale Laden grundsätzlich verbieten oder verhindern“, zeigt die Analyse, dass „der gegenwärtige Rechtsrahmen“ es in vielen Aspekten erschwere.
Eines der Hauptprobleme: Ein mobiler Stromspeicher ist eben nicht dasselbe wie ein stationärer. Beispiel: Speist der Inhaber einer privaten PV-Anlage seinen selbstproduzierten Strom ins Netz ein, wird dieser vergütet. Macht der Strom vorher aber einen „Umweg“ über die E-Auto-Batterie, entfällt der Anspruch: Schließlich ist nicht klar, ob es sich beim Strom aus dem Auto tatsächlich um den selbst erzeugten handelt. Auch steuerrechtlich ist noch vieles unklar.
Dazu kommt ein enormer Aufholbedarf bei den technischen Voraussetzungen. Unabdingbar für die V2G-Nutzung ist ein intelligentes Strommesssystem im Haus, besser bekannt als Smart Meter. Gemeint sind Geräte, die per Datenaustausch mit Netzbetreibern den Stromfluss optimieren können. Bislang ist die ihre Zahl allerdings noch überschaubar; Ende September 2024 waren es gut eine Million – bei rund 42 Millionen Haushalten in Deutschland.
Das Beratungsunternehmen Berylls hat im vergangenen Jahr den Stand der „V2G-Bereitschaft“ in 17 Ländern verglichen. Deutschland landete auf Platz 15, Spitzenreiter ist Norwegen. Weniger wegen der dort hohen Akzeptanz von E-Autos, sondern wegen einer fast 100-prozentigen Nutzung von Smart Metern in Haushalten. Auch Länder wie Italien, Spanien, Schweden oder die USA setzen fast vollständig auf die modernen Strommesser.
Es tut sich was beim Smart Meter
Allerdings tut sich langsam etwas. In Sachen Smart Meter stimmte der Bundesrat gerade erst einer Gesetzesänderung zu, mit der die Verbreitung intelligenter Strommesser an Tempo zulegen soll. Mittlerweile können Stromkunden von ihrem Versorger verlangen, einen Smart Meter zu installieren; die Kosten dafür sind per Gesetz gedeckelt. Ende des Jahres sollen 20 Prozent der Haushalte ausgerüstet sein, bis 2032 dann alle.
Zudem hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mehrfach Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik zum Thema „Bidirektionales Laden“ zusammengetrommelt. Die Runde identifizierte knapp 40 Problempunkte, die es auszuräumen gilt und die nun auch angegangen werden sollen. Die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur (NLL) hat einen Fahrplan entwickelt, nach dem unter anderem „marktfähige V2H-Anwendungen“ noch in diesem Jahr kommen sollen. Ein Hochlauf bei standardisierten, also herstellerunabhängigen V2G-Lösungen sei ab 2027/28 zu erwarten.
Anderswo ist man bereits weiter. In Frankreich etwa startete im vergangenen Jahr ein Pilotprojekt von Renault und dem Münchner Wallbox-Spezialisten The Mobility House, bei dem Besitzer eines elektrischen Renault 5 günstiger Strom beziehen konnten, wenn sie ihr Auto dem öffentlichen Energienetz zur Verfügung stellen. Das Unternehmen spricht von einem „Meilenstein“ und wirbt mit dem „weltweit ersten konkreten V2G-Produkt“.
Inwieweit das dauernde Auf- und Entladen die Lebensdauer der Batterie signifikant verkürzt, ist Gegenstand der Forschung. Der Batterieexperte Robin Vanhaelst sieht im Gespräch mit unserer Redaktion eine unterm Strich nur geringe Auswirkung des bidirektionalen Ladens auf den Alterungsprozess von Batterien.
Das Potenzial scheint jedenfalls enorm. 2040 könnte Strom aus E-Auto-Batterien neun Prozent des europaweiten Stromaufkommens ausmachen, heißt es in einer Fraunhofer-Studie für den europäischen Verkehrsverband T&E. Dazu könnte flächendeckende V2G-Nutzung die Kosten für den Ausbau der Energienetze signifikant senken, um bis zu 22 Milliarden Euro im Jahr – etwa weil weniger Großspeicher nötig wären. Und auch für den einzelnen E-Auto-Besitzer würde es sich demnach lohnen, da seine Jahresstromrechnung um bis zu 780 Euro niedriger ausfallen könnte. Das alles freilich nur in einem Szenario, in dem 2040 knapp 60 Prozent des Fahrzeugbestands in Europa elektrifiziert ist.