Ärger über lange Wartezeit auf PV-Einspeisevergütung durch Westnetz. Unternehmen war durch hohe Zahl der Netzanschlussbegehren überfordert.
PhotovoltaikWeilerswister Ehepaar wartet seit zwei Jahren auf Zahlungen für Solarstrom

Sie sind das Warten leid: Die Versuche von Michael und Ulrike Sanders, von Westnetz Auskunft zu erhalten, sind bisher fehlgeschlagen.
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Erst ging alles schnell und reibungslos - dann passierte gar nichts mehr. Die Weilerswister Michael und Ulrike Sanders warten mittlerweile seit mehr als zwei Jahren auf Zahlungen des regionalen Energienetzbetreibers Westnetz. Das Unternehmen ist für den Kreis Euskirchen zuständig. Vertraglich geregelt, stehen den Sanders 7,77 Cent pro Kilowatt zu, die sie ins öffentliche Stromnetz einspeisen (EEG-Vergütung). Nach den Angaben der Eheleute ist Westnetz ihnen mehr als 1500 Euro schuldig.
Mehrfache Nachfragen beim Netzbetreiber per E-Mail oder am Telefon blieben laut dem Ehepaar bisher unbeantwortet. Der Frust bei den Weilerswistern wächst mit der verstrichenen Zeit. „Wir haben mit Anfangsschwierigkeiten gerechnet“, sagt Ulrike Sanders (57): „Aber nicht mit zwei Jahren.“
Fast täglich gibt es Anfragen bei der Verbraucherzentrale in Euskirchen
Was den Sanders passiert, ist laut der Euskirchener Beratungsstelle der NRW-Verbraucherzentrale kein Einzelfall. „Wir haben seit geraumer Zeit eigentlich täglich Anfragen zum Thema Einspeisevergütung durch Westnetz“, stellt Monika Schiffer, die Leiterin der Beratungsstelle, fest. Nach ihrer Einschätzung haben viele Menschen in der Region ihre Immobilien mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Entsprechend häufig gebe es auch Ärger um die EEG-Vergütung.
Eine Pressesprecherin von Westnetz bestätigt diese Annahme: „Tatsächlich kommt es für einige unserer Kundinnen und Kunden bei der Auszahlung der PV-Einspeisevergütung zu längeren Bearbeitungszeiten.“
Lange Wartezeiten durch hohe Zahl der Anträge auf Netzanschluss
Vergleichbare Äußerungen finden sich mittlerweile auch auf der Webseite von Westnetz. Dort führt man die langen Wartezeiten auf ungewöhnlich viele Netzanschlussanfragen zurück. Nach Angaben des Netzbetreibers auf Anfrage dieser Zeitung haben sich die Netzanschlussbegehren in den Jahren 2021 bis 2023 fast vervierfacht: von etwa 30.000 auf 115.000 Anfragen. 2024 sei die Zahl auf 70.000 gesunken.
Auch bei den Anschlussbegehren im Kreis Euskirchen spiegelt sich dieser Verlauf wider: In der Stadt Euskirchen waren es von 2022 bis 2024 gemäß Westnetz 630, 960 und 650 Anfragen. In Weilerswist sind in der Zeit 250, 380 und 230 Anfragen gestellt worden.
Westnetz will die Kapazitäten erhöhen
Zu der Anfragen-Spitze im Jahr 2023 kommt Westnetz zufolge noch eine umfassende Umstellung des Kundensysteme zwecks einer Serviceverbesserung. Angesichts der hohen Bearbeitungszeiten habe man Maßnahmen ergriffen. Interne Kapazitäten sollen erhöht und ein externes Team hinzugezogen worden sein.
Die Aussicht auf einen verbesserten Service kommt sehr spät für die Eheleuten Sanders, zumal auf ihre zahlreichen Anfragen keine Reaktionen erfolgten. Dabei fing das Projekt, Solarstrom einzuspeisen, für die Weilerswister gut an. Sie waren im März 2023 über das Berliner Solarunternehmen EnPal auf ein Förderprogramm für Solarstrom aufmerksam geworden. Der Umweltgedanke hat für das Ehepaar eine wichtige Rolle gespielt. Es folgte ein Vertragsabschluss, der den Sanders am 28. April 2023 zugeschickt wurde, wie ihre Unterlagen belegen.
Alle Kundinnen und Kunden erhalten selbstverständlich die ihnen zustehende Einspeisevergütung.
Acht Wochen nach der anfänglichen Idee sei die Installation der PV-Panels auf dem Dach bereits abgeschlossen gewesen, erinnern sich die beiden. Im Mai 2023 sei die Anlage ans Netz gegangen – 16,4 Kilowatt Peak, 15 Kilowatt Speicher, die Stromdaten jederzeit abrufbar per App.
Der Ärger begann dann mit einem – beziehungsweise keinem – Zähler: Nachdem sie in ihrem Mehrfamilien Haus die Stromzähler zusammengelegt hatten, wurden die restlichen Zähler abgebaut, schildern die Sanders. Der Zähler, den ein von EnPal beauftragter Elektriker abgebaut haben soll, sei aber nicht bei Westnetz angegeben worden. Die Sanders sagen, sie seien im Mai 2023 dazu aufgefordert worden, die Nummer des Zählers an Westnetz zu schicken. Andernfalls sei in Aussicht gestellt worden, dass Westnetz ihre Einspeisung nicht vergüten würde, so Michael Sanders. „Wir sollten das Nachweisen, verwiesen aber auf EnPal“, sagt der 80-Jährige: „Die Unternehmen haben das unter sich geklärt.“

Der Andrang auf private PV-Anlagen war in den letzten Jahren laut Westnetz enorm hoch.
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Nach dieser ersten Irritation traten die Sanders auf der Stelle. Die EEG-Vergütung blieb aus, ihre E-Mails an Westnetz wurden jahrelang nicht beantwortet. Am 12. Februar dieses Jahres kam das Rückschreiben eines Einschreibens zurück – zwar unterschrieben, aber ohne weiteren Kommentar. Michael Sanders: „Ich frage mich manchmal, ob ich existent bin.“ Nur eine vorhandene Kundennummer bei Westnetz spreche dafür.
Auch Telefonanfragen brachten die Eheleute Sanders nicht weiter
Auch Versuche eines persönlicheren Austauschs per Telefon schlugen fehl. „Im Callcenter hängt man fest“, kritisiert Michael Sanders. „Es geht immer an verschiedene Stellen – Trier, Münster, eigentlich sollte Düren zuständig sein“, klagt der ehemalige Berufsschullehrer über fehlende Ansprechpartner. Am Telefon habe man sich auf eine Umstellung der elektronischen Datenverarbeitung berufen und um Geduld gebeten.
Die mehr als zweijährige Dauer für eine solche EDV-Umstellung ist für die Eheleute aber nicht schlüssig. Ulrike Sanders: „Wir sind verärgert und enttäuscht. Man fühlt sich hilflos.“ „Wir sind schon sehr geduldige Leute, aber so langsam schwillt einem der Hals“, fügt ihr Mann an: „Und ich muss dazu sagen, mein Bruder und meine Nichte, die oben in der Wohnung wohnt, sind natürlich auch sehr verärgert.“ Man höre zudem ähnliche Geschichten aus dem Bekanntenkreis.
Förderanreize der Bundesregierung und der Wunsch nach Energie-Autarkie
Trotz ihres Frusts achten die beiden Weilerswister auf einen sachlichen Ton – im E-Mail-Verkehr wie am Telefon. „Derjenige, der da sitzt auf der anderen Seite, der kann nicht dafür. Und das bringt ja nichts, wenn ich da irgendwen zusammenfalte“, erklärt Michael Sanders. Die Wurzel des Problems würde er aber gerne verstehen.
Um Antworten zu erhalten, wandte sich das Ehepaar schließlich an diese Zeitung. Auf die Anfrage der Redaktion reagierte das Unternehmen. Eine Pressesprecherin von Westnetz begründete die langen Bearbeitungszeiten im Kreis Euskirchen mit dem sprunghaften Anstieg an Netzanschlussfragen. Diese gehen laut dem Netzbetreiber auf den starken Ausbau erneuerbarer Energien im privaten Bereich zurück.
Für den gestiegenen Ausbau gab die Pressesprecherin zwei Erklärungen. Erstens: Förderanreize durch gesetzliche Vorgaben – explizit genannt wird das „Osterpaket 2022“ der Bundesregierung. Und zweitens die Reaktion auf den Überfall auf die Ukraine im Jahr 2023. „Der hat bei vielen den Wunsch nach Energie-Autarkie gestärkt.“
Auch die Digitalisierung erschwerte laut Westnetz firmenintern Arbeitsabläufe
Gleichzeitig zu den vielen Anfragen habe Westnetz eine grundlegende Digitalisierung umgesetzt, die kurzfristig die Arbeitsabläufe erschwert habe. Die Pressesprecherin betonte: „Alle Kundinnen und Kunden erhalten selbstverständlich die ihnen zustehende Einspeisevergütung.“ Die dafür vorgesehenen Gelder verwalte man treuhänderisch. Die Ansprüche der Kunden blieben bestehen. Westnetz arbeite unter Hochdruck daran, die Situation so schnell wie möglich zu verbessern.
Ergänzend zu den Angaben der Pressesprecherin finden sich auf der Webseite von Westnetz weiterführende Informationen. Demnach steuert mittlerweile ein Team die Bearbeitung offener Anfragen und Beschwerden. Außerdem werden Einmalzahlungen für Kundinnen und Kunden in Aussicht gestellt, die bislang noch keine Auszahlung erhalten haben.
Wir sind verärgert und enttäuscht. Man fühlt sich hilflos.
Im konkreten Fall der Sanders soll eine IT-Fehlermeldung im Jahr 2023 aufgrund des Bearbeitungsstaus nicht behoben worden sein, erläuterte die Pressesprecherin. Nach der Anfrage dieser Zeitung habe man das Problem aber entdeckt. Die Familie Sanders bitte man um Entschuldigung für die Verzögerungen und die ausbleibenden Zahlungen. „Wir haben nun den Abrechnungsprozess gestartet, und bis Mitte September sollten die Vergütung sowie der Abschlagsplan bei der Familie eingehen“, teilte die Pressesprecherin der Redaktion mit.
Michael und Ulrike Sanders zeigten sich erleichtert über diesen konkreten Hinweis, bleiben aber misstrauisch. Bis jetzt haben sie allerdings noch nichts vom Unternehmen gehört. Michael Sanders findet den Ablauf kurios: „Der Witz ist, dass Westnetz nicht aktiv wird, außer es kommt Druck von außen.“ „Da fühlt man sich schon veralbert“, fügte seine Frau an: „Als Privatmensch hast du keine Chance.“
Bundesnetzagentur hat ein Aufsichtsverfahren eingeleitet
Um sich als Privatperson in Sachen Einspeisevergütung Unterstützung zu holen, kann ein Anruf bei der Euskirchener Beratungsstelle der Verbraucherzentrale NRW hilfreich sein. Deren Leiterin Monika Schiffer sagt: „Selbst, wenn wir keine ausführliche Rechtsberatung zum Thema anbieten, können die Verbraucher und Verbraucherinnen von uns immer einige grundsätzliche Informationen erhalten.“
Sie verweist auch auf die Bundesnetzagentur. Aufgrund der zahlreichen Beschwerden gegen Westnetz habe die Bundesnetzagentur ein Aufsichtsverfahren eingeleitet, so Schiffer: „Viele Verbraucherinnen und Verbraucher schildern, dass sie sich schon sehr lange um die Auszahlung bemühen. Eine gute Kommunikation war mit dem Unternehmen, aus welchen Gründen auch immer, nicht möglich.“
Die Äußerung zu den Problemen sei erst sehr spät erfolgt. „Das hätte besser laufen können“, merkt Schiffer an.
Gemäß der Expertin haben Verbraucher einen Anspruch auf Abrechnung, sofern der Zählerstand bis zum 28. Februar des Folgejahres mitgeteilt wird. Die Rechtslage sei eindeutig: Sollte die Abrechnung ausbleiben, biete sich die Fristsetzung per Einschreiben an, so Schiffer. Danach könne ein Mahnbescheid beantragt werden.
„Da das Unternehmen auf der Homepage angibt, dass das Verfahren beschleunigt worden sei, stellt sich die Frage, ob das aktuell notwendig ist“, gibt Schiffer zu Bedenken. Die Verjährungsfristen sollten allerdings berücksichtigt werden.
Das Ehepaar Sanders hofft auf eine baldige Vergütung. Ulrike Sanders: „Wenn wir zum Jahresende das Geld hätten, wäre es schon mal schön.“
Die Verbraucherzentrale in Euskirchen ist unter Tel. 0 22 51/5 06 45 01 zu erreichen. Informationen gibt es online auf der Seite von Westnetz.