Fehlendes PersonalKreis Euskirchen will Pflegekräfte im Ausland anwerben

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Eine Seniorin geht mit ihrem Rollator über den Gang in einer Pflegeeinrichtung.

Dem Fachkräftemangel, etwa im Bereich der Pflege, will der Kreis Euskirchen auch mit innovativen Aktionen begegnen. (Symbolfoto)

Der Kreis Euskirchener Landrat Markus Ramers will 2023 Fokus auf Personal- und Fachkräftemangel legen. Dazu sind verschiedene Aktionen geplant.

Neu ist das Thema wahrlich nicht. Doch es wird sich in den kommenden zehn Jahren noch weiter verschärfen. Gemeint ist der Personal- und Fachkräftemangel. Der nationale Bildungsbericht spricht dazu eine deutliche Sprache: Die Altersgruppe der 15- bis 25-Jährigen deckt gerade einmal 70 Prozent der 55- bis 65-Jährigen ab, die in absehbarer Zeit aus dem Berufsleben ausscheiden.

Daher möchte Landrat Markus Ramers   dieses Jahr den Fokus auf das Thema „Fachkräftemangel“ legen. Und das nicht nur mit Arbeitskreisen und netten Programmen, die schlimmstenfalls im Sande verlaufen, sondern mit konkreten Maßnahmen. Vom Kreis-Euskirchen-Stipendium bis zur Rekrutierung von Pflegekräften im Ausland reicht die Palette der Ideen.

Die Entwicklungsbremse für den Kreis Euskirchen

In allen Bereichen tritt der Fachkräftemangel offen zutage – das macht auch vor der Kreisverwaltung nicht halt. Um die 500 Bewerber seien in der Vergangenheit auf die in der Regel 25 bis 30 Ausbildungsplätze Standard gewesen – derzeit sind es laut Ramers nur noch etwa 200.

Wie sollen wir die Energiewende schaffen ohne Handwerker, die Fotovoltaikanlagen auf dem Dach montieren?
Markus Ramers, Landrat

Für die großen gesellschaftlichen Veränderungen sieht Ramers den Personalmangel als enorme Entwicklungsbremse an: „Wie sollen wir die Energiewende schaffen ohne Handwerker, die Fotovoltaikanlagen auf dem Dach montieren? Wie die Mobilitätswende ohne Busfahrer und Lokführer? Wie sollen wir attraktiver für Touristen werden, wenn die nicht mal was essen oder einen Kaffee trinken können, weil die Gastronomie mangels Personal geschlossen ist?“ Die Liste ließe sich nahezu beliebig erweitern.

Der runde Tisch trifft sich nach Karneval 

Wenn du mal nicht weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis. Ja, auch dem geflügelten Wort folgt Ramers. Nach Karneval kommen die am Arbeitsmarkt Beteiligten – etwa die Kammern, Jobcenter oder Arbeitsagentur – zusammen. Klar ist, dass das Thema auf allen Ebenen, sprich: auch bundes- und landesweit, angegangen werden muss.

Doch die lokalen Protagonisten sollen Probleme und Themen definieren, die exklusiv für den Kreis seien und angegangen werden könnten. Dies soll keine Runde für mit staatstragender Miene vorgetragene Statements sein. „Danach müssen wir schnell ins Handeln kommen“, sagt Ramers.

Die Stipendien für junge Leute aus dem Kreis Euskirchen

Mit dem Handeln will Ramers nicht lange warten. Wenn der Kreistag die Einrichtung von Kreis-Euskirchen-Stipendien genehmigt, kann mit der Festlegung der Richtlinien begonnen werden. Zunächst zwei Stipendien, durch die junge Leute für ein Jahr mit 2000 Euro unterstützt werden, schweben Ramers vor.

Wir wollen damit ein Zeichen für junge Menschen setzen, dass wir ihre Potenziale wahrnehmen.
Markus Ramers, Landrat

Die sollen   für berufliche Bildung und Studium gleichermaßen vergeben werden – jedoch bevorzugt in Zukunftsbranchen und mit der Verpflichtung, zumindest für eine definierte Zeit seinen Arbeitsplatz im Kreis zu haben. Dass eine solche Maßnahme die Misere nicht löst, ist auch Ramers klar, aber: „Wir wollen damit ein Zeichen für junge Menschen setzen, dass wir ihre Potenziale wahrnehmen.“

Die Berufskollegs werden für die nächsten 20 Jahre aufgebaut

Die Kritik daran, dass sich der Wiederaufbau der durch die Flut stark in Mitleidenschaft gezogenen Berufskollegs in Kall und Euskirchen zu lange hinzieht, kontert Ramers damit, dass es nicht nur um eine Sanierung gehe: „Wir bauen zukunftsorientiert für die nächsten 20 Jahre wieder auf.“

Dazu zähle auch die Etablierung weiterer Bildungsgänge. Die Einrichtung der Ausbildung von Fachkräften für Lagerlogistik in Euskirchen sei da nur ein erster Schritt. Eine Expansion sei etwa im Verwaltungs- und im IT-Bereich denkbar, vor allem aber in Ausbildungsgängen im Sozial- und Pflegebereich. Hier soll die Einrichtung eines zweiten Standbeins in Kall geprüft werden.

Die Auspendler werden zum Thema Leben und Arbeiten befragt

42,7 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – 31937 Menschen – fahren gemäß dem Pendleratlas der Arbeitsagentur zur Arbeit in einen anderen Kreis. Dem Phänomen will der Kreis auf den Grund gehen. Eine Online-Befragung zum Thema Arbeiten und Wohnen wird dieses Jahr durchgeführt.

Durch die Analyse sollen Fragen nach harten und weichen Standortfaktoren beantwortet werden. Idealerweise stellt sich dadurch heraus, was es braucht, damit Pendler ihren Arbeitsplatz in den Kreis verlegen. Entsprechende Maßnahmen dazu sind für 2024 vorgesehen.

Die Veranstaltungen können sich auf Branchen oder Gruppen konzentrieren

Ausbildungsmessen, Karrierebörsen und Co. waren vor Corona gang und gäbe und sie sollen nicht im Corona-Loch verschwinden. Neben den größeren, breit aufgestellten Veranstaltungen findet Ramers kleinere Runden, die sich auf einzelne Branchen oder Interessentengruppen konzentrieren, sehr effektiv.

Als Beispiel nennt er etwa ein Bewerberfrühstück, das der Kreis für sein Jugendamt ausgerichtet habe. Es seien zwar nur ein gutes halbes Dutzend Teilnehmer gewesen – die aber sehr interessiert gewesen seien und durch die sich zahlreiche weitere Kontakte und Vernetzungen ergeben haben. Als weitere Beispiele nennt Ramers die Veranstaltung „Wer wird Mamas neuer Chef?“ für Frauen, die wieder in den Beruf einsteigen möchten, oder ein- bis mehrtägige Jobexpeditionen, die in Kooperation mit den (Hoch-)Schulen in Unternehmen im Kreis angeboten werden können.

Die Pflegekräfte sollen auch aus Indonesien kommen

Gerade in der Corona-Zeit ist der Personalmangel in der Pflege krass zutage getreten  – und eine Besserung ist nicht in Sicht. Von 15 Prozent mehr pflegebedürftigen Menschen als dafür vorhandenen Fachkräften spricht Ramers. Sein Schluss ist eindeutig und resultiert auch aus Gesprächen mit Vertretern von Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern: „Ohne ausländische Kräfte wird es nicht gehen.“

Die Koordination der Anwerbung ausländischer Pflegekräfte wird nun der Kreis übernehmen und dabei durch eine Agentur begleitet. Eine auf zunächst drei Jahre angelegte Projektstelle ist geschaffen. Nun werde mit potenziellen Arbeitgebern sondiert, wer mitmachen will und wer wie viele Kräfte benötigt.

Im Osten Europas wird die Agentur laut Ramers nicht auf Personalsuche gehen, sondern außereuropäisch. Als potenzielle Ziele nennt er Indonesien, Südamerika und Indien. Einige Prämissen werden gesetzt: Die neuen Mitarbeitenden müssen recht weit in der Ausbildung sein und durch die Anwerbung darf die Not in ihrem Heimatland nicht vergrößert werden.

Und es geht nicht nur um die Anwerbung im Ausland, sondern auch um Hilfestellungen beim Weg durch den „Dschungel der Bürokratie“ (Ramers) in Deutschland, wenn es etwa um Aufenthaltstitel, Arbeitsgenehmigungen oder Deutschkurse geht. Jedoch macht Ramers keine Hoffnung, dass in wenigen Wochen ein Flieger voller Pflegekräfte für den Kreis landet: „Ein solches Projekt braucht Vorlauf.“ In einem Jahr bis anderthalb Jahren soll es aber soweit sein. Zum Auftakt seien 15 bis 25 Kräfte pro Jahr ins Auge gefasst, die Zahl könne später erhöht werden.


Kreis Euskirchen erhält einen neuen Online-Auftritt 

Neue Homepage, neues Logo – der Kreis Euskirchen erhält einen neuen virtuellen Auftritt. „Wir befinden uns in den finalen Abstimmungen. Mit der Homepage werden wir auch das Logo vorstellen“, sagt Landrat Markus Ramers im Rahmen eines Pressefrühstücks. Seit gut einem halben Jahr sitzen die Techniker und Verantwortlichen der Kreisverwaltung am neuen Internetauftritt.

Geplant ist unter anderem ein neues Serviceportal, in dem alle Dienstleistungen rund um das Kreishaus gebündelt werden. Wie das neue Logo aussehen wird, wollte Ramers nicht verraten. Er ließ aber durchblicken, dass das Kreishaus involviert sein soll.

Die Arbeiten am Bevölkerungsschutz werden fortgesetzt

Auch der Bevölkerungsschutz besitzt weiterhin eine große Priorität. Ramers hatte 2022 das Jahr des Bevölkerungsschutzes ausgerufen. „Natürlich spielt das weiter eine Rolle“, so der Verwaltungschef. In der kommenden Woche werden beispielsweise Starlink-Systeme an die Städte und Gemeinden übergeben, die der Kreis stellvertretend bestellt hatte. Zudem wird daran gearbeitet, dass alle Kommunen im Katastrophenfall mit Sirenen die Bürger warnen können.

Auch Bevölkerungswarnungen und -informationen über Radiosender hat der Kreis in Vorbereitung. Die technischen Grundlagen, um sich etwa aus dem Krisenstab des Kreises ins Programm von Radio Euskirchen zu schalten, werden mit der Installation der Technik in der neuen Leitstelle im Erweiterungsbau der Kreisverwaltung geschaffen. Allerdings kann laut Ramers mit der Installation der Technik erst begonnen werden, wenn der Anbau abgenommen ist.

Der Kreishaus-Anbau soll in diesem Jahr fertig werden

Der ‚Kreishaus-Anbau ‘soll laut Ramers im Sommer fertig sein: „Ziel ist es, bis Ende des Jahres auch mit der Leitelle umgezogen zu sein.“ Nach wie vor werden Disponenten für die Leitstelle, in der künftig im 24-Stunden-Schichtdienst gearbeitet werden soll, gesucht. Der Job des Leitstellendisponenten lässt sich nicht von zu Hause aus machen. Ansonsten ist die Kreisverwaltung laut Ramers seit Corona beim Thema „Mobile Office“ deutlich besser aufgestellt. Laut dem Verwaltungschef gab es vor der Pandemie 47 Homeoffice-Plätze, nun etwa 600. (rha/tom)

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