Seit 50 Jahren ermöglichen die Bonner Werkstätten Menschen mit Behinderung optimale Bedingungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Das erste Werk öffnete 1975 in Bornheim-Hersel.
Teilhabe mit Familiengefühl50 Jahre Bonner Werkstätten in Bornheim

Einblick in die Heilpädagogikabteilung der Bonner Werkstätten in Hersel
Copyright: Frank Engel-Strebel
Bei hochsommerlichen 30 Grad denkt wohl kaum jemand an Weihnachten. Doch im Hauptwerk der Bonner Werkstätten in Hersel laufen derzeit die Vorbereitungen auf das Fest auf Hochtouren. In der Verpackungsabteilung sind die Mitarbeiter dabei, 40.000 Adventskalender für einen namhaften Süßwarenproduzenten aus der Region zu füllen. Rund 400 Menschen mit Behinderungen arbeiten im Herseler Werk, dem Werk I der Bonner Werkstätten, verteilt auf acht Arbeitsbereiche, schildert Leiter Jochen Flink. Vor 50 Jahren begann in dem Bornheimer Rheinort die Erfolgsgeschichte der heutigen Bonner Werkstätten, die mittlerweile an die Lebenshilfe Bonn angegliedert sind.

Das Sommerfest 2024 stand im Jahr der Europameisterschaft unter dem Motto Fußball.
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Zwei weitere Werke in Meckenheim und Beuel kamen hinzu. Insgesamt werden rund 1 130 Männer und Frauen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen dort beschäftigt. Eingesetzt werden sie in Arbeitsbereichen wie Verpackung, E-Recycling, Haustechnik oder Garten- und Landschaftsbau. So wie Maurice Wencek. Der 27-Jährige arbeitet in der Abteilung Heilpädagogik. Dort werden beispielsweise Geräteeinbaudosen aus Kunststoff für den Versand vorbereitet. Ein paar Räume weiter herrscht ebenfalls emsiges Treiben. Dort sortieren Kolleginnen und Kollegen Elektroschrott und ausgediente Elektrogeräte nach Wertstoffen, die dann recycelt werden.
Kerngeschäft der Werkstätten ist es, den Mitarbeitern die Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen, schildert es Andreas Heß gegenüber der Rundschau bei einem Werksbesuch. Für den Geschäftsführer der Lebenshilfe Bonn sind Werkstätten wie diese notwendiger denn je: „Wir sehen da auch keinen Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention, weil wir hier die Teilhabe am Arbeitsmarkt umsetzen.“ Durch sogenannte betriebsintegrierte Arbeitsplätze können die Kollegen in den unterschiedlichsten Feldern am Arbeitsmarkt teilhaben. Sie sind dann nicht nur in den Werkstätten aktiv, sondern auch in anderen Unternehmen.
Gut vernetzt
Ein halbes Prozent der Menschen mit Behinderung können auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden, acht Prozent auf betriebsintegrierte Arbeitsplätze. Das mag sich erst einmal wenig anhören, erklärte Heß, aber gemessen an den Behinderungsgraden, die die Menschen haben, sei dies schon eine anspruchsvolle Zahl, die auch regelmäßig erfüllt werde. Das funktioniere deshalb gut, weil die Werkstätten gut vernetzt seien mit Partnern in der freien Wirtschaft, für die die Mitarbeiter Aufträge abarbeiten.
Den Erfolg der Bonner Werkstätten führt Heß auch darauf zurück, dass das Unternehmen stets mit der Zeit gehe, sich Trends und Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt anpasse und die Arbeitsbereiche kontinuierlich ausgebaut worden seien. Wichtig für den Erfolg sei aber auch das kreative, gut ausgebildete und engagierte Personal. Rund 320 Kollegen kümmern sich um die behinderten Mitarbeiter.
Die Werkstätten sind aber nicht nur Arbeitgeber: „Wir sind auch der Lebensmittelpunkt der Menschen, bei uns wird gemeinsam gegessen, wir haben Sport- und Freizeitangebote oder feiern jedes Jahr in der Rheinhalle unsere große Karnevalssitzung“, fasst Heß zusammen: „Welches Unternehmen kann schon von sich behaupten, jede Session ein eigenes Prinzenpaar, eigene Tanzgruppen und eigene Karnevalsorden zu haben?“ Dieser familiäre Zusammenhalt mit der bestmöglichen Betreuung mache die Werkstätten aus.

Tanja Leufen wird am 1. Juli die Leitungs der Werkstätten von Alexander Heß (M.) übernehmen. Rechts Werksleiter Jochen Flink.
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Im Jubiläumsjahr wird es auch einen Wechsel in der Geschäftsführung geben. Andreas Heß geht Ende Juni in den Ruhestand. Er war dann gut 40 Jahre in der Sozialwirtschaft tätig. Den Staffelstab übergibt der 63-Jährige an Tanja Leufen, die bereits seit April Teil des Unternehmensverbundes ist. Am 1. Juli wird die 52-jährige Betriebswirtin aus Düsseldorf, den Vorstandsvorsitz der Geschäftsführung übernehmen. Sie freut sich über die ihr angebotene Chance, für die Lebenshilfe Bonn zu arbeiten. Was sie antreibt, schildert sie so: „Kurz gesagt, die Freude am Leben. Ich habe viel Energie und Leidenschaft für das, was ich tue. Die Grundvoraussetzung für mich ist es, alles mit ganzem Herzen zu tun und Menschen zu mögen.“
Mit einem großen Jubiläumsfest wird das 50-jährige Bestehen am morgigen Samstag, 14. Juni, von 13.30 Uhr bis 18.30 Uhr gefeiert am Standort Hersel der Bonner Werkstätten, Werk 1, Allerstraße 43. Der Eintritt ist frei. Infos unter www.bonner-werkstaetten.de oder Instagram #50JahreTeilhabeMitHerz.