Haushalt 2023Politiker schweigen im Blankenheimer Gemeinderat

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Vom Eifelmuseum aus gesehen präsentiert sich Blankenheim mit dem Curtius-Schulten-Platz, dem Gildehaus und dem Schloss von seiner schönsten Seite.

Erholung und Ruhe, dafür steht Blankenheim: Auch die Politiker wollten die Idylle mit einem Streit über den Haushalt nicht stören.

Die Fraktionsvorsitzenden im Blankenheimer Rat loben Bürgermeisterin Jennifer Meuren und die Verwaltung. Doch ihre Reden hielten sie nicht, darauf hatten sie sich geeinigt – in einem Whatsapp-Chat.

Auf eine bemerkenswerte Schweigeklausel hatten sich die Blankenheimer Fraktionschefs mehrheitlich in einer Whatsapp-Gruppe geeinigt: Sie verzichteten in der Haushaltsdebatte im Gemeinderat auf ihr Rederecht. Lediglich der Presse wurden ausgedruckte Exemplare der Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden zur Verfügung gestellt.

Das ist eigentlich unglaublich. Da kommen mir fast die Tränen.
Mathias Schoenen (FPD) über positiven Jahresabschluss 2021

Im öffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung blieb es beim Tagesordnungspunkt Haushalt 2023 stattdessen fast immer beim Lob für die fleißige Verwaltung und Bürgermeisterin Jennifer Meuren.

Am Ende stimmten alle Fraktionen dem Haushalt ohne Aussprache zu (siehe auch „Der Mehrheit angeschlossen“). Und das, obwohl durch zwischenzeitliche Fortschreibungen das Defizit im Ergebnisplan von rund einer halben Million auf fast eine Million gestiegen war.

Blankenheimer Politiker verzichten auf das „Königsrecht eines Parlaments“

Laut Bürgermeisterin erhält die Gemeinde „Entlastungsmittel nach der Pandemie“ in Höhe von knapp 370000 Euro. „Damit erreichen wir mit 618800 Euro fast wieder die Summe, die ich bei der Haushaltseinbringung genannt habe“, so Meuren.

Wilfried Wutgen (SPD) Im Anschluss verzichtete auch SPD-Fraktionssprecher Wilfried Wutgen auf das „Königsrecht eines Parlamentes“, wie man die Haushaltsdebatten gemeinhin nennt. Schriftlich bezeichnet er das positive Jahresergebnis 2021 als „Zwischenhoch“.

Er gehe davon aus, dass die Pro-Kopf-Verschuldung in den Folgejahren wieder auf ein deutlich höheres, bisher gewohntes Niveau steige. Vor allem mit Blick auf die voraussichtlich um das Dreifache steigenden Energiekosten bezeichnet er Investitionen, die zu geringerem Energieverbrauch führen, als „gut angelegtes Kapital“.

Verbessert neues Gewerbegebiet die Wirtschaftskraft der Ahr-Gemeinde?

Da aus seiner Sicht kaum signifikant höhere Einnahmen aus Gebühren oder Grundsteuern zu erwarten seien, müsse man neue Einnahmemöglichkeiten finden, etwa durch Nutzung von Kalamitätsflächen im Gemeindewald für alternative Energien. Wutgen spricht sich für Photovoltaik auf allen dafür geeigneten Flächen aus, für eine schützende Infrastruktur gegen Extremwetter, mehr Wohnraum für junge Familien und eine „Verbesserung unserer Wirtschaftskraft durch das neue Gewerbegebiet“.

Auf der Internetseite der Gemeinde nachzulesen ist auch die ausführliche Stellungnahme von Herbert Daniels, Sprecher der CDU-Fraktion. Er befürwortet etwa die Änderung von mehreren Flächennutzungsplänen in Dörfern, um Bauland zu generieren. Kritisch sieht er den Stellenplan für 2023: „Wir sehen eine Überbelastung der Verwaltung auf uns zukommen.“ Die Ausschreibung von zwei Stellen für den Bauhof und eines Ingenieurs – befristet und gefördert – fürs Energiemanagement reiche nicht aus.

Daniels führt als Beleg anstehende Großprojekte wie den 15 Millionen Euro schweren Wiederaufbau nach der Flut, den Bau der fünfgruppigen Kita in Blankenheim sowie den Umbau des „Konsum“-Gebäudes zum neuen Rathaus an. Kritisch sieht Daniels auch die „Isolierung“ von fast einer Million Euro Energiekosten aus dem eigentlichen Etat: „Das ist die Verlagerung der Kosten auf die nächste Generation. Ich bin mir nicht sicher, ob das der richtige Weg ist.“

Grüne kritisieren langsamen Ausbau von Photovoltaikanlagen 

Auch der größte Teil der Stellungnahme von Maria Sigel-Wings, Sprecherin von Bündnis 90/Grüne, ist nachzulesen. In der Sitzung mahnte sie in ihrer kurzen Stellungnahme an, „dass der von uns seit mehr als zwei Jahrzehnten geforderte Ausbau von PV-Anlagen auf den mehr als 100 Gebäuden der Gemeinde auch in 2022 nicht wirklich vorangekommen“ ist. Zwei bestückte Dächer in diesem, zwei weitere im kommenden Jahr – „so brauchen wir 50 Jahre, bis wir fertig sind. Das muss schneller gehen.

Derweil explodieren unsere Stromkosten.“ In der Langfassung bewertet die Fraktion die Blühstreifen-Initiative und Veränderung der Mahdzeiten an den Straßenrändern positiv, zudem die Entwicklung des Tourismus als „wichtige Einnahmequelle der Gemeinde“. Unter anderem fordert Sigel-Wings, dass die bislang vergebliche Suche nach einem Investor für fünf Schnellladesäulen am Weiherparkplatz vom Quartiersmanagement der Gemeinde übernommen werden soll.

Kita-Neubau in Blankenheim als "Meilenstein" gelobt

 Annegret Dreimüller hielt sich für ihre UWV-Fraktion ebenfalls an den auferlegten Redeverzicht. In der vorliegenden Textfassung ihrer kurzen Stellungnahme merkt sie an, dass die Finanzlage der Gemeinde schwierig sei, aber gerade noch solide: „Die Verschuldung muss im Blick behalten und der Sparwille noch deutlicher angestrebt werden.“

 Noch kürzer ist die schriftliche Stellungnahme der FDP-Fraktion, in der sich Sprecher Mathias Schoenen auf wenige Stichworte beschränkt. Er bezeichnet den geplanten Kita-Neubau in Blankenheim als „Meilenstein“ und begrüßt die neue Aufteilung der nicht erstattungsfähigen Kosten der Gesamtschule Eifel.

Künftig entfallen auf die Gemeinde Blankenheim statt 70 nur noch 53 Prozent, 47 Prozent trägt die Gemeinde Nettersheim. Schoenen zeigte sich mit Blick auf den positiven Jahresabschluss 2021 regelrecht gerührt. Das sei der erste positive Abschluss seit vielen Jahren: „Das ist eigentlich unglaublich. Da kommen mir fast die Tränen.“


SPD-Fraktionschef gegen  Schweigegelübde in Blankenkeim

Nicht einverstanden war die SPD mit der in der Whatsapp-Gruppe von den Fraktionschefs beschlossenen Vorgehensweise zur Haushaltsdebatte. Ihr Sprecher Wilfried Wutgen war dagegen, hat sich aber dem mehrheitlich gefassten Beschluss angeschossen.

Wutgen geht in der Redaktion zur Verfügung gestellten Langfassung seiner nicht gehaltenen Rede auf die ungewöhnliche Form ein: „Wir als SPD-Fraktion bedauern ausdrücklich, dass auf Wunsch der Mehrheit der Fraktionen keine Haushaltsreden in der üblichen Form gehalten werden, in der man aus dem Blick der Fraktionen darlegt, wie man die Entwicklung der Gemeinde sieht.“ Nicht einverstanden war die SPD mit der in der Whatsapp-Gruppe von den Fraktionschefs beschlossenen Vorgehensweise zur Haushaltsdebatte. Ihr Sprecher Wilfried Wutgen war dagegen, hat sich aber dem mehrheitlich gefassten Beschluss angeschossen.

Wutgen geht in der Redaktion zur Verfügung gestellten Langfassung seiner nicht gehaltenen Rede auf die ungewöhnliche Form ein: „Wir als SPD-Fraktion bedauern ausdrücklich, dass auf Wunsch der Mehrheit der Fraktionen keine Haushaltsreden in der üblichen Form gehalten werden, in der man aus dem Blick der Fraktionen darlegt, wie man die Entwicklung der Gemeinde sieht.“ Auf Nachfrage bestätigte Wutgen, dass es eine Whatsapp-Gruppe nur für die Fraktionsvorsitzenden gebe, in der das selbstauferlegte Schweigegebot beschlossen worden sei.

Er habe, so Wutgen, nachgefragt, warum die anderen Fraktionen diesen Vorschlag machen – und zur Antwort erhalten, „dass die Haushaltsreden doch sowieso keinen interessieren“. Einige Reden – nicht alle – sind stattdessen im Ratsinformationssystem auf der Internetseite der Gemeinde unter dem Tagesordnungspunkt der Gemeinderatsitzung vom Donnerstag hinterlegt. (sli)

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