KarnevalBei der 1. Damengarde tanzt ein männliches Mariechen

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Köln – Am Ende steht Udo Laurien ohne Hut da, ein kleiner Makel im prächtigen Schlussbild, aber es ist ja nur die Probe. Die Gardistinnen der 1. Damengarde Coeln recken ihre Säbel in die Höhe und bilden einen Halbkreis um das schmucke Tanzpaar. Lauriens Kopfbedeckung ist bei einer schwungvollen Drehung Opfer der Fliehkraft geworden. Schweißtropfen rinnen unter seiner Perücke mit den blonden Zöpfen hervor, mit ausgestrecktem Arm reckt er den Tanzoffizier in die Höhe. Lustig sieht das aus, denn Udo Laurien ist das Mariechen.

Bei der Damengarde ist das karnevalistische Verwirrspiel seit dieser Session komplett. Frauen als schmucke Gardisten in Uniform, das gibt es hier seit drei Jahren. Natürlich ist auch der Tanzoffizier weiblich. „Für mich stand von Beginn an fest, dass wir in jedem Fall ein männliches Mariechen brauchen“, sagt Elena Navarini, die Präsidentin. Nun haben sie Udo Laurien (55) gefunden. Seine kräftigen Waden stecken in dunkelblauen Stiefeln, Größe 44. Er trägt Rock und Rüschenhemd, maßgeschneidert. „Das ist genau mein Ding, Tanzoffizier war ich lange genug“, meint Laurien und lächelt. Das Sessionsmotto scheint wie gemacht für die Damengarde – mehr lässt sich im Karneval kaum aus der Reihe tanzen.

Die Geschlechterrollen sind nicht klar verteilt

Seine Beförderung zum Mariechen begann mit einem Anruf. „Ein Freund fragte, ob ich mir vorstellen könnte, nochmal im Karneval zu tanzen“, erzählt Laurien. Früher hat er insgesamt elf Jahre lang bei den Müllemer Junge, den Höppemötzjer und der Luftflotte getanzt. „Er ist Profi“, urteilt Katja Käding. Sie ist der Tanzoffizier. Zierlich ist ihre Figur, elegant sind die Schritte. Früher hat sie Ballett getanzt. Nun wirbeln sie durch den Pfarrsaal von St. Aposteln. „Damengarde opjepass! Stellt euch auf zum Regimentstanz: Kölsche Mädcher“, ruft die Präsidentin. Dann erklingt Musik vom Band.

Am Rand steht Andrea Schug und schaut kritisch zu. Früher war sie das Mariechen der Roten Funken, jetzt ist sie Tanztrainerin. „Das ist eine Herausforderung, denn die Geschlechterrollen sind hier nicht klar verteilt. Mal übernimmt er den Part der Marie, mal sie“, erklärt Schug. Die Musikauswahl zum Tanz ist klassisch, sie hat Stücke von Willi Ostermann und Karl Berbuer gewählt. „Wir versuchen es so hinzubekommen, dass er nicht zu weiblich und sie nicht zu männlich wirkt“, sagt die Trainerin.

„In den Traditionskorps werden die Mariechen auf Händen getragen – Hier bin ich es“

Männliche Mariechen waren bis zum Zweiten Weltkrieg Alltag im Kölner Karneval. Doch 1935 wiesen die Nazis alle Karnevalsgesellschaften an, bitte „richtige“ Frauen auszuwählen, 1938 gab es in Köln erstmals eine weibliche Jungfrau im Dreigestirn. Die weibliche Jungfrau setzte sich nicht durch – die Mariechen schon. „In den Traditionskorps werden die Mariechen auf Händen getragen – auch im übertragenen Sinn. Hier bin ich es“, sagt Udo Laurien zufrieden.

Die Damengarde hat inzwischen 50 aktive Mitglieder, die Liste der Interessentinnen ist lang, berichtet Navarini. „Aber ich möchte den Verein behutsam aufbauen“, berichtet sie. Sie hatte stets den Traum, Funkin zu werden. Als Frau hatte sie jedoch in keinem Traditionskorps Aussicht auf eine Mitgliedschaft. Das hat sich nun erledigt. Die Damengarde ist inzwischen Stammgast bei Sitzungen der anderen Korps.

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