Kölns Bildungsdezernent im Interview„Es liegen viele Hürden vor uns“

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Robert Voigtsberger 

  • Schulplatzmangel, Sanierungsstau, Zeitnot: Kölns Bildungsdezernent Robert Voigtsberger spricht im Gespräch mit Jens Meifert und Martina Windrath über Pläne und Probleme

Köln – Es müssen Hunderte zusätzliche Plätze für Fünftklässler an Gesamtschulen und Gymnasien geschaffen werden – eine Jahrhundertaufgabe, wie Sie sagen, aber Sie haben nur zweieinhalb Jahre Zeit. Schaffen Sie das?

Die Aufgaben sind unglaublich anspruchsvoll. Aber wir haben klare Vorstellungen, wie wir dem Schulbaunotstand begegnen. Wir haben sozusagen den Berggipfel im Blick und einen klaren Plan, auf welchem Weg wir dorthin kommen. Schulbau hat höchste Priorität in der Stadtverwaltung. Die Planungen und Stärkungspakete (s. Infotext) werden vorangetrieben. Aber es liegen auch noch viele Hürden vor uns.

Wie viel mehr Plätze werden konkret gebraucht?

Wir gehen derzeit davon aus, dass wir zum Schuljahr 2023/24 fünf bis sieben weitere Klassen an Gymnasien benötigen. Wir haben in einer Taskforce unter der Leitung meines Kollegen, Baudezernent Markus Greitemann, in den letzten Wochen Potenziale der Nachverdichtung geprüft, zum Beispiel in Form von Containern auf dem Schulgelände, wie auch Anmietungen im Umfeld von Gymnasien. Und wir werden uns das in einem nächsten Schnitt auch für die Gesamtschulen anschauen.

Die Zeit ist knapp, oder?

Die Planung liegt vor – nun muss die bauliche Umsetzung folgen. Und das muss schnell gehen. Wir sind zuversichtlich, dass mit vereinten Kräften neue Schulen 2024 und 2025 starten können. Uns hat auch bei diesen Planungen geleitet, was ich schon so oft gesagt habe: Es darf bei der Schaffung neuer Plätze keine Denkverbote geben. Dabei sind wir ja auch schon erfolgreich gewesen: So haben wir beispielsweise das angemietete Bürogebäude für das Gymnasium Aachener Straße in Rekordzeit ausgebaut.

Im Interim einrichten müssen sich eine Reihe von Schulen, bis ihr Neubau fertig ist, darunter die Helios-Gesamtschule in angemieteten Büroräumen.

Im Interim einrichten müssen sich eine Reihe von Schulen, bis ihr Neubau fertig ist, darunter die Helios-Gesamtschule in angemieteten Büroräumen.

Gibt es auch keine Denkverbote für eine weitere Nutzung von Interims-Containerbauten im Grünen, für das Dreikönigsgymnasium im Bürgerpark? Werden wir die Interims für ein Jahrzehnt behalten müssen?

Keine Denkverbote bedeutet eine kritische Debatte über Standorte, auch dann, wenn es sich zum Beispiel um Grünflächen handelt wie im Bürgerpark Nord oder Toni-Steingass-Park. Als Schuldezernent muss ich alles daran setzen, dass die Kinder einen Schulplatz bekommen. Dazu gehört, dass wir über längere Nutzungen von Interimsbauten sprechen müssen. Wir thematisieren das natürlich konstruktiv mit den entsprechenden Gremien, wie dem Naturschutzbeirat.

Anfang 2023 geht das Anmeldeverfahren für die fünften Klassen an weiterführenden Schulen wieder über die Bühne – diesmal ohne Mehrfachanmeldungen. Können Sie Eltern mit Blick auf das vergangene Anmelde-Chaos die großen Sorgen bei der Platzvergabe nehmen?

Ich kann die Sorgen der Eltern vor allem teilen. Das ist eine sehr belastende Situation. Mir geht das sehr nahe. Eines möchte ich aber transparent machen: Solange wir nicht eine auskömmliche Anzahl an Schulplätzen haben, wird es immer Unzufriedenheit im Anmeldeverfahren geben und – nachvollziehbar – zu Unmut führen, wenn Eltern ihr Kind nicht an der Wunschschule anmelden können. Durch die Mehrfachanmeldungen wurde das Verfahren enorm unübersichtlich. Wir haben daher frühzeitig das Land um eine Regelung gebeten, durch die Mehrfachanmeldungen nicht mehr zugelassen sind. Die neue Schulministerin Dorothee Feller ist unserem Wunsch gefolgt. Das ist ein wichtiger Erfolg. Dafür habe ich mich bei ihr auch schon persönlich bedankt.

Der Schulbau-Plan

Im Jahr 2025 sollen die Stärkungspakete wirken: Vorgesehen ist, sechs zusätzliche Gymnasien und sechs zusätzliche Gesamtschulen zu errichten. Im Paket findet laut Robert Voigtsberger auch Berücksichtigung, dass mit der Rückkehr zu G9 2026 rund 4300 Kinder ein Jahr länger im Schulsystem bleiben, und gleichzeitig kommen 4600 Kinder neu ins System: „Wir haben nach aktueller Planung insgesamt ein Minus von 680 Plätzen im Jahr 2026. Wir planen schon ein Jahr früher mit der Fertigstellung der Gymnasien. Wir haben schon dieses Jahr diverse Beschlüsse gefasst zu dem Stärkungspaket. So soll das Gymnasium Rondorf Nordwest vorzeitig an den Start gehen, vielleicht gelingt das schon 2024 mit einem Interim.“

Außerdem sind Ausschreibungen für das Gymnasium im Stadtbezirk Porz und das Gymnasium Nippes auf dem Weg gebracht und die Anmietung fürs Gymnasium Innenstadt.

Darüber hinaus sollen bis 2024 vier neue Gesamtschulen auf den Weg gebracht werden; das entspricht 432 zusätzlichen Plätzen.  

Planen Sie Verbesserungen des Vergabeverfahrens?

Wir werden dem Schulausschuss vorschlagen, dass es in Köln auch die Möglichkeit geben soll, neben dem Erstwunsch einen Zweitwunsch zu äußern und auf einen grundsätzlich möglichen Drittwunsch vorerst zu verzichten. Um das Vergabeverfahren zu verbessern, sind wir dabei, das digitale Tool weiterzuentwickeln. Schulsekretariate sollen besonders an Gymnasien personell im Anmeldezeitraum zusätzlich unterstützt werden. Wir gehen davon aus, dass wir durch die Abschaffung der Mehrfachanmeldungen 2023 zügiger durch das Verfahren kommen. Zudem werden wir dem Ausschuss vorschlagen, zunächst beim vorgezogenen Verfahren für Gesamtschulen zu bleiben. Die Direktorenkonferenz der Gymnasien hat den Wunsch, die Anmeldungen für Gymnasien und die anderen weiterführenden Schulen gleichzeitig durchzuführen. Wir hatten bereits intensive Diskussionen und werden den Dialogprozess auf Basis unserer Erfahrungen fortsetzen.

Auch für Grundschulen gibt es großen Handlungsbedarf, die Schülerzahlen steigen, 2026 kommt sukzessive der Rechtsanspruch auf einen Platz im offenen Ganztag.

Auch die Grundschulen hat unsere Schulentwicklungsplanung im Fokus. Wir brauchen mittelfristig rund 30 neue Grundschulen. Der Bedarf muss im Sozialraum gedeckt werden, weil kleinen Kindern keine langen Schulwege zugemutet werden können. Die bundesweite Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Platz im offenen Ganztag an Grundschulen halte ich sowohl gesellschafts- als auch familienpolitisch für richtig. Mit 83 Prozent Versorgungsquote sind wir im landesweiten Vergleich in Köln gar nicht schlecht aufgestellt, müssen aber weitere Plätze schaffen. Besonders Küchenkapazitäten fehlen. Eine Taskforce beschäftigt sich in der Verwaltung auch mit diesem Thema. Bis zum Jahr 2025 können Baumaßnahmen aber nicht abgeschlossen sein.

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Und dann?

Es muss zu Übergangslösungen kommen, zu Kooperationen mit Schulen, Sportvereinen. Vor allem aber muss das Land NRW zügig ein Ausführungsgesetz vorlegen mit Mindeststandards. Wir sind zudem auf finanzielle Unterstützung durch Land und auch Bund angewiesen. Es kann nicht von der Finanzkraft einer einzelnen Kommune abhängig gemacht werden, ob ein quantitativ und qualitativ hochwertiger Ganztag angeboten wird.

Das Gespräch führten Martina Windrath und Jens Meifert

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