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Statistik vorgestelltAnstieg der Kriminalität im Kreis Euskirchen bereitet Sorge

Lesezeit 5 Minuten
Drei Männer wurden bei einem Überfall auf einen Juwelier von einer Überwachungskamera gefilmt.

Der Raubüberfall auf einen Juwelier in Kommern im März gehörte zu den spektakulärsten Fällen im Jahr 2022. Zwei der drei Täter wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Die Kriminalitätsrate im Kreis Euskirchen liegt zwar weiterhin unter dem Landesschnitt, doch die Fallzahlen sind deutlich gestiegen. 

Der traditionelle Satz, wonach es sich im Kreis Euskirchen vergleichsweise sicher leben lasse, kommt Markus Ramers nur schwer über die Lippen. Zwar liege die Kriminalität wie immer unter dem NRW-Landesschnitt, aber die Zahlen für das Jahr 2022, so Ramers als Leiter der Kreispolizeibehörde, böten „viel Schatten, aber auch ein wenig Licht“.

Dass die Fallzahlen steigen würden im Vergleich zu den Corona-Jahren, komme nicht überraschend: Geschlossene Läden, ob wegen Corona oder Flutzerstörung, engten das Betätigungsfeld von Ladendieben gehörig ein. Und der „Nachholbedarf“, so Ulrich Linden, Leiter der Direktion Kriminalität, beschränke sich leider nicht nur auf Karnevalsfreunde.

„Die Entwicklung kommt nicht überraschend“, sagt auch Polizei-Abteilungsleiter Harald Mertens: „Ich befürchte, dass sich da was verfestigt.“ Gesellschaftliche Veränderungen, Gereiztheit und wirtschaftliche Schwierigkeiten täten ihr Übriges. Hinzu komme aber auch eine erfreulich gestiegene Anzeigenbereitschaft, so Linden, etwa durch die Online-Anzeige.

Die Zahl der Fälle ist inzwischen fünfstellig: 10 810, das sind 1206 oder 12,6 Prozent mehr als 2021, 1309 mehr als 2020, aber auch 1476 mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. „Das stellt uns nicht zufrieden“, so Linden.

Häusliche Gewalt

Große Sorge, so Ramers, bereite die Polizei der Anstieg in diesem Bereich: plus 38,2 Prozent im Vergleich zu 2021. Hier hätten sich die Voraussagen der Experten als Folge von Lockdowns leider bestätigt, so Mertens.

Sexualdelikte

„Da haben wir in den vergangenen Jahren immer einen Anstieg gehabt“, so Ramers. Doch die Zahl der Fälle ging 2022 um 14 beziehungsweise 5,5 Prozent auf 242 zurück. Trendwende? Das müssten die kommenden Jahre zeigen, so der Landrat. 37 Fälle von Kindesmissbrauch behandelte die Kreispolizei im Vorjahr, drei und somit 7,5 Prozent weniger als 2021. Die Zahl der Verbreitung von Kinderpornografie sank im selben Zeitraum um 35 Fälle beziehungsweise um 36 Prozent auf 62.

Körperverletzungen

„Konflikte werden öfters mit der Hand gelöst“, stellt Linden fest. Die Konsequenz: Es gab 2022 1296 gemeldete Körperverletzungen, 176 oder 15,7 Prozent mehr als 2021.

Diebstähle

Um 861 stieg die Zahl der Fälle im Vergleich zu 2021 auf 3598 (davon 1577 schwere Diebstähle) – ein Plus von 23,9 Prozent. Immerhin: Der Kreis liege deutlich unter dem Anstieg, den ganz NRW zu verzeichnen habe, betont Linden. Und die Zahl liege auch noch deutlich unter der der Vor-Corona-Jahre.

Aufklärungsquote

54,6 von 100 Fällen wurden im Kreis Euskirchen 2022 aufgeklärt, das ist 2,6 Prozentpunkte über dem NRW-Landesschnitt, aber auf Kreisebene minus drei Prozentpunkte im Vergleich zu 2021. Das hänge auch mit der Art der Fälle zusammen, so Linden – etwa mit der gestiegenen Zahl von Diebstählen, die schwerer aufzuklären seien: „Manches Tötungsdelikt ist leichter aufzuklären als ein kleiner Diebstahl.“

Vermögensdelikte

Die Zahl der Vermögens- und Fälschungsdelikte, die mit 2082 schon 2021 hoch war, stieg nochmals – und zwar auf 2141 um 2,8 Prozent. „Schon in den vergangenen Jahren hat sich Kriminalität häufig ins Netz verlagert“, erläutert Linden. Fälle von Subventionsbetrug im Zusammenhang mit Corona-Hilfen gab es noch drei in 2022, im Jahr zuvor waren es 17 – also 82,4 Prozent mehr. Selbstredend wurden auch kaum noch Impfzertifikate oder ärztliche Gesundheitszeugnisse gefälscht. „Die brauchte ja keiner mehr“, erläutert Linden: „Das ist gut, dass das vorbei ist.“

Ältere Menschen als Opfer

In 36 Fällen wurden 2022 ältere Menschen Opfer von Betrug (etwa „Enkeltrick“), genau so häufig wie 2021. „Da ist jeder Fall tragisch, aber zumindest haben wir keinen Zuwachs“, bilanziert Linden.

Tötungsdelikte

Mit 393 Todesermittlungen hatte es die Polizei im Kreis 2022 zu tun, davon stellte sich aber nur ein Tötungsdelikt heraus – und zwar im Februar in Bad Münstereifel. 2021 prüfte die Behörde bei 372 Todesfällen, ob eine Straftat vorliegen könnte – bei 26 handelte es sich um Hochwassertote.

Die Tatverdächtigen

4401 (Vorjahr 4206, also plus 195) Tatverdächtige wurden 2022 ermittelt, 76 Prozent sind männlich, knapp zehn Prozent begingen ihre Tat unter Alkoholeinwirkung. Etwa 24,1 Prozent der ermittelten Tatverdächtigen hatten keine deutsche Staatsangehörigkeit, das liege weit über deren Anteil innerhalb der Bevölkerung von 7,94 Prozent, so Linden.

Jeder zweite Täter war schon einmal polizeilich in Erscheinung getreten. 60 Prozent der Tatverdächtigen begehen ihre Taten in ihrer Wohnortgemeinde. So ging der Polizei ein Mann ins Netz, der mit einem Partner von April bis August einen Raub und 20 Einbrüche im Bereich Euskirchen begangen haben soll und erst kurz zuvor nach Lommersum gezogen war. Da wohnt er inzwischen aber auch nicht mehr. Er befinde sich nun in Untersuchungshaft und warte auf seinen Prozess, so Linden.

Kinder und Jugendliche

„Jeder fünfte Tatverdächtige ist unter 21“, stellt Landrat Ramers fest. Wie im Land insgesamt ist der Anteil gestiegen, lediglich in der Straßenkriminalität sei deren Anteil gesunken.

Die Zahl der Kinder unter den Tatverdächtigen stieg von 97 in 2020 über 155 in 2021 auf 174 in 2022. Kinder und Jugendliche sind naturgemäß häufig Ersttäter, was wiederum Hoffnung macht: „Wir wissen, dass Fehler machen zum Heranwachsen gehört“, so Linden: „Wenn es dann ein einmaliges Ereignis bleibt, ist es dann ja auch gut.“

Regionale Verteilung

Mehr als zwei Drittel der Straftaten finden im Norden des Kreises statt. 68 Prozent der Fälle verteilen sich auf Euskirchen, Weilerswist, Bad Münstereifel und Zülpich, während 32 Prozent auf Mechernich, Schleiden, Hellenthal, Kall, Blankenheim, Dahlem und Nettersheim entfallen. „Das“, so Linden, „entspricht in etwa auch der Bevölkerungsaufteilung.“

Nach Kommunen geordnet, gab es die meisten Fälle, nämlich 4736, in der Stadt Euskirchen, wo sich 43,8 Prozent aller mutmaßlichen Taten im Jahr 2022 abspielten, gefolgt von Mechernich (1078). Schlusslicht sowohl bei den Einwohner- als auch bei den Fallzahlen ist die Gemeinde Dahlem mit 117 Fällen. Im ländlichen Bereich gebe es weniger Gelegenheiten zu Straftaten, etwa zum Ladendiebstahl, so Linden: „Schleiden hat keinen Kaufhof.“

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