Nach 34 Jahren ist Guido Bachem nicht mehr in den Euskirchener Rat gewählt worden. Im Rückblick spricht er über Erfolge und Enttäuschungen.
Abschied aus der PolitikUrgestein der Euskirchener Grünen hat die Partei verlassen

Für 15-jährige Ratsmitgliedschaft wurde Guido Bachem (r.) 2007 – mit einem Jahr Verspätung – von Bürgermeister Uwe Friedl (M.) ausgezeichnet. Ein weiterer Jubilar (25 Jahre) war damals der 2024 verstorbene FDP-Politiker Ulf Schlüter.
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Guido Bachem gehörte zu den unkonventionellen Stadtverordneten in Euskirchen. Er fiel nicht nur durch seine fundierten Zahlenkenntnisse, seine Vorliebe für bunte Bekleidung und durch ausführliche Wortbeiträge zur Geschäftsordnung und zu anderen Satzungen auf. Auch das Finale seiner Abschiedsrede besaß Seltenheitswert: „Fuck Nazis!“, rief er in den Saal, als am 2. Oktober der Tag seiner – zumindest vorerst – letzten Ratssitzung gekommen war.
34 Jahre hatte Bachem – weitere Markenzeichen: feine Ironie und Unerschrockenheit – der Stadtvertretung angehört. Lange war er eine der prägenden Figuren in der Fraktion der Grünen. Mittlerweile hat er mit ihnen gebrochen. Er ist aus der Partei ausgetreten und macht nun Politik für die Linke.
Guido Bachem macht in Euskirchen weiter Politik
Insofern passt der Titel dieser Serie – „Abschied aus der Politik“ – nicht zu dem 58-Jährigen. Wie auch einige andere Politiker, die wir in den zurückliegenden Wochen nach ihrem Abschied aus dem Rat porträtiert haben, macht Bachem in Euskirchen als Sachkundiger Bürger weiter. Aber eben nicht mehr für diejenige Partei, die so lange seine politische Heimat war.
Die Liaison hatte 1985 begonnen. „Im Mai war Landtagswahl. Kurz vorher habe ich an einem Infostand in der Fußgängerzone einen Flyer ausgefüllt und damit meinen Beitritt erklärt“, erzählt Bachem. „Ich war vorher auch auf Veranstaltungen anderer Parteien. Aber Anhänger der Friedensbewegung wie mich führte der Weg damals automatisch zu den Grünen.“

Die Zeit im Euskirchener Stadtrat ist für Guido Bachem abgelaufen, zumindest vorerst.
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Als eine Parteifreundin 1986 aus dem Bauausschuss ausschied, rückte der Politikneuling nach. „Zu dieser Zeit wurden wir von den anderen Parteien zum Teil geschnitten“, erinnert sich Bachem. „Ich habe Ausgrenzung erlebt.“ So etwas dürfe nicht sein: „Alle, die in einem politischen Gremium zum demokratischen Spektrum gehören, müssen integriert werden.“ Man könne ja anderer Meinung sein als die politische Konkurrenz, dies dürfe jedoch nicht in eine Feindschaft münden, wirbt Bachem für Toleranz.
Anträge seiner Fraktion seien schon wegen des Briefkopfs, unter dem sie standen, abgeschmettert worden. „Ein halbes Jahr später kamen sie mit einem anderen Briefkopf ein zweites Mal auf den Tisch – und wurden angenommen“, sagt der Euskirchener.
In der Koalition hätte es auf beiden Seiten besser laufen können.
1991 zog er erstmals in den Rat ein. Von 1994 bis 1999 hatte dort Rot-Grün die Mehrheit – eine Ausnahmephase in Euskirchen. „Wir haben viele Ziele erreicht, die Baumschutzsatzung etwa und vor allem die Gründung der Stadtverkehrsgesellschaft SVE“, erzählt Bachem, der jedoch einräumt: „In der Koalition hätte es auf beiden Seiten besser laufen können.“ Die Zusammenarbeit sei häufig schwierig gewesen: „Beide Partner wollten viel erreichen, sich aber nicht mit der Hälfte zufriedengeben.“
Später, 2020, versuchten Bündnis 90/Die Grünen es noch einmal mit einer anderen Partei, diesmal mit der CDU. Ihre Listengemeinschaft hielt allerdings nur 14 Monate. „Das Thema, bei dem wir uns nicht einigen konnten, war der Wohnungsbau“, erzählt Guido Bachem – und ist damit bei einer seiner Herzensangelegenheiten. „Eines muss in Euskirchen unbedingt passieren: Wir müssen mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen.“ Andere Kommunen machten es doch vor, fügt er hinzu: Sie hätten für Neubaugebiete eine Quote für öffentlich geförderten Wohnraum festgelegt.
Bachem hätte gerne eine Quote für öffentlich geförderten Wohnraum
„Wichtig ist, dass sie für alle Investoren gilt. Dann weiß jeder, der in Euskirchen Baugebiete entwickelt, woran er ist.“ Die Stadt profitiere, erklärt Bachem, „wenn hier mehr Leute leben können, die nicht einen Großteil ihres Geldes für Miete ausgeben müssen. Das erhöht die Kaufkraft.“ Dass die Grünen sich mit ihrer Forderung nach einer Quote für öffentlich geförderten Wohnungsbau nicht durchgesetzt hätten, gehöre zu den Enttäuschungen in seiner Bilanz als Ratsmitglied.
Mehr Bemühungen und „mehr Einsichtsfähigkeit“ wünscht er sich ebenso beim Klimaschutz: „Auch auf lokaler Ebene müssen wir alles dafür tun, dass wir die Lebensgrundlagen der künftigen Generationen nicht verspielen.“
2023 wählte die Euskirchener Grünen-Fraktion ihn als Vizevorsitzenden ab
Gerne denkt Bachem, von Beruf Gymnasiallehrer für Mathematik und Informatik, an Erfolge wie die Einführung des Stadtbussystems und an schöne Momente wie die Verleihung mehrerer Ehrenbürgerschaften zurück: posthum an den Widerstandskämpfer Willi Graf, jeweils zu Lebzeiten an die langjährigen Ratsmitglieder Theo Wattler (CDU) und Willi Maurer (SPD) sowie an Betty Holmes aus der englischen Partnerstadt Basingstoke and Deane. „Hinter der Ehrung von Betty Holmes stand der Gedanke der Völkerverständigung. Theo Wattler und Willi Maurer hatten sich diese besondere Auszeichnung mit ihrer Arbeit im Rat verdient.“
Unerfreulich war für Guido Bachem, was ihm bei den Grünen widerfuhr. Nach 27 Jahren in dieser Funktion wurde er zuerst 2023 als Vize-Fraktionschef abgewählt. Vor der jüngsten Kommunalwahl setzte der Ortsverband ihn dann auf einen derart schlechten Listenplatz, dass der angestrebte Wiedereinzug in den Rat unmöglich wurde. Das gleiche Schicksal ereilte Dorothee Kroll, mit der er über Jahrzehnte hinweg das unangefochtene Führungsduo der Grünen gebildet hatte.
Die Liebe zwischen Guido Bachem und den Grünen ist erkaltet
Die Liebe zwischen ihm und seiner langjährigen Partei, sie ist erkaltet. „Ich zähle die Grünen nicht mehr zu den progressiven Kräften“, sagt Bachem, der sich nun für die Linke engagiert. „Sie ist mit drei jungen Leuten im Rat vertreten, die Unterstützung gebrauchen können“, sagt er über Fraktionschef Yannic Groell und dessen Mitstreiterinnen Melina Hagedorn und Anne Decker.
Er sitzt nun für die Linke als Sachkundiger Bürger im Ausschuss für Tiefbau und Verkehr. „Back to the roots – zurück zu den Wurzeln“, sagt er mit Blick auf seine Anfänge in der Politik. Und noch etwas freut ihn: Er ist bei der Gremienbesetzung durch den Rat, dank einer temporären Listenvereinbarung der Linken mit der SPD, in den Aufsichtsrat der SVE gewählt worden.
So könne er weiter die Entwicklung der Stadt mitbestimmen, sagt er. Tatsächlich mitbestimmen? „Ja“, sagt Guido Bachem. „Dieser Anspruch muss es sein. Sonst kann man es lassen mit der Politik.“

