Der Rizin-Bomber von Köln13.000 Menschen hätten sterben können

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SEK Beamten mit Atemschutzmasken und Schutzanzügen steigen in einen Krankenwagen.

  • Es wäre wahrscheinlich einer der schlimmsten Terroranschläge in Europa geworden.
  • Der Tunesier Sief Allah H. und seine zum Islam konvertierte deutsche Frau Yasmin aus Chorweiler sollen einen Anschlag mit Rizin geplant haben.
  • Seit Juni 2019 müssen sich beide vor dem Staatsschutzsenat in Düsseldorf verantworten.

Köln – Wo der Anschlag genau stattfinden sollte, ist nicht klar geworden. Der Mammutprozess zeigt nach 32 Verhandlungstagen aber deutlich: Die Vorbereitungen waren unmittelbar vor dem Ziel. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu dem Fall.

Was hätte passieren können?

Der Sprengsatz alleine hätte durch eine Druckwelle Menschen im Umkreis von mehreren Metern getötet. Durch den Zusatz des biologischen Kampfstoffes Rizin hätten laut Bundeskriminalamt theoretisch 13.000 Menschen getötet werden können. Experten gehen davon aus, dass die tatsächliche Opferzahl deutlicher geringer wäre. Die Sicherheitsbehörden sind sich bei der Anzahl der möglichen Opfer uneins. Der Bundesnachrichtendienst geht eher etwa 100 Opfern aus.

Was ist über den Angeklagten bekannt?

Der Tunesier war den Sicherheitsbehörden schon seit Längerem bekannt und wurde beobachtet. Mehrfach hatte er versucht, sich dem IS in Syrien anzuschließen. Auf seinem Handy haben Ermittler nach dem Zugriff im Juni 2018 Anleitungen zum Bombenbau, Enthauptungsvideos und Anleitungen zum Töten mit dem Messer gefunden. Entsetzliche Tötungsvideos wurden auf dem Handy von Sief Allah H. entdeckt.

Welche Rolle spielt die Ehefrau?

Die Konvertitin hatte ihren Mann auf Facebook kennengelernt. Nachbarn sagten aus, sie haben einen „richtigen Salafisten“ gesucht. Zu ihrem Sohn soll sie einmal auf dem Spielplatz vor dem Haus gesagt haben: „Wenn du mal groß bist, dann wirst auch du ein Attentäter und kannst dich in die Luft sprengen.“

Wann wird das Urteil gesprochen?

Nach aktuellem Stand im März. Eigentlich sollte schon im November das Urteil fallen. Dann hieß es vor Weihnachten, nun ist März anvisiert. Die umfangreiche Beweisaufnahme, immer neue Anträge und erneut geladene Zeugen führten dazu, dass sich der Prozess immer weiter zieht. Plädoyers der Bundesanwaltschaft und Verteidigung werden im Februar erwartet.

Wie verhält sich der Angeklagte im Gerichtssaal?

Sief Allah H. sitzt hinter einer Sicherheitswand und klatscht sich vor dem Beginn des Prozesses mit seinem Anwalt ab. Dabei legen beide ihre Hand auf das Plexiglas. Dann werden einige Wort gewechselt – oftmals in Deutsch. Der Angeklagte verfolgt die Verhandlungen oft regungslos, stöbert in Akten und hört den Dolmetschern über Kopfhörer zu. Sehr aufgeregt zeigte sich der Angeklagte, als seine Ehefrau mitteilte, dass sie die Scheidung einreichen will. Danach wurde der Verhandlungstag abgebrochen, nachdem ein Arzt ihn untersuchte. Am 30. Verhandlungstag zeigte der Angeklagte plötzlich ein rosafarbenes Pappherz und rief „Verzeih mir“. Seit Donnerstag sitzt der Angeklagte regulär im Saal, weil der Vorwurf „Mitglied in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ fallen gelassen wurde.

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Der Angeklagte hält sich einen Aktenordner vor das Gesicht. Der Prozess gegen den mutmaßlichen islamistischen Rizin-Bombenbauer von Köln und seine Ehefrau beginnt in Düsseldorf.

Wie verhält sich die Angeklagte im Gerichtssaal?

Yasmin H. tritt nicht als Konvertitin im Saal auf und kommt nicht verschleiert auf die Anklagebank. Die siebenfache Mutter kommt in normaler westeuropäischer Kleidung. Häufig trägt sie eine rote Bluse und die Haare zum Zopf geflochten. In den ersten Verhandlungstagen wirkte Yasmin unaufgeregt und verfolgte die Verhandlungen ohne große sichtbare Emotion. Dies änderte sich vor Weihnachten, als der Richter deutlich machte, dass er auch davon ausgeht, dass sie an den Planungen und dem Bau der Bombe beteiligt war. Seitdem verfolgt Yasmin den Prozess oft sichtlich erregt und mit errötetem Gesicht und stellt der Anwältin viele Fragen. „Sie merkt offenbar, dass auch ihr eine jahrelange Haftstrafe droht“, sagten Prozessbeobachter.

Wie verhalten sich die Anwälte?

Die Verteidigung von Yasmin H. ist in dem Prozess in den vergangenen Verhandlungstagen eindeutig der aktivere Part. Fast wie eine Löwin kämpft die Anwältin aus Frankfurt um ihre Mandantin und will mit zahlreichen Beweisanträgen Entlastung schaffen. Ob dies gelingt, bleibt fraglich. Viele der Anträge wurden vom Richter abgelehnt. Die Verteidigung des Rizin-Bombers forderte ein neues Gutachten, weil ihr Mandant wegen seiner extremen Radikalisierung und Gewalt in der Jugend vermindert schuldfähig sei.

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Welches Urteil erwartet die Angeklagten?

Richter und Bundesanwaltschaft gehen davon aus, dass beide in unterschiedlichen Formen an den Vorbereitungen für den Anschlag beteiligt gewesen sein sollen. Dem Rizin-Bomber droht eine Strafe von bis zu 15 Jahren Haft, seine Ehefrau dürfte weniger bekommen. Prozessbeobachter gehen von sechs bis acht Jahren aus. Das Urteil fällt das Gericht.

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