95 Prozent aller infizierten Tiere waren Breitflügel-Fledermäuse. Wenn man verdächtige Tiere findet, sollten diese – wenn überhaupt – nur mit dicken Handschuhen angefasst werden. (Foto: dpa)
Copyright: Lizenz
ANZEIGE
ANZEIGE
EIFELLAND – Dr. Henrike Körber, die regelmäßig Fledermaus-Exkursionen in Vogelsang durchführt, ist ganz ruhig: „Die Gefahr, von einer tollwütigen Fledermaus gebissen zu werden, ist nicht größer als die Chance, sechs Richtige im Lotto zu haben.“ Für Aufsehen hatte jetzt der Fund einer tollwütigen Fledermaus an einer Bushaltestelle im Eifelkreis Bitburg-Prüm gesorgt. Da Fledermäuse weite Strecken zurücklegen, könnte sich das Virus auch hierzulande verbreiten.
Fledermausexperte Markus Thies, der im rheinland-pfälzischen Teil der Eifel wohnt und bei Führungen die Fledermäuse in der Kakushöhle vorstellt, hat die Lawine ins Rollen gebracht. Eine Frau, die das kranke Tier gefunden hatte und von der Fledermaus gebissen worden war, hatte sich an ihn gewandt. „Ich hatte mir schon gedacht, dass das Tier irgendetwas hat. Ich habe dann versucht, es aufzupäppeln, weil es so geschwächt war“, berichtete Thies. Die Frau habe er zum Arzt geschickt. Der habe aber keine Impfung gegen Tollwut verabreicht und nur etwas gegen Tetanus (Wundstarrkrampf) unternommen.
Es ist nicht die erste Fledermaus, die Thies aufzupäppeln versucht. Er hat das schon oft mit Erfolg gemacht, wenn Tiere nach ungünstigen Witterungs-Perioden geschwächt waren. Doch nach zwei Tagen starb die Breitflügel-Fledermaus. Weil ihm die Sache verdächtig vorkam, informierte Thies beim Eifelkreis Bitburg-Prüm das Veterinäramt. Das Tier wurde daraufhin im Landesuntersuchungsamt in Koblenz untersucht. Dabei konnte die Fledermaus-Tollwut nachgewiesen werden. Natürlich wurde auch die gebissene Frau sofort geimpft.
In Deutschland sind bisher lediglich 152 Tollwutfälle bei Fledermäusen bekannt worden. Weltweit ist es laut Dr. Henrike Körber nur fünfmal zu tödlichen Infektionen bei Menschen gekommen, in Finnland, Russland, Schottland und der Ukraine. „Wir wissen eigentlich gar nicht, ob sich die Tollwut weiter ausbreitet“, sagt Körber. Festgestellt werden kann die Tollwut nämlich nur dann, wenn Tiere zufällig gefunden und im Labor untersucht werden.
Es sei schon länger her, dass es einen ähnlichen Fall in der Region gegeben habe. 1996 sei in Aachen ein Kind von einer tollwütigen Fledermaus gebissen worden. Das tollwütige Tier bei Prüm sei wie 95 Prozent der infizierten Tiere eine Breitflügel-Fledermaus gewesen. Diese Art komme auf Vogelsang auch vor.
Markus Thies berichtete, er habe dem Landesuntersuchungsamt vorgeschlagen, weitere Fledermäuse zu untersuchen, um mehr über die Ausbreitung der Tollwut zu erfahren. An die 50 tote Tiere befinden sich bei ihm, die er an vielen Stellen, unter anderem auch im Kreis Euskirchen, bei seiner Arbeit für den Fledermaus-Schutz gefunden hat. Die verendeten Tiere wurden von ihm tiefgefroren, um später präpariert und in Museen ausgestellt zu werden. Nun wartet er gespannt auf eine entsprechende Antwort des Landesuntersuchungsamtes.
Markus Thies ist nach eigener Aussage seit 25 Jahren im Fledermaus-Schutz tätig. In dieser Zeit habe er rund 1500 tote Tiere aufgesammelt und sie dann an Museen weitergereicht.
Peter Schütz von der Natur- und Umweltschutzakademie NRW empfiehlt, die Tiere nicht aktiv anzugehen, dann könne gar nichts passieren. Schließlich werde es nur dann gefährlich, wenn man von den scheuen Fledermäusen gebissen werde. Das komme sehr selten vor.
Einen besonderen Schutz benötigten lediglich Personen, die im Naturschutz tätig sind und in ihrer Freizeit häufig in Kontakt mit Fledermäusen kommen. Ein bisschen geärgert hat sich Markus Thies offenbar über den Wirbel, den seine Entdeckung ausgelöst hat: „Ich habe in der Presse gelesen, dass man sich gegen Tollwut impfen lassen soll, wenn man zu den Batnights (Fledermausnächte, d. Red.) geht. Dann dürfte man auch kein Kind in die Schule schicken, weil es da ja auch einen Amokläufer geben könnte“, findet Thies. Sollten allerdings weitere Untersuchungen ergeben, dass die Fledermaus-Tollwut weiter verbreitet ist als bisher gedacht, sehe die Sachlage anders aus.
Bisher durften die Kinder bei den Fledermaus-Nächten, die Thies anbietet, die Tiere auch streicheln. „Da werde ich jetzt etwas vorsichtiger sein“, sagt er. Er sei auch gegen Tollwut geimpft und ziehe dicke Handschuhe an, wenn er die Tiere berühre.
Dr. Henrike Körber führt ihre Vogelsang-Exkursionen mit 30 Teilnehmern vier bis fünfmal im Jahr, von Mai bis September, durch. Die letzte Exkursion in diesem Jahr findet am 4. September statt, sie ist allerdings schon seit langem ausgebucht. Für 2011 gibt es noch keine Termine.
Nach ihrem „absolut subjektiven Empfinden“ nimmt die Zahl der Fledermäuse ab. Sie merke das daran, dass sie bei ihren Exkursionen den Teilnehmern nicht mehr so viele der vom Aussterben bedrohten Tiere zeigen könne. Man dürfe wegen des Prümer Fundes keinesfalls die Fledermäuse verteufeln. Die seltenen Tiere verdienten auch weiterhin besonderen Schutz. Übrigens sind Fledermäuse sehr mobil: Von den in Vogelsang vorgefundenen 13 Arten können manche bis zu 1000 Kilometer zwischen Sommer- und Winterquartier zurücklegen.