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25 Jahre Donum VitaeZu Beginn im Kreis Euskirchen auf „aggressive Ablehnung“ gestoßen

Lesezeit 6 Minuten
Fatima Collins, Victoria Block und Anke Schamper von der Beratungsstelle Donum Vitae stehen mit der Gründerin des Vereins im Kreis Euskirchen Dr. Marianne Bauerschmitz (2.v.r.) auf dem Balkon des Mechernicher Rathauses.

Freuen sich über 25 Jahre Donum Vitae im Kreis Euskirchen: Fatima Collins (v.l.), Leiterin der Beratungsstelle, Victoria Block, Verwaltungsmitarbeiterin, Dr. Marianne Bauerschmitz, Gründerin des Vereins, und Anke Schamper, Psychologin..

Im Mai 2000 wurde die Beratungsstelle für Schwangere Donum Vitae in Mechernich gegründet. Der Verein ist für Entkriminalisierung von Abtreibungen.

Offiziell beginnt die Geschichte der Frauenberatungsstelle Donum Vitae im Kreis Euskirchen am 3. Mai 2000 mit der Gründungsversammlung. Für Dr. Marianne Bauerschmitz allerdings liegt der Anfang deutlich weiter zurück, und zwar im Jahr 1961.

Die Ärztin, die in ihrem Berufsleben vor allem in einer gynäkologischen Praxis arbeitete, hat den Verein im Kreis Euskirchen gegründet. Anfang der 1960er-Jahre sei sie mitten im Medizinstudium gewesen, berichtet Bauerschmitz bei der Jubiläumsfeier des Vereins im Mechernicher Rathaus. Damals habe sie ihre Famulatur in einem Kölner Krankenhaus absolviert. An einem Nachmittag habe sie eine geschwächte junge Frau in der Klinik aufgenommen, deren Zustand sich zunehmend verschlechterte. Noch in der Nacht sei die Frau verstorben. Todesursache laut Obduktionsbericht: eine illegale Abtreibung.

Illegale Abtreibungen führten zu Komplikationen

1961 stehen Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland unter Strafe. Eine sichere, von Ärzten durchgeführte Abtreibung ist nicht möglich. Betroffene Frauen greifen zu anderen Mitteln, um Schwangerschaften zu beenden. In den 1960er-Jahren habe sie einige Fälle erlebt, in denen Frauen aufgrund der Folgen einer illegalen Abtreibung im Krankenhaus landeten oder verstarben, erinnert sich Bauerschmitz.

In den 1970er-Jahren habe dann der Abtreibungstourismus in die Niederlande begonnen, dort sei die Gesetzeslage liberaler gewesen. Das führte laut Bauerschmitz dazu, dass viele Frauen schon bei dem bloßen Verdacht, schwanger zu sein, nach Holland reisten und einen Abbruch vornehmen ließen. Auch das sei gefährlich gewesen, so Ärztin Bauerschmitz.

Es dauerte noch weitere 20 Jahre, bis auch in Deutschland das Strafgesetzbuch in Bezug auf Abtreibungen liberalisiert wurde. 1995 trat der Paragraf 218a in Kraft, der Abbrüche unter gewissen Voraussetzungen straffrei macht. „Und dann begann der Konflikt mit der katholischen Kirche“, erinnert sich Bauerschmitz.

Katholische Kirche stieg aus Schwangerschaftsberatung aus

Da das neue Gesetz eine Abtreibung straffrei machte, die nach einer Beratung stattfand, beschloss die Deutsche Bischofskonferenz, aus der Schwangerschaftsberatung auszusteigen. Für Marianne Bauerschmitz eine enttäuschende Entscheidung. Gerade auf dem Land seien dadurch viele Beratungsangebote weggebrochen.

Bauerschmitz war mit ihrer Enttäuschung nicht allein: 1999 gründeten katholische Laien in Deutschland den Verein Donum Vitae, um Schwangeren auch weiter ein christliches Beratungsangebot machen zu können. Als man sie im Februar 2000 angesprochen habe, ob sie den Verein im Kreis Euskirchen etablieren wolle, habe sie sich schnell dazu bereiterklärt, so Bauerschmitz. Auch wenn sie von Vereinsgründung keine Ahnung gehabt habe.

Ärztin erfuhrt in Mechernich Unterstützung, aber auch Ablehnung

Doch sie traf auf Unterstützer wie Johannes Ley, der sich mit Vereinen sehr gut ausgekannt habe. Sie habe zahlreiche Gespräche mit Ärzten, Politikern und Verbänden geführt. „Teilweise erfuhr ich vehemente Ablehnung, aber auch unerwartete Zustimmung.“ Einfach sei es definitiv nicht gewesen. „Es war so verletzend, diese aggressive Ablehnung“, sagt die Ärztin. Sie habe feindselige Briefe erhalten und sei auf der Straße zurechtgewiesen worden. Ihre Gegner: konservative und sehr fromme Christen. Entmutigt habe sie das aber nicht, eher enttäuscht. „Ich hab's nicht verstehen können“, sagt sie heute.

Ich glaube, wir würden uns heute anders nennen.
Anke Schamper über den Namen „Geschenk des Lebens“

Donum Vitae ist Lateinisch und bedeutet Geschenk des Lebens. „Ich glaube, wir würden uns heute anders nennen“, sagt Anke Schamper. Sie arbeitet seit 25 Jahren für den Verein, zuerst im Rhein-Erft-Kreis und seit 2019 im Kreis Euskirchen. „Für viele ist das einfach kein Geschenk“, beschreibt sie das Störgefühl bei dem Namen der Beratungsstelle.

Beratungen bleiben auf einem stabilen Niveau

In den 25 Jahren seit der Gründung von Donum Vitae habe sich einiges verändert. Ablehnung erfahre die Beratungsstelle heute nicht mehr. Im Gegenteil – „wir treffen auf viel positive Rückmeldung“. Auch das Aufgabenfeld habe sich weiterentwickelt. Neben Schwangerschaftskonfliktberatungen bietet Donum Vitae auch Sozialberatungen, psychologische Beratung bei einer Kinderwunschbehandlung, Unterstützung von Paaren und Eltern, psychologische Beratung nach einer Fehlgeburt, sexuelle Bildung an Schulen und vieles mehr an.

„Seit geraumer Zeit halten sich die Beratungszahlen auf einem stabilen Niveau“, führt Schamper aus. „Verändert hat sich in den letzten Jahren, dass die Sozialberatungen mehr geworden sind.“ Vor allem rund um finanzielle Unterstützung und wie man Anträge ausfüllt.

Schwangerschaftskonflikte nicht Hauptursache für Beratungsbedarf

Von denen im vergangenen Jahr 386 durchgeführten Beratungen bei Donum Vitae waren laut dem Geschäftsbericht 212 solche allgemeinen Sozialberatungen. Am häufigsten wurde demnach die Information zu öffentlichen und privaten Hilfsfonds angefragt. 174 der durchgeführten Beratungen waren Schwangerschaftskonfliktberatungen. Also solche für Frauen oder Paare, die nicht sicher waren, die ungewollt aufgetretene Schwangerschaft auszutragen.

Der häufigste Grund für eine solche Beratung war eine abgeschlossene Familienplanung. Es kamen also Frauen, die bereits Kinder hatten. Und auch die berufliche Situation spielte für viele Frauen eine erhebliche Rolle, wie dem Geschäftsbericht zu entnehmen ist.

Trotz der christlichen Gründungsgeschichte ist Schamper eines wichtig zu betonen: Die Beratungen erfolgten überkonfessionell, kostenlos und vor allem ergebnisoffen. Es gehe nicht darum, die Frauen zu etwas zu überreden, sondern ihnen psychologische Lebensunterstützung zu bieten. Leider sei Donum Vitae noch viel zu unbekannt.

Das bestätigt auch Fatima Collins, die die Beratungsstelle leitet. Insgesamt sei das gesamte Thema „Schwangerschaftskonflikt“ noch immer ein Tabu-Thema. Viele Frauen seien sich der gesetzlichen Lage in Deutschland überhaupt nicht bewusst, bis sie selbst in eine solche Situation gerieten. Dabei könne eine ungewollte Schwangerschaft im Grunde jede Frau ereilen. „Weil keine Verhütungsmethode zu 100 Prozent sicher ist, außer Sterilisation“, so Collins. Dennoch herrsche nach wie vor viel Unwissenheit. Das will der Verein mit seiner Arbeit ändern und hofft deshalb auf neue Mitglieder und Unterstützer. Die Geschichte von Donum Vitae ist also noch lange nicht zu Ende.


Donum Vitae wünscht sich eine Reform der Paragrafen 218 und 218a

Als Straftat gelten Abtreibungen in Deutschland noch heute (§ 218 StGB). Erfolgen sie auf Wunsch der Schwangeren und unter bestimmten Voraussetzungen, bleiben sie allerdings straffrei (§ 218a StGB). Ende 2024 wurde von mehr als 300 Abgeordneten des Bundestages ein Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser sah vor, dass Abbrüche, die auf Wunsch der Schwangeren innerhalb der ersten 12 Wochen durchgeführt werden, rechtmäßig erlaubt sein sollten. Die Beratungspflicht sollte bestehen bleiben, aber die Wartefrist zwischen Beratung und Abbruch wegfallen. Der Entwurf konnte aber vor den Wahlen im Februar nicht mehr in den Bundestag eingebracht werden.

„Wir bedauern das sehr“, heißt es im Geschäftsbericht von Donum Vitae dazu. Die Entkriminalisierung von ungewollt Schwangeren wäre ein wichtiger Schritt gewesen. Im Gegensatz zu anderen Beratungsstellen befürwortet Donum Vitae die Beratungspflicht. „Weil wir diese Frauen sonst niemals sehen würden“, begründet das Anke Schamper. Auch für Schwangere, die sich klar für einen Abbruch entschieden, könne eine Beratung psychologisch hilfreich sein. Beispielsweise bei möglichen Schuldgefühlen. Es gehe darum, die Frauen aufzufangen. Gezwungen werde aber keine. Wer nicht reden wolle, müsse das auch nicht tun. 


Festakt zum Jubiläum im Mechernicher Rathaus

Gefeiert hat Donum Vitae sein Jubiläum mit einigen Gästen im Rathaus Mechernich. Neben Gründerin Marianne Bauerschmitz gehörten auch Landrat Markus Ramers und Bürgermeister Hans-Peter Schick zu den geladenen Gästen. Sie und alle anderen kamen nicht nur zum Gratulieren, sondern mussten auch bei einem Fachvortrag zum Thema „Sexuelle Bildung“ von Jutta Hupperzt ihre Kenntnisse zu Fragen wie „Wie viel Fassungsvolumen hat ein Kondom?“ oder „Wie lange ist eine Eizelle nach dem Eisprung befruchtbar?“ unter Beweis stellen. Auch Landrat und Bürgermeister konnten da noch etwas lernen.


Die Beratungsstelle hat ihr Büro in Mechernich, Zum Markt 12, Tel. 02443/ 912238. Sie ist unter der Woche ab 8.30 Uhr geöffnet. Der Verein bietet auch eine Onlineberatung an.