„Wenn meine Faust in den Riss passt, soll ich laufen, hat ein Mann von der KVB gesagt.“ Anja Spörk (34) lässt sich die gute Laune nicht verderben. Sie zeigt auf einen etwa drei Zentimeter breiten Riss an der Außenwand ihrer Kneipe. Danach deutet sie auf weitere Risse, die sich im ersten Stock des Hauses am Waidmarkt 2 befinden. „Es gab gegenteilige Gutachten“, erzählt sie. Lange war nicht klar, ob ihr „Papa Rudi's“ nach dem Unglück am Waidmarkt wieder eröffnen kann. Dort, wo einst die Terrasse der Kneipe war, befindet sich heute eine einzige Baustelle: das Loch, das der Einsturz des Archivs in den Boden gerissen hat.
"Es braucht noch eine Weile"
Mit ihren lila Haaren, zahlreichen Piercings und Tattoos fällt Spörk sofort auf. Sie ist Wirtin aus Leidenschaft und hat sich mit dem „Papa Rudi's“ einen Traum erfüllt. „In dieser Kneipe steckt sehr viel Herzblut.“ Stolz lehnt sie sich an die Theke. Dann erzählt sie, wie sie einen leeren Raum zu ihrer Kneipe gemacht hat. Im letzten September, nach zwei Monaten schweißtreibender Arbeit, konnte sie endlich eröffnen - am 3. März 2009 schien alles vorbei. „Ich sah Risse an der Wand der Spielhalle gegenüber, hörte es knacken, sah Putz bröckeln, Fenster zerspringen. Dann bin ich gerannt.“ Sie habe das alles immer noch nicht realisiert, sagt Spörk. „Ich träume davon, wache nachts auf. Es braucht noch eine Weile, bis ich das verarbeitet habe.“
Angst hat Spörk aber keine mehr: „Diese Kneipe ist die sicherste der Stadt.“ Infrarot-Messungen prüfen alle 30 Sekunden, ob es Erdbewegungen gibt, auch Bodensensoren messen Erschütterungen. Und ständig ist der Sicherheitsdienst da. Grünes Licht für eine Wiedereröffnung hat Spörk vor zwölf Tagen von der Stadt bekommen. Eine weitere freudige Nachricht: Gaffel spendet der Kneipe 1.000 Liter Kölsch und die Richartz Biergroßhandel GmbH will weitere 60 Kisten an alkoholfreien Getränken dazutun.
Trotzdem blickt Spörk sorgenvoll in die Zukunft. Existenzängste werden sie weiterhin begleiten. Laufkundschaft komme keine mehr vorbei, der Baulärm sei permanent hoch, die Außengastronomie falle weg. Der einzige Trost seien treue Stammgäste - und Katastrophentouristen, die sich hin und wieder in die Kneipe verirren.