Unter BeichtstuhlJahrhundertealte Grabplatte in Euskirchener Pfarrkirche St. Martin gefunden

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Die vier Männer hocken nebeneinander und schauen sich die Grabplatte an, links die Rückwand des Beichtstuhls.

Franz-Georg Schaeben (v.l.), Pascal Cousin, Laurent Cousin und Christian Becker nehmen die Grabplatte in Augenschein, die vorher von einem Beichtstuhl verdeckt wurde.

In der Euskirchener Martinskirche liegt eine jahrhundertealte Grabplatte unter einem Beichtstuhl versteckt. Jetzt wurde sie freigelegt.

Franz-Georg Schaeben ist seit seiner Kindheit mit der Pfarrkirche St. Martin in Euskirchen verbunden. Schon viele Jahre kümmert er sich für die katholische Gemeinde um die Kunstschätze des ältesten Sakralbaus in der Stadt. Eine Besonderheit allerdings fiel ihm erst ins Auge, als sein alter Freund Rolf Müller-Blagovich ihn darauf aufmerksam machte: In der Nähe des Südportals ist eine Grabplatte in den Boden eingelassen. Davon ist allerdings nur ein kleines Stück zu sehen, denn der größte Teil wird von einem Beichtstuhl verdeckt.          

Müller-Blagovich, der in Euskirchen aufwuchs und schon seit vielen Jahren in Essen lebt, hat die Martinskirche ebenfalls ins Herz geschlossen und sich intensiv mit ihrer Geschichte und ihrer Ausstattung beschäftigt. Bei Besuchen in der alten Heimat trieb ihn deshalb immer wieder die Frage um, was es wohl mit der Grabplatte auf sich hat.

Vier Euskirchener machten sich daran, Licht ins Dunkel zu bringen

„Fachliteratur oder andere Unterlagen, die darüber Auskunft geben könnten, existieren meines Wissens nicht“, sagte Franz-Georg Schaeben, als er sich am Donnerstag daranmachte, Licht ins Dunkel zu bringen. Nach Absprache mit der Verwaltungsleitung der katholischen Gemeinde ließ er die steinerne Platte freilegen. Dafür musste der Beichtstuhl von seinem angestammten Platz weggeschoben werden. Für diese Aufgabe hatte Schaeben seine Großneffen Laurent Cousin und Pascal Cousin sowie den Schreinermeister Christian Becker engagiert.      

Die drei Männer haben den Beichtstuhl von der Wand weggezogen, im Bildvordergrund steht der Taufstein der Martinskirche.

Die Helfer schieben den Beichtstuhl zur Seite, um an die Grabplatte zu gelangen.

Als sie den Beichtstuhl von der Wand gerückt hatten, kam die rechteckige Grabplatte vollständig zum Vorschein. Teile der Oberfläche sind – vermutlich im Laufe der Jahrhunderte – regelrecht abgeschliffen worden, sodass die ursprüngliche Gestaltung nicht mehr vollständig ist.  

Welche Inschriften sind auf dem Boden in Euskirchens ältester Kirche zu erkennen?

An einer der beiden Längsseiten ist die Jahreszahl 1729 zu entziffern, daneben, bis auf die letzten beiden Buchstaben, die lateinische Formel „Requiescat in pace“ (Ruhe in Frieden), eine typische Grabinschrift. Auf der anderen Seite kann man die in den Stein gemeißelte Wörterfolge  „Wittib Ruttgeri Stich“ lesen, wobei es sich bei Wittib um eine alte Form des Begriffs Witwe handelt. 

An den Rändern der Grabplatte sind Inschriften zu erkennen.

Die freigelegte Grabplatte.

Hinzu kommen Fragmente weiterer Inschriften an den Rändern sowie in der Mitte Überbleibsel einer Figurendarstellung oder eines Ornaments – „vielleicht Teil eines Wappens“, spekulierte Pascal Cousin über die geheimnisvoll anmutende Verzierung. Unklar ist auch, ob die Oberfläche der steinernen Platte im Laufe der Zeit von Menschen abgeschliffen wurde, die darüber gingen, oder durch andere äußere Einflüsse.      

Ein Blick auf die Grabplatte: am rechten Rand erkennt man die lateinische Formel „Requiescat in pace“, daneben Reste der zentralen Verzierung.

Ein Ornament oder eine Figurendarstellung? Die Gravuren sind zum Teil nur noch schlecht zu erkennen.

„Wir wissen ja noch nicht einmal, warum der Beichtstuhl ausgerechnet auf der Grabplatte platziert worden ist“, warf Franz-Georg Schaeben eine weitere Frage in den Raum, die sich um das Objekt rankt. Er hofft nun, dass die Denkmalbehörde sich des Falles annimmt und dazu beitragen kann, die rätselhafte Angelegenheit zu erhellen. 

Ob unter der Grabplatte womöglich die sterblichen Überreste einer Witwe liegen, die vor knapp 300 Jahren in der Martinskirche ihre letzte Ruhestätte fand? Vielleicht gegen eine Geldzahlung an die Kirche in der Hoffnung auf ewiges Seelenheil? „Eine Bestattung wäre ungewöhnlich“, sagte Franz-Georg Schaeben zu dieser Theorie. „Denn von weiteren Gräbern in St. Martin ist nichts bekannt.“   

Nach gut einer Stunde endete die Erkundung, Schaebens Mitstreiter schoben den Beichtstuhl zurück an die gewohnte Stelle.  

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