„Sehr viel Arbeit, sehr viel Ärger“So ist der Stand bei der Grundsteuererklärung im Kreis Euskirchen

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Ein Spielzeughaus und die Nachbildung von Euro-Geldscheinen liegen auf einem Abgabenbescheid für die Entrichtung der Grundsteuer.

Tausende Grundsteuererklärungen fehlen auch in den Finanzämtern Euskirchen und Schleiden noch.

Sowohl den Finanzämtern in Gemünd und Euskirchen als auch vielen Steuerberatern im Kreis Euskirchen stehen stressige Tage ins Haus.

Es sind nur noch wenige Tage: Am Dienstag läuft die Frist für Grundstückseigentümer ab, in der sie ihre Grundsteuererklärung beim Finanzamt einreichen können. Doch bislang sind dem im Kreis Euskirchen nur knapp über die Hälfte der Betroffenen nachgekommen. Sowohl den Finanzämtern in Gemünd und Euskirchen als auch vielen Steuerberatern stehen stressige Tage ins Haus.

Der Endspurt

„Ich gehe davon aus, dass die große Welle erst noch kommt“, erklärt Eike Schleert, Teamleiter des Weilerswister Büros der Häner & Lux Steuerberatungsgesellschaft GmbH: „Es gibt eine Menge schlafende Hunde, die bisher nicht geweckt wurden.“ Bislang, so Schleert, habe die Firma 700 Erklärungen bearbeitet und rausgeschickt.

Die Finanzämter melden, dass sich die Einreichungen in den vergangenen Tagen verdreifacht hätten.

Das Verfahren

Vor allem Leute, die nicht oft mit dem Finanzamt zu tun haben, seien durch Elster, das Dienstleistungsportal der Finanzämter, überfordert, stellt Schleert fest.

Zudem haben offenbar viele Grundstücksbesitzer die Schreiben der Finanzämter aus dem Juni vergangenen Jahres nicht bekommen. Das Schreiben sei auch „good will“ der Finanzämter gewesen – also keine Verpflichtung. Er habe zwar keine belastbaren Zahlen, berichtet Schleert.

Grundsteuererklärung: Experte hält Prozedere für Laien für machbar

Er schätze aber, dass es über 30 Prozent der Grundstücksbesitzer seien, die kein Finanzamtsschreiben mit den Daten zu den Grundstücken erhalten haben. „Man braucht das natürlich nicht, aber dann wird es ungleich komplizierter“, so Schleert.

Heinz L’homme von der Steuerberaterpartnerschaft Heinen, L’Homme, Weishaupt & Partner mit Standorten in Schleiden, Heimbach und Mechernich hält die Bearbeitung mit Elster für Laien für machbar, sofern es sich um ein Standardgrundstück – also etwa ein Einfamilienhaus – handelt. „Das lässt sich sehr gut machen, das haben mir auch viele Mandanten bestätigt“, sagt der Steuerberater. Die anfänglichen Probleme, die viele bei der Elster-Registrierung hatten, seien behoben: „Da gibt es inzwischen zwei, drei andere Zugänge, wenn man Elster nicht möchte.“

Die Unklarheiten

Sobald man vom Standard abweiche, werde es kompliziert, erläutert L’homme: etwa bei Mehrfamilienhäusern, betrieblichen und/oder übergroßen Grundstücken, bei denen seiner Meinung nach die Bodenrichtwerte, die das Finanzamt unterstelle, nicht mit der Realität übereinstimmen: „Das ist für mich ein Ärgernis.“

Zudem sorgen noch laufende Justiz-Verfahren und die damit verbundene Rechtsunklarheit für Ärger in der Branche. Gut möglich, dass viele Berater die Erklärungen für ihre Mandanten erst kurz vor Fristende abgeben, damit die Steuerbescheide wegen erneut bestehender verfassungsrechtlicher Bedenken möglichst spät ergehen und damit die Chancen besser stehen, sich an eine Musterklage zu heften, sagte ein Steuerberater, der nicht genannt werden möchte.

Kreis Euskirchen: Steuerberater klagen über Mehrbelastungen

Das alles bedeute „sehr viel Arbeit, sehr viel Ärger“. „Zudem sind die Geodatenportale für die Grundsteuererklärungen der einzelnen Bundesländer stark unterschiedlich gestaltet, sodass die eigene Sachverhaltsermittlungsarbeit stark erschwert ist“, benennt Steuerberaterin Nina Zinnikus aus Palmersheim ein weiteres Hindernis.

Zukünftig müsse die Grundsteuererklärung alle sieben Jahre abgegeben werden, blickt Schleert voraus: „Ich hoffe, dass es 2029 dann einfacher wird und nur noch Neuerungen und Veränderungen übermittelt werden müssen.“

Und er nennt noch einen weiteren Aspekt, der die Sache im Kreis verkompliziere: „Wir dürfen nicht vergessen, dass wir hier im Flutgebiet sind und viele Menschen ihre Akten im Keller aufbewahrt haben.“

Die Mehrbelastung

So etwas wie normale Zeiten gibt es für Steuerberater schon lange nicht mehr. Egal, welche Krise die Gesellschaft zuletzt erschütterte – sie waren irgendwie betroffen. „Vor allem haben uns die letzten drei Jahre neben dem üblichen fristenbehafteten Tagesgeschäft mit den Corona-Regelungen und vielen verschiedenen Hilfsprogrammen, die sich während der laufenden Bearbeitungen wieder geändert haben, sehr stark gefordert und tun es immer noch“, sagt Zinnikus.

Und dann kam die Flut. Die habe manche Steuerberater doppelt getroffen, erläutert sie: zum einen, weil auch deren Haus oder Kanzlei unter Wasser stand, zum anderem, weil fortan steuerliche Beurteilungen für Flut-Betroffene im Rahmen der Wiederaufbauhilfen zu ihrem ohnehin schon reichhaltigen Aufgabengebiet zählten.

Neue Mandanten können derzeit nicht angenommen werden

Und damit nicht genug. „Es kamen dann noch Regelungen zu den Energiepreispauschalen, Inflationsausgleichsprämien, die ebenfalls von den Steuerberatern bearbeitet werden mussten“, zählt Zinnikus auf: „Neue Mandanten können gar nicht angenommen werden.“

Die Grundsteuererklärung komme zur Unzeit, sagt auch L’homme: „Die Corona-Hilfen für Unternehmen mussten ja alle über Steuerberater beantragt werden. Das war schon die Schippe mehr.“ Bei der Grundsteuererklärung sei die Finanzverwaltung davon ausgegangen, dass die Steuerpflichtigen das selbst machen.

„Das können aber viele nicht, auch weil viele Berührungsängste haben“, so L’homme. Besonders kleinere Büros mit weniger Mitarbeitern kämen in Schwierigkeiten. Für größere Kanzleien könne es ein nettes Nebengeschäft sein, „aber es ist dennoch stressig“.

Der Fachkräftemangel

Er würde ja gerne weitere Mitarbeiter einstellen, finde aber keine, sagt Heinz L’homme.Die Kanzlei habe zwei, drei junge Leute mit den Grundsteuererklärungen beauftragt. Das gehe als relativ große Kanzlei, bei kleineren sehe das anders aus: „Wegen des Fachkräftemangels sind viele Büros ja schon mit den üblichen Aufgaben am Limit.“

Häner & Lux haben Eike Schleert zufolge viele Azubis und Duale Studierende, die bei den Grundsteuererklärungen mithelfen. Geschätzt seien das unter dem Strich zwei volle Stellen. Die Preise L’homme und seine Partner berechnen für eine einfache Grundsteuererklärung 150 bis 200 Euro.

Bei komplizierteren Fällen wird es mehr: etwa 100 Euro pro Stunde Arbeit. Es soll aber auch Akteure geben, so ein Insider, die weit mehr verlangten. Er nehme an, dass manche Steuerberater in der Preisfindung auch auf Abschreckung setzten.

Der Politiker

Markus Herbrand ist doppelt betroffen – als Steuerberater und als FDP-Mitglied des Bundestages, wo das Gesetz ja beschlossen wurde. Argumentativ muss er sich aber nicht verbiegen. Er hatte, damals noch in der Opposition, mit der FDP gegen dieses Verfahren gestimmt.

Insofern sei auch sein Parteichef und Finanzminister Christian Lindner nicht schuld, sondern die Vorgängerregierung. „Ich war damals Berichterstatter zu der Reform“, so Herbrand: „Wir haben viele Jahre dagegen gekämpft, dass sie so ins Gesetzblatt kommt. Aber sie steht leider heute so darin.“

Es wäre die Gelegenheit für eine wirkliche Vereinfachung gewesen. Er verstehe die Kritik seiner Kollegen gut – sowohl als Steuerberater als auch als Abgeordneter.


Im Finanzamt Euskirchen wurden bis Montag 30.700 Grundsteuererklärungen abgegeben. Das sind laut dem Leiter des Amtes, Dr. Martin Goossens, rund 56 Prozent der benötigten Erklärungen. Landesweit seien es 54 Prozent.

Beim Finanzamt Schleiden waren zum gleichen Zeitpunkt 26.500 Erklärungen abgegeben worden, somit etwa 54 Prozent, wie der Leiter Thomas Rixen mitteilte. Die Abgabezahlen hätten sich in den vergangenen Wochen verdreifacht, erklären die beiden Leiter. „Wir merken es ganz deutlich, dass der Grundsteuer-Endspurt begonnen hat“, so Goossens.

Sowohl er als auch Rixen rufen alle Grundstückseigentümer auf, die Grundsteuererklärung abzugeben. Liegt die Erklärung dem Finanzamt nicht bis zum 31. Januar vor, werde die Abgabe gemahnt, heißt es in einer Mitteilung aus beiden Häusern. Wird auch danach keine Erklärung abgegeben, wird das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen schätzen. Zu dem kann ein Verspätungszuschlag, schlimmstenfalls ein Zwangsgeld fällig werden.

Für Rückfragen ist das Finanzamt Euskirchen unter 02251-9821959 (Mo.-Fr., 9 bis 18 Uhr) erreichbar, das Finanzamt Schleiden unter 02444- 851959. Die meisten Anliegen seien telefonisch zu klären.

Bei Fragen zu Elster, etwa zur Registrierung oder zur Zertifikatsdatei, stehen Experten unter 0251-9341954 (Mo.-Do., 8 bis 15.30 Uhr, Fr. 8 bis 15 Uhr) zur Verfügung.

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