Justizminister Limbach wird vorgeworfen, rechtswidrig eine enge Bekannte zur OVG-Präsidentin befördert zu haben. Kritiker sprechen von Lügen.
Justizskandal in NRWZeugen belasten Justizminister Limbach schwer

Benjamin Limbach
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Im Skandal um die rechtswidrige Besetzung des Präsidentenamtes beim nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht (OVG) mit einer Duz-Bekanntschaft von Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) stehen inzwischen handfeste Lügenvorwürfe im Raum.
Im Untersuchungsausschuss des Landtags hat am Dienstagnachmittag zunächst einer der unterlegenen Bewerber, ein 54-jähriger Bundesrichter, klipp und klar dargestellt, wie der politisch schwer angeschlagene Justizminister das Verfahren unzulässig manipuliert haben soll. Wenn die Ausführungen zutreffen, hätte Limbach sogar eine uneidliche Falschaussage gemacht, die mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren geahndet werden kann.
Die Auswahlentscheidung für das Präsidentenamt sei „nach persönlicher Vorliebe“ erfolgt, sagte der Spitzenjurist. Limbachs bisherige Beteuerungen, sein Ministerium habe die Bewerberlage ergebnisoffen geprüft und sich streng an die vorgeschriebene Bestenauslese gehalten, sei eindeutig falsch. Der Minister hatte dies im über Monate tobenden Rechtsstreit sogar mit einer Eidesstattlichen Versicherung bekräftigt.
Glatte Lüge von Limbach und Duz-Bekannter?
Haben Limbach und seine Duz-Bekannte, die bereits als Zeugin unter Wahrheitspflicht im Untersuchungsausschuss dessen Version gestützt hatte, also glatt gelogen? Der Bundesrichter sagte dazu im Zeugenstand: „Das ist nicht meine Wortwahl, die Wahrheit haben sie in manchen Punkten nicht gesagt.“
Die OVG-Affäre in NRW sorgt seit Monaten für Aufsehen in der Justiz. Nach dem Regierungswechsel 2022 war die Limbach-Favoritin nachträglich ins Bewerbungsverfahren für das Präsidentenamt beim höchsten Verwaltungsgericht aufgenommen worden. Sie hatte dem neuen Minister ihr Interesse an der Stelle bei einem privaten Abendessen signalisiert. Schließlich bekam sie den Zuschlag, obwohl sie seit Jahren nicht mehr in der Justiz tätig ist und nur über geringe Richter-Erfahrung verfügt.
Limbach habe ihn im Herbst 2022 zur Rücknahme seiner Bewerbung aufgefordert, sagte der Bundesrichter nun aus. Dies sei nicht im Befehlston erfolgt, sondern „ein bisschen durch die Blume“. Limbach habe von einem „Vorsprung“ seiner Bekannten im Verfahren gesprochen. Zu diesem Zeitpunkt lag aber noch gar keine Dienstbeurteilung vor. „Warum sollte der Minister von einem Vorsprung sprechen, wenn es ihm nicht darum ging, mir meine Bewerbung auszureden“, so der Bundesrichter.
Limbach soll ihn im November 2022 an Staatskanzleichef Nathanael Liminski (CDU) verwiesen haben, der mit dem Verfahren gar nichts zu tun hatte. Möglicherweise ging es darum, dem Bewerber mit Top-Referenzen, der selbst CDU-Mitglied ist, vom einflussreichsten Parteifreund in Düsseldorf die Ausweglosigkeit seiner Bewerbung beibringen zu lassen.
Auch in diesem Treffen sei klar zum Ausdruck gebracht worden, „dass es eine politische Vorfestlegung gegeben hat“, so der Bundesrichter. Liminski habe ausgeführt, dass die Grünen eine Frau im OVG-Präsidentenamt wünschten und Limbach als Neu-Politiker, der erst vor wenigen Jahren von der SPD die Partei gewechselt hatte, eben „liefern“ müsse.
Als weiteren Hinweis auf eine rechtswidrige Absprache schilderte der Jurist einen überraschenden Anruf des Justiziars der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ansgar Heveling, bereits im September 2022. Dieser habe ihm klargemacht, dass es eine koalitionsinterne Absprache zugunsten der Limbach-Favoritin gebe. Leider könne er für die gewünschte Rücknahme der Bewerbung „keine Kompensation“ anbieten.
Auch ein zweiter bedeutender Zeuge im Untersuchungsausschuss sagte in unerwarteter Deutlichkeit aus, dass es sich bei der OVG-Besetzung um „letztlich ein zielgerichtet gesteuertes Auswahlverfahren“ gehandelt habe. Es ist die Einschätzung eines 65-jährigen Abteilungsleiters aus Limbachs eigenem Ministeriums, der vom früheren Justizminister Peter Biesenbach (CDU) im Frühjahr 2022 zunächst als neuer OVG-Präsident nominiert worden war.
Bereits in zwei Gesprächen im September und Oktober 2022, als von seiner Bekannten noch gar keine offiziellen Unterlagen vorlagen, muss Limbach demnach entschieden gewesen sein. „Der Minister zeigte sich in seiner Präferenz eindeutig festgelegt“, sagte der Jurist aus. Mehr noch: „Dass er entschlossen war, Frau XY mit dem Amt zu betrauen, das ist unmissverständlich deutlich geworden.“
Mit der Aussage der Konkurrenten, die beide bereits erfolgreich gegen die Auswahlentscheidung geklagt hatten, droht Limbachs Verteidigungslinie in sich zusammenzufallen. Obwohl die OVG-Spitze seit Jahren verwaist ist und das Verfahren zurzeit auf Eis liegt, lehnt Limbach einen Rücktritt weiter ab. Am 25. März steuert der Justiz-Krimi auf seinen Höhepunkt zu: Dann muss der kippelnde Minister selbst in den Zeugenstand.