Gespräch mit Christian RamollaChef des Gesundheitsamts unglücklich über Corona-Regelungen

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Corona-Tests und Masken und ein Handy liegen auf einem Tisch.

Zeigen sich beim Selbsttest zwei Striche, sollte man sich einem PCR-Test unterziehen. Wenn der positiv ist, sind fünf Tage Quarantäne angesagt, danach kann man die Isolierung beenden – ohne Freitest. Kreisamtsarzt Ramolla setzt aber auf die Eigenverantwortung.

Den lockereren Umgang mit dem Virus findet Christian Ramolla, der Leiter des Gesundheitsamts im Kreis Euskirchen, in Ordnung. Im Gespräch weist er aber auch auf die Überbelastung in Praxen und Krankenhäusern hin.

Herr Ramolla, seit kurzem gelten neue Corona-Regelungen in NRW und damit auch im Kreis Euskirchen. Was sollte man machen, wenn der Selbsttest zwei Striche zeigt?

Christian Ramolla: Bei bedrohlichen Symptomen wie Luftnot oder hohem Fieber sollte man die Hausarztpraxis anrufen, um zu erkunden, ob Corona die Ursache ist oder ob sich etwas entwickelt hat, was eine andere Behandlung nötig macht.

Und bei milden oder keinen Symptomen?

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Dann sollte man einen PCR-Test in der Praxis oder in einer Bürgerteststelle machen lassen. Da die Praxen derzeit sehr viel zu tun haben, sollten alle Betroffenen ohne Symptome in eine der PCR-Teststellen gehen. Ab dem Zeitpunkt, an dem man den zweiten Strich beim Selbsttest sieht, ist man verpflichtet, sich zu isolieren, wie wir das in den letzten Jahren haben lernen müssen: Zimmerarrest und kein Besuch. Wenn man zum PCR-Test geht, dann bitte mit Maske und möglichst nicht mit Bus oder Bahn.

Muss man für den PCR-Test zahlen?

Nein, Menschen mit positiven Selbsttest müssen nicht bezahlen.

Können wir über die neuen Regelungen sprechen?

Gerne. Neu ist, dass die fünf Tage Quarantäne nicht mit dem positiven Selbsttest beginnen, sondern erst am Tag nach dem positiven  Kontrolltest. Nach fünf vollen Tagen ist man frei, ohne sich freitesten zu müssen. Ausnahme sind Mitarbeitende in Pflege und Medizin. Die haben weiterhin die Auflage, sich negativ testen zu lassen, bevor sie wieder arbeiten.

Wichtig ist, ob man am Ende der fünf Tage noch Symptome hat.
Christian Ramolla

Halten Sie es sinnvoll, dass sich Betroffene, die nicht freigetestet sind, wieder ins Gewühl stürzen?

Nein. Wichtig ist, ob man am Ende der fünf Tage noch Symptome hat. Dann ist es wirklich nicht empfehlenswert, wieder unter Menschen zu gehen. Dann sollte man den Hausarzt telefonisch fragen, ob eine Krankschreibung Sinn ergibt. Sinnvoll wäre auch, in den Tagen nach der Quarantäne konsequent eine FFP 2-Maske zu tragen. Im ÖPNV ist es Pflicht, im Büro ja nicht mehr.

Warum ist das sinnvoll?

Selbst wenn der Test nach fünf Tagen Isolation positiv ist, ist man nicht mehr zur Isolation verpflichtet. Dann kommt es auf das verantwortungsvolle Verhalten an. Man sollte Kontakt zu gefährdeten Gruppen vermeiden und Maske tragen.

Darf ein Chef einen Mitarbeiter zur Arbeit auffordern, auch wenn nach fünf Tagen der Test noch positiv ist?

Das staatliche Quarantäne-System, also das Wegschließen im Auftrag der Gesundheitsbehörden, ist tatsächlich vorbei. Ich würde wirklich empfehlen, in diesen Fällen Kontakt zum Chef aufzunehmen. Oft finden sich Lösungen, etwa im Homeoffice, im Einzelbüro. Oder zeitversetzt zu den Kollegen zu arbeiten.

Als Infektionsmediziner sind wir da alle nicht glücklich.
Christian Ramolla

Der Kreis hat diese NRW-Bestimmungen übernommen. Hand aufs Herz, haben Sie das aus tiefster Überzeugung getan?

Als Verwaltungsmitarbeiter habe ich das übernommen. Das kommt ja vom obersten Dienstherrn.

Und als Arzt?

Als Infektionsmediziner sind wir da alle nicht glücklich. Uns wäre eine Regelung lieber, die sagt, dass nur der die Quarantäne verlassen soll, der keine starken Krankheitsanzeichen mehr hat. Dass man dann Gott und die Welt erst negativ testen muss, will ich damit nicht sagen. Aber es gibt ganz sinnvolle Lösungen in anderen europäischen Ländern wie Belgien, Niederlande oder Spanien. Die machen zum Teil gar keine Quarantäne mehr, aber fordern sehr dringlich zum Maskentragen, zur Kontaktvermeidung zu vulnerablen Gruppen und zu größeren Ansammlungen auf. Damit wäre ich als Mediziner deutlich glücklicher. Aber wir setzen als Behörde das um, was das Land vorgibt.

Die Inzidenz hat für uns keinerlei Stellenwert mehr.
Christian Ramolla

Das Robert Koch-Institut vermeldete für den Donnerstag dieser Woche eine Inzidenz von 305,1 und weitere 112 neue bestätigte Covid-19-Fälle im Kreis Euskirchen. Welche Aussagekraft haben diese Zahlen für Sie?

Eigentlich keine. In Fachgremien diskutieren wir, ob wir von einer zwei-, drei- oder fünffachen Dunkelziffer ausgehen sollen. Die Inzidenz hat für uns keinerlei Stellenwert mehr.

Wie ist das Testverhalten im Kreis Euskirchen?

Die Rückmeldungen von den Testzentren sind für uns zum Teil schwer zu interpretieren. Grob kann man aber sagen, dass sich das Testverhalten in den letzten Wochen nicht stark geändert hat. Die uns vorliegenden Testzahlen sind natürlich auch stark von den Öffnungszeiten abhängig. Außerdem wissen wir nicht, wie viele Leute einfach daheim einen Test machen. Ich denke, dass derzeit wesentlich mehr Selbsttests laufen als Tests in Teststellen. Das ist auch genau so gewollt und okay.

Die Inzidenzzahl des Kreises liegt über dem Landesschnitt von Nordrhein-Westfalen. Woran liegt das?

Ich denke daran, dass wir im Kreis die Zugänglichkeit zu PCR-Tests einfach gestalten im Vergleich zu anderen Kreisen. Nur die PCR-Tests werden in der Statistik erfasst. Es gibt für mich jedenfalls infektionsmedizinisch keinerlei Gründe, warum die Zahlen im Kreis Euskirchen höher sind als im Kreis Düren oder im Rhein-Erft-Kreis.

Wir müssen auf die Krankenhäuser und Praxen aufpassen.
Christian Ramolla

Kann die befürchtete Corona-Winterwelle „abgesagt“ werden?

Es beginnt ja jetzt erst die Zeit, in der es kuschelig wird, wir uns treffen und an der Glühweinbude stehen. Da wird auch was weitergegeben werden und je nach Testverhalten könnte es auch eine Welle geben. Und wir müssen auf die Krankenhäuser und Praxen aufpassen. Die sind jetzt schon am Limit, auch weil viele Bedienstete wegen Corona oder anderen Krankheiten ausfallen. Es wäre darum gut, wenn Corona- und Grippeschutzimpfungen in Anspruch genommen würden.

Wie ist die Situation in den Krankenhäusern?

Im Kreis ist es wie überall im NRW. Sie sind oft maximal voll – nicht unbedingt, was die Betten betrifft, aber wegen des Personalmangels können gar nicht alle Betten betrieben werden.

Nehmen Sie in der Bevölkerung einen lockereren Umgang mit dem Virus wahr?

Ja klar. Ich merke es ja an mir selbst und in der Familie. Das ist ja auch sozialmedizinisch gewünscht. Corona wird nicht verschwinden und wir müssen lernen, es in unser Leben zu integrieren. Und das ist jetzt der erste Schritt. So soll es auch sein.

Man trifft kaum noch Menschen, die beim Einkaufen Maske tragen, und die Desinfektionsspender werden kaum noch beachtet ...

...da würde ich mich allerdings freuen, wenn das wieder etwas intensiver genutzt würde, denn wir müssen uns gerade mit vielen anderen Erkältungserregern auseinandersetzen.

Die Influenza ist dieses Jahr unheimlich früh dabei.
Christian Ramolla

Meinen Sie die gute alte Rotznase, den Husten oder die Grippe?

Ja. Die Influenza ist dieses Jahr unheimlich früh dabei. Sonst haben wir das erst so um Karneval festgestellt. Ich weiß nicht, ob das ein Vorzeichen für eine härtere Welle ist. Es ist aber auch völlig in Ordnung, wenn wir jetzt ohne Maske draußen an der Glühweinbude stehen ...

...jetzt, da viele geimpft und/oder genesen sind und die aktuellen Virusvarianten nicht so leicht überspringen?

Ja. Wir können uns als Gesundheitsämter so langsam aus der Sache rausziehen, weil es jetzt langsam aber sicher in der Verantwortung eines jeden Einzelnen liegt. Zu Beginn der Pandemie mussten die staatlichen Behörden massiv intervenieren, weil der oder die Einzelne selbst keine Möglichkeiten hatte, sich zu schützen. Jetzt aber hat jeder das Wissen und die Möglichkeit der Impfung. Kluge Menschen haben diese Angebote angenommen, andere haben aus freien Stücken darauf verzichtet und müssen sich jetzt auch auf eine veränderte Situation einstellen. Jeder kann selbst entscheiden: Setze ich mich dem Risiko aus oder nicht?

Können Sie und Ihre Kollegen sich wieder mehr um andere Aufgaben kümmern?

Wir sind sehr glücklich, dass wir wieder verstärkt sozialmedizinisch arbeiten können, dass unser Kinder- und Jugend-Gesundheitsdienst ganz normal Kinder in Kitas und Schulen betreuen und der sozialpsychiatrische Dienst seinen wichtigen Aufgaben nachgehen kann.


Das Corona-Team des Kreises Euskirchen beendet seine Aktivitäten

Mit Ende des Jahres werden die Aktivitäten des Corona-Teams beim Kreis beendet. „Die Kofinanzierung des Landes endet, wodurch die Kollegen und Kolleginnen nach fast zwei Jahren den Kreis verlassen“, erklärte Christian Ramolla, Leiter des Gesundheitsamtes. „Sie haben eine unglaublich tolle Arbeit geleistet!“, sagt Ramolla.

Eine ganze Reihe der Mitarbeiter könne über den Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst dauerhaft in die Mitarbeiterschaft des Gesundheitsamtes aufgenommen werden. „Dennoch wird zukünftig eine Pandemie-Bearbeitung auf gleichbleibend hohem Niveau schwer fallen“, so Ramolla. (sch)


Tribea schließt Teststelle in Kall wegen sinkender Nachfrage

Mit dem Wegfall der 3-Euro-Tests und der Freitestpflicht nach fünf Tagen sinkt auch die Nachfrage in den Testzentren im Kreis. Einige haben inzwischen ganz geschlossen. So auch die Tribea-Teststelle in Kall. Das habe einfach „keinen Sinn mehr“ gemacht, berichtet Geschäftsführer Gerald Schäfer. Schon seit dem Sommer sei die Nachfrage immer weiter zurückgegangen. Durch die neuen Regelungen kommen nun noch weniger Leute.

Die Teststelle in Blankenheim bleibe weiterhin geöffnet, so Schäfer weiter. Hier kann man auch nach wie vor einen PCR-Test bekommen. „Hier haben wir den längsten Atem“, berichtet Schäfer. Man verstehe sich auch als kommunale Teststelle und werde deshalb so lange Tests anbieten, wie das politisch gewollt sei.

Massenentlassung aufgrund der sinkenden Nachfrage gebe es in ihren Teststellen nicht, sagt Schäfer weiter. Die Angestellten in den Teststellen machten das alle nebenberuflich und seien von vorneherein auf Stundenbasis bezahlt worden. Da schon seit Monaten die Nachfrage abnehme, sinke auch seit Monaten die Arbeitszeit bei den Angestellten.

Einige suchten sich deshalb nun neue Nebenjobs. Aber es verliere niemand von heute auf morgen seine Lebensgrundlage. „Die Sache fällt ja nicht jetzt vom Himmel.“ Es sei schon lange absehbar, dass die Testzentren irgendwann nicht mehr gebraucht würden.

Drive-in-Konzept in Euskirchener Teststelle läuft noch gut

„Es läuft gut“, berichtet Daniel Pöthmann, einer der Betreiber der Drive-in-Teststelle in Euskirchen. Trotz der neuen Regelungen kommen noch viele zum Testen. Und das, obwohl es dort keine PCR-Tests gibt.

Pöthmann vermutet, dass dies am Drive-in-Konzept liegt. Gerade in der kalten Jahreszeit gefalle es den Leuten, im warmen Auto sitzen bleiben zu können. Dennoch zeige sich ein Rückgang bei der Nachfrage: „Anfangs haben wir 700 Tests am Tag gemacht. Und jetzt sind es halt deutlich weniger, aber 100 haben wir immer noch.“

Gedanken macht Pöthmann sich wegen seiner Mitarbeiter. Inzwischen seien sie ein richtiges Team geworden. Und das wollen er und sein Partner auch über die Teststellen-Zeit hinaus erhalten. Deshalb suchen sie schon länger nach anderen Beschäftigungsfeldern. Zurzeit übernehmen sie zum Beispiel auch Firmentestungen. Doch es gebe noch andere Ideen. (jre)

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