KindesmisshandlungKölner Kompetenzzentrum untersucht 40 Verdachtsfälle pro Monat

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Haben Ärztinnen oder Ärzte einen Verdacht auf Kindesmisshandlung , können sie sich an die Kölner Experten wenden.

Haben Ärztinnen oder Ärzte einen Verdacht auf Kindesmisshandlung , können sie sich an die Kölner Experten wenden.

Köln – Das Baby ist vier Monate alt. Sein Arm ist dick angeschwollen, seine Eltern bringen es zum Arzt. Das Röntgenbild zeigt: Der Arm ist gebrochen. Ihnen sei nichts aufgefallen, es sei nichts passiert, sagt die Mutter. „Bei Fällen wie diesem, da weiß ich einfach aus meiner Erfahrung, das kann nicht stimmen“, sagt Professor Dr. Sibylle Banaschak. „Den Eltern muss etwas aufgefallen sein. Ein Säugling ist noch nicht mobil, er kann sich nicht selbst verletzen. Solche Kinder dürfen nicht sofort wieder nach Hause.“

Professor Banaschak, Leiterin des landesweiten Kompetenzzentrum Kinderschutz im Gesundheitswesen (KKG), hat seit mehr als 15 Jahren mit Verdachtsfällen von Kindesmisshandlung zu tun. Als Rechtsmedizinerin beurteilt sie auffällige Befunde, vom Hämatom bis zum Knochenbruch. Seit April 2019 ist das KKG mit Sitz an der Uniklinik eine zentrale Anlauf- und Fortbildungsstelle für Ärzte, Hebammen, Psychologen, Physiotherapeuten oder andere Akteuren des Gesundheitswesens. Das Kompetenzzentrum berät sie telefonisch und online bei Verdachtsfällen von Kindesmissbrauch in ganz Nordrhein-Westfalen.

Großes Interesse an Fortbildungen im ganzen Land

„Wir haben im Schnitt zwei Fälle pro Arbeitstag, bei denen wir um eine Einschätzung gebeten werden“, so Banaschak. Das sind rund 40 Fälle pro Monat. Bei 90 Prozent stimmen die Leiterin und ihr Team mit dem Urteil des behandelnden Arztes oder der Klinik überein. „Das heißt aber nicht, dass in allen Fällen auch eine Misshandlung vorliegt“, gibt sie zu bedenke. Oft sind die Fälle nicht eindeutig. Wie der eines Vorschulkindes, dessen Kita das Jugendamt anrief: Das Mädchen hatte ein großes Hämatom nah am Auge. „Die Verletzung passte nicht zu einem Sturz, aber auch nicht unbedingt zu einer Misshandlung“, schildert Professor Banaschak den Fall. „Aber so, wie die Mutter des Mädchens es erklärt hat, konnte es auch nicht passiert sein.“

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Fast 2000 Ärzte und weiteres Klinikpersonal hat Sibylle Banaschak 2019 und 2020 im ganzen Bundesland fortgebildet. Das Interesse sei groß, denn das Land übernimmt die Kosten. Mit 1,9 Millionen Euro wird das KKG vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales für drei Jahre gefördert, zunächst bis März 2022. „Durch die Corona-Pandemie sind 60 geplante Fortbildungen im vergangenen Jahr ausgefallen“, sagt Banaschak, zunehmend wurde jetzt jedoch auf Online-Veranstaltungen umgestellt.

Zahl der Anfragen in der Pandemie nicht gestiegen

Viel genutzt wird neben der telefonischen Beratung auch das Online-Konsil, bei dem die Kinderärzte passwortgeschützt Fotos von Verletzungen und Befunde hochladen können. Die Einschätzung des Falls erfolgt durch die Experten dann als Dreizeiler, eine Art Handlungsempfehlung. „Unsere Arbeit hat sich glücklicherweise rumgesprochen, mittlerweile melden sich sogar Ergotherapeuten bei uns, die einen Verdacht besprechen wollen“, so Banaschak. „Es ist so wichtig, darüber zu sprechen, niemand sollte mit seinem Verdacht alleine bleiben. Zusammen finden wir immer eine Lösung.“

Seit Beginn der Pandemie sei die Zahl der Anfragen nicht gestiegen. Das liege aber zum Teil daran, dass kleinere Verletzungen eher verborgen bleiben, wenn Kitas und Schulen geschlossen sind. „Erst bei größeren Verletzungen – wie einem gebrochenem Arm – können wir Ärzte aufmerksam werden, wenn die Kinder uns vorgestellt werden.“

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