Köln – Er gehörte zu den aufwühlenderen Fällen, um die sich Andre Withalm beim Gefährdungsmeldungs-Sofort-Dienst (GSD) der Stadt Köln kümmern musste. Vor etwa zehn Jahren hatte sich an einem späten Sonntagabend ein Mann gemeldet, der mitbekommen hatte, dass in der Nachbarwohnung zwei Kinder seit zwei Tagen alleine waren.
Als Withalm mit einem Kollegen vor Ort vorbeischaute, fanden sie tatsächlich ein sechsjähriges Mädchen, das an einem Heizkörper befestigt, mit Medikamenten ruhig gestellt und mit den eigenen Fäkalien beschmiert war. Der drei Jahre ältere Bruder war währenddessen alleine im Veedel unterwegs. Der Grund für die Verwahrlosung? Der Mutter, der kurz darauf das Sorgerecht entzogen wurde, war es wichtiger, dem Lieblings-Popstar hinterher zu reisen, statt sich um den Nachwuchs zu kümmern.
48 Fachkräfte im Einsatz
Beschlossen wurde der GSD im März 2008 vom Stadtrat, nachdem der Gesetzgeber den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdungen im Kinder- und Jugendhilfegesetz präzisiert und verstärkt hatte. Vorausgegangen waren dem mehrere Vernachlässigungsfälle mit Todesfolge. Seitdem kümmern sich die heute 48 Fachkräfte rund um die Uhr um sämtliche Meldungen bei Verdacht auf Kindesmisshandlung und Kindesvernachlässigung. Bei akutem Handlungsbedarf wird unmittelbare Hilfestellung geleistet, in ganz dramatischen Fällen, wie in dem eingangs geschilderten, besteht auch die Möglichkeit, ein gefährdetes Kind in Obhut zu nehmen.
Dass Kinder aus der Familie genommen werden müssen, um für deren Wohl sorgen zu können, gehört laut Withalm eher zu der Ausnahme. „Unser Ziel ist es nicht, Familien auseinanderzureißen, sondern zu helfen“, erläutert der Sozialarbeiter. Und auch wenn viele Fälle zunächst einmal „nicht so sehr dramatisch“ seien, ist er sich sicher, dass manche davon es später hätten werden können, wenn der GSD nicht eingegriffen hätte.
GSD mit „Wächterfunnktion“
In diesem Jahr feiert der städtische Dienst, der sich um sämtliche Meldungen bei Verdacht auf Kindesmisshandlung und Kindesvernachlässigung kümmert, zehnjähriges Bestehen. Bevor am 14. Juni im Rautenstrauch-Joest-Museum die Jubiläumsfeier steigt, sprach Oberbürgermeisterin Henriette Reker gestern bereits ihren Dank an die Mitarbeiter aus. „Ich habe allerhöchsten Respekt vor ihrer Arbeit“ .
Klaus-Peter Völlmecke, stellvertretender Leiter des Amtes für Kinder, Jugend und Familie, betonte, der GSD übe eine Art „Wächterfunktion“ aus, die nur durch das Zusammenspiel sämtlicher Akteure und der Gesellschaft funktioniere. Circa 4000 Meldungen gehe man im Jahr nach. Während etwa 30 Prozent von Kitas, Schulen oder Krankenhäusern und rund 20 Prozent von Privatpersonen kämen, würde die Polizei gut 50 Prozent der Fälle melden. In etwa zehn Prozent läge tatsächlich eine akute Gefährdung eines Kindes vor, die ein sofortiges Handeln erfordere. In ebenso vielen Fällen reichen laut Völlmecke leichtere Maßnahmen, und bei rund 20 Prozent benötigten die Eltern „erzieherische Hilfe“. Dies bedeutet zwar, dass in etwa 60 Prozent ein falscher Alarm vorliegt, aber: „Lieber einmal mehr nachschauen als zu wenig.“
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