Eine Auswahl vom Landschaftsverband Rheinland: Diese Bräuche zum Jahreswechsel waren oder sind im Rheinland beliebt.
Bräuche zum JahreswechselGeschichten übers Böllern, Bleigießen und Glücksversprechen

Knallbonbons oder Glücksbonbons zum Silvesterfest ist nach wie vor ein beliebter Brauch.
Copyright: Ginette Haußmann/dpa
Böller knallen, Feuerwerk – viele Menschen lieben diesen Brauch in der Silvesternacht. „Anlässe wie zum Beispiel der anstehende Jahreswechsel werden häufig ritualisiert begangen. Rituale helfen dabei, Orientierung zu bieten und der Ungewissheit darüber, was kommen wird, Struktur zu geben“, erläutert Lisa Maubach vom Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR). Diese Rituale werden gemeinsam, aber auch alleine begangen und sind stets verbunden mit guten Wünschen für die neue, nun beginnende Zeit, so Maubach.
Nahezu jeder Mensch kennt Bräuche seiner Region, die zur Jahreswende oder an Neujahr üblich sind. Wir stellen eine Auswahl von bekannten, weniger bekannten und historischen Bräuchen in diesem Jahresabschnitt vor.
Essen und Trinken an Silvester
Nicht alltägliche Speisen und festliche Getränke gehören zu einem Silvester-Fest wie das Salz in der Suppe. Diese tragen mit dazu bei, den Festcharakter des besonderen Anlasses zu untermalen. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind Raclette und Fondue (Fleisch und Käse) im Rheinland und darüber hinaus besonders beliebt, wie der LVR feststellt. Beide Speisen fördern das gemeinsame Erleben und Kommunizieren am Tisch.
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Getrunken werden vor dem Jahreswechsel häufig Bowlen und Punschgetränke, versehen mit Südfrüchten, die laut dem LVR besonders in den 1950er Jahren beliebt wurden, weil die damals zumeist teuren Früchte nun in Dosen abgefüllt und damit für die breitere Masse erschwinglich wurden. Zum Jahreswechsel sind Schaumweine wie der Sekt die beliebtesten Getränke, weil auch sie zu besonderen Anlässen getrunken werden.
Orakelspiele zur Jahreswende
Bei den sogenannten Orakelspielen ist laut dem LVR auch im Rheinland nach wie vor das Blei- oder heute das Wachsgießen beliebt. Mit einem Löffel über einer Kerzenflamme wird das Wachs geschmolzen und anschließend in kaltes Wasser gekippt. Die erstarrten Formen lassen sich dann von den Betrachterinnen und Betrachtern interpretieren. Je nachdem, welche Form sie haben, versprechen sie zum Beispiel Reichtum, Glück, Erfolg, Gesundheit, Reisen oder, wenn sie die Form eines Ringes oder Herzchens haben, die große Liebe. Anfang des 20. Jahrhunderts diente dieses Spiel auch als Ehe-Orakel insbesondere für die Mägde, die sich einen Mann im kommenden Jahr wünschten, und anhand der Form des erkalteten Bleis positive oder auch negative Eigenschaften des Zukünftigen oder etwas über seinen Beruf „erfahren“ wollten – so ist es für das Oberbergische in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überliefert.
Ein anderes Orakelspiel verwendet Knallbonbons mit Sprüchen oder kleinen Gegenständen, die in die Zukunft deuten. Sie kamen laut dem LVR ebenfalls im 19. Jahrhundert auch im Rheinland in Mode. Zumeist sind die Inhalte der „Bonbons“ mit Buntpapier ummantelt. Den Knalleffekt hatte ein englischer Konditor namens Tom Smith um 1840 mit Erfolg eingeführt, in dem er Salpeter zwischen die Papierlagen einfügte. Damit purzelten mit beim Auseinanderziehen mit einem Knall die Gegenstände auf den Tisch. Die anfängliche große Beliebtheit nahm in Deutschland im 20. Jahrhundert zwar wieder ab, dennoch haben Knallbonbons nach wie vor ihren Platz bei den Silvesterbräuchen.
Feuerwerk und Knallerei
Laut dem LVR hat das Böllern („lautes Salut“) keinen nachweisbaren Bezug zum alten germanischen Ritual des Vertreibens der bösen Geister, sondern geht auf die höfischen Feiertraditionen zurück. Sprich, wenn etwas Neues wie die Geburt eines Fürstenkindes geschah, dann wurden laute Salutschüsse aus Kanonen und Gewehren abgefeuert. Bereits in der Zeit der Renaissance hatte die Pyrotechnik eine erste Blüte. Das Schwarzpulver erfunden hatten bereits Jahrhunderte vorher nachweislich die Chinesen. Später im 18. Jahrhundert ließ unter anderen der französische „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. großartige Feuerwerke an seinem Prunkschloss Versailles aufführen. Die Tradition, zu besonderen Anlässen Feuerwerke zu veranstalten, hat sich erhalten und erfreute sich dann auch an Silvester immer größerer Beliebtheit. Wann Silvester-Feuerwerke in der Region begannen, ist jedoch nicht genau bestimmbar.

Böllern zur Jahreswende: Eine Gruppe junger Männer präsentiert mehrere Gefäße, in die Schwarzpulver gefüllt wurde, um es darin zum „Knallen“ zu bringen (Bild aus dem Jahr 1928).
Copyright: J. Killewald / LVR-Archiv
Geschenkebräuche zu Neujahr
Wohl kein anderes Datum gibt so viel Anlass, mit Vergangenem abzuschließen, um einen Neuanfang zu wagen, wie die Jahreswende. Häufig werden zu Neujahr Geld- oder Gebäckgeschenke verteilt, verbunden mit Glückwünschen.
In Köln tauschte man laut Frederic Kausch vom LVR schon im 16. Jahrhundert Neujahrsbrezeln aus. Damals wurden sie innerhalb der Handwerkszünfte oder Bauernfamilien gebacken und anschließend verschenkt. Besondere Bedeutung hatte die Brezel dadurch, weil sie mit damals teurem und hochwertigem Weizenmehl gebacken wurde. Die Größe der Brezel unterstrich die Wertschätzung des Beschenkten. Symbolisch stehe die Neujahrsbrezel seitdem für Glück und Gesundheit und beschreibt durch ihre geschlungene Form den Kreislauf des Lebens und Jahreslaufs, so Kausch weiter. In Bonn ist seit dem 19. Jahrhundert auch ein Neujahrsweck üblich. In Schützenvereinen gibt es bis heute das „Brezelschießen“ zu Neujahr mit einer Brezel als Siegerpreis. Und in vielen rheinischen Bäckereien werden die „Glücksbrezeln“ vor und nach Silvester immer noch gern gekauft, so Frederic Kausch.

Dieser historische Brauch zum Jahreswechsel werden auch heute noch im Rheinland gepflegt. Mädchen in weißen Kleidern mit umgehängten Neujahrsbrezeln in der Stadt. (Bild aus dem Jahr 1928)
Copyright: M. Bertges / LVR-Archiv
Geldgeschenke an Neujahr sind ebenfalls schon aus dem 16. Jahrhundert überliefert. So wurden laut LVR auch im Rheinland von den Herrinnen und Herren Münzen an die Mägde und Knechte verschenkt. Dieser Brauch zeigt sich in ähnlicher Weise heute noch bei den „Neujährchen“-Geldspenden an Schornsteinfeger, Briefträger oder die Bediensteten der Müllabfuhr – auch wenn das heute nicht mehr überall noch so praktiziert werde. Früher wurde in Köln zum Beispiel ein Geldgeschenk an die Müllabfuhr-Bediensteten von diesen mit einem augenzwinkernden Spruch „Proß Neujohr, dä Dreckboor es do“ (frei übersetzt: „Prosit Neujahr, der Müllbursche ist da“) begleitet.
Glücksbringer und alte Gesänge
Bei den auch im Rheinland verbreiteten Glücksbringern zum neuen Jahr gibt es ein größeres Angebot.
Das „Glücksschwein“ steht laut LVR für „unverdientes Glück“ – begründet zum einen durch das Schwein als wertvollen Besitz oder dessen Fähigkeit, verborgene Trüffel aufzufinden. Eine andere Herleitung geht auf ein altes Kartenspiel zurück, in dem die „Sau“ die höchste Spielkarte war.
Das „vierblättrige Kleeblatt“ gilt als Sinnbild für Lebenskraft sowie nach christlicher Deutung als Zeichen des Kreuzes und symbolisiert wegen seiner Seltenheit das Glück.
Der Besuch des „Schornsteinfegers“ ließ früher auf Wohlstand schließen, weil der „Schornstein noch raucht“. Außerdem war er häufig der erste Neujahrsgratulant, weil die Gesellen zu Neujahr ihre Jahresrechnung kassierten und dabei ein Kalenderblatt mit einem Glückwunsch überreichten.
Immergrünen „Mistelzweigen“ wurden schon bei den Römern und Kelten Heilkraft und Glücksversprechen zugeschrieben. Mit der Mistel verkünden seit Ende des 19. Jahrhunderts Glückwunschkarten in Frankreich und England Heil und Glück im neuen Jahr. Auf deutschen Neujahrspostkarten waren laut LVR Mistelzweige besonders im Jugendstil beliebte Dekorationen.
Nicht mehr verbreitet im Rheinland sind die „Heischeg(es)änge“ zu Neujahr, bei denen zum Beispiel durch Neujahrssingen Arbeiter und Handwerksgesellen oder ledige Jünglinge oder Kinder Geschenke oder Glückwünsche einforderten (das Althochdeutsche „heischen“ bedeutet „fordern, verlangen“).
Der Heischebrauch war laut dem LVR – vor allem im 19. Jahrhundert – auch bei Kindern sehr beliebt. Sie besuchten beispielsweise ihre Pateneltern und erhielten dann zu den Glückwünschen Hefekränze oder Brote in Menschen- oder Tierformen. In Düren war dabei die folgende scherzhaft gemeinte Spendenaufforderung der Kinder: „Pros Nöujaer, de Kopp fol Hoer, de Mongk fol Zäng, en Nöujoer (Neujahrs-Weck oder -Brezel) en de Häng“ – was so viel heißt wie: „Prosit Neujahr, der Kopf voller Haare, der Mund voller Zähne, eine Neujahrsbrezel in den Händen“.
