FluterinnerungenZentrale Gedenkstätte in Swisttal wird sehr gewünscht

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Radtour zum Flutgedenken in Swisttal.

Eine Etappe führte an die Orbachstraße, wo Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner (links) die zahlreichen Gäste zur Fahrradour anlässlich des zweiten Jahrestages der Flutkatastrophe begrüßte.

„10 Bäume – 10 Orte“: Zu einer außergewöhnlichen Fahrradrundtour zur Erinnerung an die Flut von 2021 in Swisttal hatte die Gemeinde eingeladen.

Für Elvira Zimmer war es vor zwei Jahren nicht das erste Hochwasser, das sie erleben musste. Bereits im Januar 1962 stand laut den Schilderungen der älteren Dame Odendorf komplett unter Wasser. Häuser, Brücken und Bänke waren zerstört: „Dass ich so etwas noch einmal mit fast 80 Jahren leben musste, hätte ich niemals gedacht“, schilderte die „Ur-Odendorferin“. Die heute 81-Jährige war eine von mehr als 50 Teilnehmer, die am Sonntag zu einer ganz besonderen Aktion anlässlich des zweiten Jahrgedächtnisses der Flutkatastrophe vom Juli 2021 gekommen waren. Die Gemeinde Swisttal hatte zu der außergewöhnlichen Fahrradrundtour „10 Bäume – 10 Orte“ eingeladen.

In der Odendorfer Pfarrkirche St. Petrus und Paulus erinnert eine Fotoaustellung an die Katastrophe von 2021.

In der Odendorfer Pfarrkirche St. Petrus und Paulus erinnert eine Fotoaustellung an die Katastrophe von 2021.

Hintergrund der Idee: Swisttals Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner besuchte mit den Teilnehmern alle zehn Ortschaften der Flächengemeinde. Dort trafen sich die Radler und Bürger an den jeweils im März an zentralen Stellen in den Dörfern aufgestellten Gedenkbäumen, die an die Opfer und Betroffenen des Unwetters vom 14. Juli 2021 erinnern sollen. Je nach Ortsteil wurden Stieleichen, Quitten oder Hainbuchen an markanten Plätzen gepflanzt. Gestiftet wurden die Bäume von den Rotary Clubs Bonn, Bornheim und Rheinbach. 4000 Euro hatten die Rotarier dafür ausgegeben, schilderte Gerhard-Josef Brühl vom Bornheimer Rotary-Club, der ebenfalls an der Rundfahrt teilnahm.

Noch einmal 45 000 Euro spendete der Club für den neuen Sportplatz am Ortsrand von Odendorf. „Jeder Erinnerungsbaum hat eine eigene Geschichte“, schilderte Kalkbrenner, „zudem erinnern uns die Bäume daran, dass die Katastrophe dem Klimawandel geschuldet ist, denn Bäume stehen für Nachhaltigkeit und Klimaschutz.“ Viele Erinnerungen kamen während der Gedenkveranstaltung gestern bei den Bürgern hoch. So berichtete Elvira Zimmer weiter, wie ihr Bungalow, gerade einmal 19 Jahre alt, von den Fluten im Sommer 2021 zerstört worden war und fast hätte abgerissen werden müssen: „Das war unser Traumhaus.“ Es konnte gerettet werden. Heute lebt dort ihr Großneffe.

Bedrückende Erinnerungen an den Abend des 14. Juli hatte auch Ludendorfs Ortsvorsteher Josef Breuer. Als die Katastrophe begann, war er gerade in Bonn. Viele Straßen waren bereits nicht mehr passierbar. Als Ortskundiger konnte er über die Feldwege von Bornheim-Hemmerich aus nach Ludendorf kommen: „Dort habe ich einen reißenden Bach vorgefunden! Unser Keller war vollgelaufen, meine Schwiegereltern saßen hilflos in ihrem Wohnzimmer vor dem Fernseher, der natürlich nicht mehr funktionierte, weil es keinen Strom mehr gab. Wir brachten sie eine Etage höher in Sicherheit.“ Bis auf ein Gebäude sei in Ludendorf jedes Haus betroffen gewesen, schilderte Breuer auf dem Dorfplatz, wo der Erinnerungsbaum neben der Pfarrkirche steht.

Kein Kontakt zur Ehefrau

Ferdi Wolff aus Heimerzheim kann bis heute nicht begreifen, wie rasant sich die Wassermassen den Weg gebahnt hatten: „So schnell konnten wir unsere Sachen aus dem Keller nicht mehr in Sicherheit bringen, ich musste mich von meinen ganzen alten Schallplatten trennen.“ Der Buschhovener Wolfgang Husch war zwar nicht selbst von dem Unwetter betroffen, aber Freunde und Verwandte im Ahrtal, denen er dann auch geholfen hatte. Besonders schlimm seien die 14 Stunden gewesen, in denen seine Frau, die sich zum Beginn der Katastrophe zum Einkaufen in Rheinbach aufgehalten hatte, verschollen war. Das Handynetz war zusammengebrochen, erst einen Tag später erfuhr er, dass es ihr gut ging: „Das war ein furchtbares Gefühl.“ Seine Gattin konnte sich in Sicherheit bringen und hatte im Auto übernachtet.

Die Radtour und die gepflanzten Erinnerungsbäume begrüßten viele der Teilnehmer, dennoch kam auch der Wunsch nach einer zentralen Gedenkstätte auf. Ein solches Mahnmal wird es Petra Kalkbrenner zufolge voraussichtlich ab dem Frühjahr 2024 auch geben, zentral gelegen an der B 56 bei Miel. Die Gemeinde hatte dafür einen Wettbewerb ausgelobt, den der Künstler Jürgen Brockerhoff aus Mettmann gewonnen hatte (wir berichteten). Mit seiner Frau nahm er ebenfalls an der Radtour teil. Seine Skulptur besteht aus verbundenen Stahlplatten, die die vielen zerstörten Häuser symbolisieren sollen. Auch wenn er persönlich nicht von der Flut betroffen war, hat er einen Bezug zum den Starkregenereignis.

Freunde von ihm aus dem Ahrtal wurden zu Opfern. Jürgen Brockerhoff schilderte noch einen besonderen Vorfall: Eine Bekannte in Bad Neuenahr stand zwölf Stunden lang schutzlos auf einer Trafoanlage mitten in den Wassermassen, bis sie gerettet werden konnte. Die knapp sechsstündige, 33 Kilometer lange Tour, die am Rathaus in Ludendorf startete und dort auch wieder endete, hatten Silke Adamek von der Verwaltung und Volkmar Sievert von der Swisttaler Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) gemeinsam organisiert.


In der Katholischen Pfarrkirche St. Petrus und Paulus in Odendorf ist derzeit eine interessante Fotoausstellung „Gegen das Vergessen“ der Arbeitsgruppe „Gedenken Flutkatastrophe“ zu sehen. Unter der Internetadresse www.140721.de finden sich alle Bilder der Ausstellung sowie weitere Hintergründe zum Verlauf der Katastrophe, ein Gedenktafelbuch und Hinweise auf weitere Veranstaltungen.

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