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Besserer HochwasserschutzEuskirchener Veybach fließt nicht mehr schnurgerade

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Veybach_Euskirchen

Der Veybach fließt nun in Kurven auf der Südseite an der Alten Tuchfabrik vorbei.

Euskirchen – Vorbei sind die Zeiten, in denen der Veybach zwischen Euenheim und Euskirchen schnurgerade floss. Seit Mittwoch schlängelt er sich durch ein Gebiet, das bis vor Kurzem landwirtschaftlich genutzt wurde. Der Bach läuft jetzt südlich am ehemaligen Ruhr-Lückerath-Gelände vorbei, das heute unter dem Namen Alte Tuchfabrik firmiert. Die Verlegung ist Bestandteil eines Konzepts, mit dem der Erftverband den Hochwasserschutz verbessern will.

Bis alle Genehmigungen vorlagen, war viel Wasser den Bach hinabgeflossen. Den ersten Planungsauftrag hatte der Verband Anfang der 1990er-Jahre vergeben. Bedenken der Stadt Euskirchen, der Naturschutz- und der Denkmalschutzbehörde führten ebenso zu Verzögerungen wie der Widerstand von Anliegern.

Neue Fließstrecke ist 400 Meter länger

Der neue Abschnitt beginnt am Ortsrand von Euenheim. Zwischen Fabrik und Bördebahnlinie läuft der Bach zurück ins alte Bett. Er mäandert so stark, dass die Fließstrecke sich gegenüber dem bisherigen Verlauf um gut 400 Meter verlängert, also fast verdoppelt hat, so Ingenieur Christian Lorenz, der die Ausführungspläne erstellte.

Der Umschluss, wie es die Fachleute nennen, wurde am Mittwoch gegen 7.45 Uhr vollzogen: Ein Baggerfahrer öffnete mit der Schaufel einen Damm, der bis dahin den Veybach von seinem neuen Bett getrennt hatte. Der alte Verlauf wird nun abgeriegelt, damit ein Fischerei-Biologe den Bach abfischen kann, wie Ingenieur Lorenz erklärte. Wenige Tage später werde das Bett trocken sein, „sodass wir es verfüllen können“.

Die Fische und Weichtiere, die der Biologe aus dem Wasser holt, werden anschließend in der Nähe der Burg Veynau in den Bach eingesetzt. Dies deshalb, weil das Wasser in dem frisch gegrabenen Bett noch zu arm an Nährstoffen ist. (ejb)

Die Firma Schlun hatte den ersten Teil des Ausbaus Anfang August in Angriff genommen. Er wird voraussichtlich Ende Januar 2022 abgeschlossen sein, wie die Pressesprecherin des Verbandes, Ronja Thiemann, mitteilte. Im Frühjahr folge die Umsetzung des zweiten Bauabschnitts vom westlichen Wißkirchener Ortsrand bis Euenheim.

Wälle schützen die Wohnbebauung

Zum Hochwasserschutz werden auch Wälle beitragen, die die Überschwemmungsflächen in Richtung der Wohnbebauung begrenzen. Entlang des Heinz-Küpper-Weges, der neben dem bisherigen Bachbett von der Fabrik in Richtung Euskirchen führt, kommt eine Doppel-Gabionenwand hinzu, die bis zu zwei Meter hoch sein wird. Dadurch werde die Wohnsiedlung rund um die Lahnstraße „deutlich besser geschützt sein als jetzt“.

So formulierte es Projektleiter Christian Gattke, als er das Gesamtvorhaben Anfang der Woche auf Einladung der Dorfgemeinschaft Wißkirchen in einer Bürgerversammlung vorstellte. Fast 200 Interessierte hatten sich für die Veranstaltung in der Alten Tuchfabrik angemeldet, wie der Vorsitzende der Dorfgemeinschaft, Thomas Keßeler, sagte.

Die Planung sieht nach Gattkes Angaben vor, dass der Veybach in der Ortslage Wißkirchen bestehen bleibt, aber gedrosselt wird: „Wir leiten zwei Drittel des Wassers in einen neuen Umfluter ab.“ Er entsteht zwischen dem Dorfrand und der Bahnlinie. Den alten Umfluter, der zum Teil ebenfalls durch den Ort fließt, „werden wir aufgeben und verfüllen“, kündigte Gattke an.

Am 14. Juli gab es ein 10.000-jähriges Hochwasser

Alle diese Maßnahmen sind geplant, um die Anlieger vor den Folgen eines 100-jährlichen Hochwassers zu schützen, vor einem Ereignis also, wie es statistisch einmal in 100 Jahren vorkommt. Die nächsthöhere Kategorie sei ein Extremhochwasser, so Gattke. Doch selbst diese Stufe wurde am 14. Juli „an allen Pegeln deutlich überschritten“, sagte er. Geschätzt habe man es – rein statistisch betrachtet – mit einem 10.000-jährlichen Hochwasser zu tun gehabt, das „außerhalb des menschlichen Vorstellungsvermögen“ liege.

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„Zu dem Schutz vor einem 100-jährlichen Hochwasser kommt bei diesem Projekt noch ein Sicherheitszuschlag obendrauf“, erklärte Gattke. Dennoch müsse man sich klarmachen, dass ein absoluter Hochwasserschutz mit technischen Maßnahmen nicht erreichbar sei. Für ein 100-jährliches Ereignis nehme man am Pegel Burg Veynau einen Wasserstand von 1,95 Meter an. Am 14. Juli habe er bei 3,81 Metern gelegen.

In der Bürgersammlung richteten Teilnehmerinnen Fragen an Gattke sowie an Bürgermeister Sacha Reichelt und den Technischen Beigeordneten der Stadt, Oliver Knaup. In manchen Wortbeiträgen klang Skepsis durch, was die Wirksamkeit der Umbaumaßnahmen anbelangt. Thomas Keßeler, der auch für die Grünen im Stadtrat sitzt, sagte in seinem Resümee: „Wir müssen weitere Schritte diskutieren, etwa die Frage, wo neue Retentionsflächen möglich sind.“

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