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Erstversorgung nach UnfallRettungskräfte aus Rhein-Sieg trafen sich zur Großübung in Alfter

Lesezeit 4 Minuten
Aufgabe der Feuerwehr war es, die „Verletzten“ zu bergen.

Aufgabe der Feuerwehr war es, die „Verletzten“ zu bergen.

Rettungskräfte aus dem Kreisgebiet probten in Alfter den Ernstfall. Die Aufgabe: Erstversorgung nach einem schweren Verkehrsunfall.

Eines sei gleich vorausgeschickt: Es war eine Großübung, die Rettungskräfte aus Alfter und dem ganzen Kreisgebiet am Wochenende in Witterschlick absolvierten. Der Rettungsdienst des Rhein-Sieg-Kreises übte mit Einheiten des Katastrophenschutzes sowie der Freiwilligen Feuerwehr Alfter den Aufbau und Betrieb einer sogenannten „erweiterten“ Patientenablage. Es sah alles schon sehr echt aus. Und genau so hätte es sich abspielen können. Die Aufgabe lautete: Erstversorgung nach einem schweren Verkehrsunfall.

„Wer braucht noch Blut?“ Sofort melden sich Daria Oymanns und Brigitte Beerse. Die Frauen sitzen auf dem Vorder- und Beifahrersitz eines alten Renaults. Brigitte Beerse hält ihre rot gefärbten Hände in die Kamera und lacht. Die 55-Jährige aus Sankt Augustin-Menden ist ebenso wie ihre Partnerin Notfalldarstellerin. Hinter ihr in dem kleinen Pkw sitzen ihr „Schwiegersohn“ und ihr wenige Monate alter „Enkel“ Leo. „Wir machen uns diesen Spaß immer zu Beginn einer Übung“, meint Katharina Wolff. Sie bildet beim Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Nordrhein Freiwillige aus, die so wie sie bei Einsatzübungen verletzte Personen darstellen.

20 Notfalldarsteller spielten die Opfer bei dieser Übung.

20 Notfalldarsteller spielten die Opfer bei dieser Übung.

Tatsächlich umfasst eine solche Ausbildung mehrere Einheiten, wie Brigitte Beers erläutert. Dabei gehe es nicht nur darum, blutverschmiert geschminkt herumzusitzen und „gerettet“ zu werden. Man müsse auch den Anweisungen der Einsatzleiter folgen und schauspielern, wenn diese beispielsweise spontan anordnen, dass ein Verkehrsopfer ohnmächtig geworden ist oder plötzlich starke Schmerzen bekommt.

20 solcher Notfalldarsteller kamen am Samstagnachmittag bei einer gemeinsamen Großübung mehrerer Einsatzkräfte des Rhein-Sieg-Kreises in Witterschlick mit den Löschgruppen Impekoven, Witterschlick und Oedekoven der freiwilligen Feuerwehr zum Einsatz.

Die Lage: Auf der Raiffeisenstraße im Gewerbegebiet hatte sich ein schwerer Verkehrsunfall ereignet, ein Linienbus war frontal mit einem Pkw zusammengestoßen. Mehrere Personen galt es aus den verunglückten Fahrzeugen zu retten. Im offiziellen Sprachgebrauch ist die Reden von einem „Massenanfall von Verletzten“. Vom Kreis waren mehrere Rettungswagen, Notarztfahrzeuge und Abrollbehälter vor Ort. „Ein Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen dem Rettungsdienst und der Feuerwehr zu proben“, schilderte Michael Hesse, Pressesprecher der Alfterer Feuerwehr.

Feuerwehr rettet Personen aus Zwangslagen

Die Notärzte und Helfer des Rettungsdienstes bauten dafür einen großen Patientenablageplatz auf. Die Feuerwehrkameraden trainierten mit Spreizer und Schere, wie die eingeklemmten Personen aus dem Fahrzeug befreit werden. Solch eine große Übung wurde laut Hesse zum letzten Mal 2018 angesetzt. Vorab wussten die alarmierten Kräfte nur, dass sich ein Verkehrsunfall ereignet hat und ein Bus und ein Pkw beteiligt sind. Vor Ort mussten sie sich dann abstimmen. Zunächst traf der Einsatzleiter mit Kommandowagen ein, von dort aus wurden die entsprechenden Maßnahmen koordiniert.

Aus dem beteiligten Pkw mussten die Insassen befreit werden.

Aus dem beteiligten Pkw mussten die Insassen befreit werden.

Als die Einsatzkräfte eintrafen, schallte ihnen zunächst ohrenbetäubender Lärm aus dem Bus entgegen, die Fahrerin lag benommen auf dem Lenkrad, wodurch die Hupe ausgelöst worden, aus dem Bus schrien die Verletzen laut und quälend „Aua“ oder „warum hilft mir denn niemand?“ – und das ziemlich realistisch. „Dadurch werden Stresssituationen simuliert“, erläuterte Christian J. Diepenseifen, Ärztlicher Leiter des Rhein-Sieg-Rettungsdienstes und Übungskoordinator.

Stresssituation galt es auch anderer Stelle zu bewältigen, so mussten die Einsatzkräfte den „verletzten“ Familienvater beruhigen, der nicht wusste, was mit seiner Frau und seinem Baby passiert war.

Handelte es sich am Samstag um eine fiktive Darstellung, kommen Unfälle dieser Art laut Diepenseifen durchaus öfter vor: „Wir hatten Unfälle mit Linien- oder mit Schulbussen, an denen auch Pkw beteiligt waren, häufig mit heftigen Gewalteinwirkungen.“ Die größte Herausforderung bei solchen Einsätzen sei, dass es die Helfer nicht wie im Rettungsdienst üblich mit individuellen Patienten zu tun haben, sondern sie sich neben den vielen Eindrücken auch um viele Patienten kümmern müssen, von denen sie nicht wissen, wie schwer deren Verletzungen sind.

Auch „Baby Leo“, eine Puppe, wurde erstversorgt und warm gehalten.

Auch „Baby Leo“, eine Puppe, wurde erstversorgt und warm gehalten.

Um die Art der Verletzungen einzuschätzen, bleiben ein bis zwei Minuten pro Patient. Danach müssen Behandlungsprioritäten getroffen werden. Es gilt dabei die schwer und schwerstverletzten Menschen zu selektieren. Die Opfer bekommen sogenannte Patientenanhängetaschen mit Einschubkarten, auf denen Daten und die Schwere der Verletzungen eingetragen sind. Die Farbe Rot steht für schwer verletzt mit „vitaler Bedrohung“. Dadurch können die anderen Helfer sehen, hier liegt eine absolute Behandlungspriorität vor.

Mit dabei waren neben Kräften des Rhein-Sieg-Kreises wie dem Leitenden Notarzt auch Helfer des Deutschen Roten Kreuzes, der Johanniter Unfallhilfe, des Malteser Hilfsdienstes, der Freiwilligen Feuerwehr Alfter sowie des Rettungsdienstes der Stadt Bonn.