Feuer gelegtSchleidener (62) wegen versuchter Herbeiführung einer Explosion verurteilt

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Das Foto zeigt Feuerwehrleute, die den Brand mit ihren Strahlrohren bekämpfen.

Bei dem Brand des Wohnhauses in Schleiden-Herhahn waren auch Einsatzkräfte wegen der angebohrten Gasleitung in große Gefahr geraten.

Ein 62-Jähriger musste sich am Donnerstag vor Gericht verantworten, weil er eine Gasleitung anbohrte und vier Feuer legte.

Mit Klebeband bewaffnet ging Paul M. (Name geändert) am 27. März durch sein Haus in Schleiden-Herhahn, um alle Ritzen und Fugen abzukleben, durch die Sauerstoff ins Haus gelangte. Mehrere Rauchmelder montierte der 62-Jährige ab. Die Batterien nahm er raus und legte sie neben die Geräte.

Dann nahm er einen Bohrer, ging in den Keller seines Hauses und bohrte die Gasleitung an – noch vor dem Absperrventil. Er legte Brände an vier Stellen des Hauses und sich selbst anschließend ins Bett, schaute das Zweite Programm und wartete auf seinen Tod durch das Feuer. Dass er sich auf diese Weise umbringen wollte, gab der 62-Jährige, der sich am Donnerstag vor dem Aachener Landgericht verantworten musste, zu.

Angeklagter: Eine Explosion sei nicht geplant gewesen

Dass es zu einer Explosion kommen sollte, habe der Schleidener nicht geplant, sagte sein Anwalt Heinz Willi Junker während der Verhandlung. Ebenso wenig habe der Angeklagte beabsichtigt, Dritten zu schaden. Bei der Rettungsaktion der Feuerwehr verletzte sich jedoch einer der Einsatzkräfte beim Eindringen in das Haus an Glasscherben. Eine weitere Einsatzkraft fiel aufgrund einer Rauchvergiftung in Ohnmacht.

Diese Verletzungen habe der 62-Jährige nicht beabsichtigt, sagte Junker. Der Meinung war auch die Staatsanwältin. Schließlich habe der Angeklagte im Krankenhaus zu seinem Sohn gesagt, die Feuerwehrleute seien zu früh gekommen. Doch habe Paul M. die Gefahren, die mit dem Anbohren einer Gasleitung einhergingen, billigend in Kauf genommen, meinten Richter und Staatsanwaltschaft.

Schleidener hat langjährige Leidensgeschichte hinter sich

Es sei eine Verzweiflungstat gewesen, sagte Junker. Und dass sein Mandant vermindert schuldfähig sei. Dass Paul M. eine langjährige Leidensgeschichte hinter sich habe, und keinen Ausweg aus seiner Misere gesehen habe, bestätigte Gutachterin Annette Rauch.

Der Patient sei sowohl körperlich als auch psychisch in einer schlechten Verfassung, sagte die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Seit vielen Jahren leide der Angeklagte unter Herzerkrankungen, Magengeschwüren, Arthrose, Gicht, Stoffwechselstörungen, Diabetes und einer Spinalkarnalstinose, einer Erkrankung der Lendenwirbel, die den Angeklagten in den Rollstuhl brachte.

62-Jähriger nimmt aktuell 23 verschiedene Medikamente

„Aktuell nimmt er mehr als 23 verschiedene Medikamente“, sagte Rauch. Darunter auch drei Antidepressiva. „Das ist wirklich ungewöhnlich“, urteilte sie. Eine Abwärtsspirale im Privatleben habe die Antidepressiva für Paul M. notwendig gemacht.

Zunächst kam es zu der Diagnose der Lendenwirbelerkrankung. Dann verlor der Angeklagte seinen Job, stritt immer häufiger mit seiner Frau, der er vorwarf, nach der Geburt der Kinder nicht mehr berufstätig gewesen zu sein und auf seine Kosten zu leben. 2015 habe er seine Ehefrau dann „rausgeworfen“. Weil der Angeklagte das Gefühl gehabt habe, seine Frau „nutze ihn aus“.

Angeklagter zog sich sozial zurück und geriet in Streitigkeiten

Es sei es zu einem sozialen Rückzug und ständigen Streitereien gekommen – mit den Nachbarn wie mit der Exfrau. Es ging um Grundstücksfragen an der einen Front, um Unterhaltsfragen an der anderen. Viele der Nachbarschaftsstreitigkeiten gewann der 62-Jährige vor Gericht. Die Unterhaltsklage gegen seine Exfrau verlor er.

Den größten Teil seiner kleinen Rente habe er an seine Exfrau zahlen müssen, kaum etwas sei für ihn selbst geblieben. Das habe den 62-Jährigen mehr und mehr in die Verzweiflung getrieben, sagte Junker. Umso mehr, da das allgegenwärtige Ungerechtigkeitsgefühl in seiner Persönlichkeitsstruktur angelegt sei, ergänzte Rauch. In seiner zehnjährigen Therapiegeschichte seien mehrere Ärzte zu der Diagnose gekommen, der Angeklagte habe eine narzisstische Persönlichkeitsstörung mit querulatorischen Anteilen.

Dass ihm kaum Geld zum Leben blieb, trieb den Angeklagten in die Verzweiflung

„Die biografische Schilderung seines eigenen Lebens ist geprägt von Schuldzuweisungen“, sagte sie. Auch sie habe Paul M. als chronisch gekränkt und verbittert erlebt. Vor diesem Hintergrund, urteilte die Expertin, sei es zum einen denkbar, dass die Denk- und Handlungsspielräume des Angeklagten zur Tatzeit eingeschränkt gewesen seien.

Hinter dem Selbstmordversuch habe eine Ernsthaftigkeit gesteckt. Doch habe es auch eine „aggressive Komponente“ gegeben. Rauch: „Es ging darum, das Haus zu zerstören. Es ging darum, es anderen so richtig zu zeigen.“ Und darum, seiner Exfrau nach seinem Tod nichts zu hinterlassen.

Geständnis wirkt zugunsten des Angeklagten

Vor diesem Hintergrund argumentierte die Staatsanwaltschaft, dass das Geständnis wie auch die verminderte Steuerungsfähigkeit zugunsten des Angeklagten ausgelegt werden müssten. Zu seinem Nachteil wirke die erhebliche Gefährdungslage.

Das Urteil lautete: Freiheitsstrafe von zwei Jahren wegen versuchter Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion. Richter Thomas Birtel sagte: „Der Tat liegt eine persönliche Tragödie zugrunde.“ Und dass ein Suizidversuch ein Indiz sei, dass eine Person eine Situation als aussichtslos wahrnehme, und keine andere Lösung finde.

Doch sprächen die Vorbereitungshandlungen wie etwa das Abmontieren der Rauchmelder gegen den Angeklagten. Die Freiheitsstrafe ist ohne Bewährung. Eine positive soziale Veränderung des Angeklagten halte der Richter nicht für wahrscheinlich. Zumal er sich durch die Tat in einer aussichtsloseren Situation befinde, als zuvor. Die abschließenden Worte von Paul M: „Ich habe einfach rot gesehen.“

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