Immer neue ProblemeWie die Mülheimer Brücke zum Sorgenkind wurde

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An der Müllheimer Brücke wird noch mindestens bis 2025 saniert. Der Zustand sei maroder, als zu Anfang erkennbar, sagt Amtsleiterin Sonja Rode. Vor allem der Gleiskörper für die KVB und die rechtsrheinische Rampe machen Mehrarbeit.

  • Bei den Renovierungsarbeiten an der Mülheimer Brücke läuft vieles nicht nach Plan.
  • Nicht nur soll die Brücke voraussichtlich drei Jahre später als geplant fertiggestellt werden, auch müssen die Verantwortlichen mit deutlich höheren Kosten rechnen als usprünglich angenommen.
  • Grund dafür sind unter anderem die Überraschungen, die bei den Renovierungsarbeiten zum Vorschein kommen. Wir haben der Baustelle einen Besuch abgestattet.

Köln – Der Betonträger ist kaum noch zu erkennen. Er sieht aus, als sei er aus vermodertem Holz, von dem sich, vollkommen durchnässt, Schichten lösen. Bei genauerem Hinsehen verrät der dünne, verrostete Bewehrungsstahl: Das war einmal Stahlbeton. Und nicht irgendeiner. Als Teil der Mülheimer Brücke, verbaut in der rechtsrheinischen Rampe, hatte er eine tragende Rolle. „Ja, es war wirklich höchste Zeit für die Sanierung der Brücke“, sagt Sonja Rode, Leiterin des Amtes für Brücken, Tunnel und Stadtbahnbau, mit Blick auf den Träger.

Schlechter Zustand

Dass es nicht zum Besten steht um die Rheinquerung, die in Teilen aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts stammt, das wusste die Stadt schon aus ersten Sondierungen. Wie schlecht der Zustand tatsächlich ist, trat für die Verwaltung erst zutage, als sie unter anderem auf diesen Unterzug stieß.

Darum musste das Amt im vergangenen Mai vor dem Verkehrsausschuss einen Offenbarungseid leisten: Wann genau die Sanierung fertig wird? Jedenfalls nicht vor 2025. Und das sind schon drei Jahre mehr als einst geplant.

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Einsatzleiterin Sonja Rode.

Wie viel die Sanierung am Ende kosten wird? Ebenfalls ungewiss. Jedenfalls nicht weniger als 188 Millionen Euro. Und diese Summe basiert schon auf Erhöhungen. Auch jetzt, fünf Monate später, gibt es keine Gewissheit. Denn die Mülheimer Brücke hält weitere Überraschungen bereit, wie die Rundschau bei einer Baustellenbegehung erfahren hat.

Das Sorgenkind

„Die rechtsrheinische Rampe ist unser Sorgenkind“, sagt Amtsleiterin Sonja Rode. „Sehr marode.“ Und damit meint sie beileibe nicht nur den ein oder anderen Träger. Ziel ist es, die komplette Rampe unter fließendem Verkehr neu zu bauen. Einzig der Trog, über den die Stadtbahn die unterirdische Haltestelle Wiener Platz erreicht, bleibt bestehen. Er stammt aus den 1990er Jahren. Der ganze Rest wird mit einem Längsschnitt in zwei Teile geteilt. Während über einen Teil die Autos rollen, wird der andere neu gebaut.

Kritik

Klaus Grewe, renommierter Projektmanager, der unter anderem an Hamburger U-Bahnprojekten und an der Ausrichtung der Olympischen Spiele 2012 in London beteiligt war,  kritisierte in einem Rundschau-Interview die Planung von Großprojekten durch die öffentlichen Hand. Zur Mülheimer Brücke hat er unter anderem gesagt: „Man müsste die Brücke vorher auch mal sperren, um die Schäden genauer zu untersuchen.  Die Planer müssen weit vor Baubeginn an die Substanz ran, Eisenbohrungen machen,sich die Bolzen anschauen – zumindest eine große Anzahl, nicht alle. Danach wissen sie erst, was sie erwartet. Mit diesen Untersuchungen kann man unwahrscheinlich viel ausschließen – nicht alles, aber eben sehr, sehr viel.“

Soweit die Theorie. Doch der alte Boden unter der Rampe ist für den Neubau nicht geeignet. „Wir tauschen den Boden bis zu einer Tiefe von drei Metern komplett aus“, sagt die Amtsleiterin. Und damit ist noch nicht die ganze Tiefe der Probleme ausgelotet. Rund 20 Meter unter dem Boden wurde eine acht Meter dicke Braunkohleschicht entdeckt. In einer Tiefe, in die Pfähle eingebracht werden sollten, um die Last der Rampe ins Erdreich abzuleiten. Die Statiker mussten erneut ran und ausrechnen, wie die Last mit kürzeren Pfählen aufgenommen werden kann.

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Im Großen und Ganzen steht es um die Strombrücke aus den 1950er Jahren besser. Sie bleibt im Kern erhalten, wird saniert und unterhalb mit einem Stahlfachwerk verstärkt. Der erste Arbeitsschritt: Die alte Rostschutzfarbe muss runter. Auf einem Hängegerüst sind damit Arbeiter in hermetisch abgedichteten Bereichen beschäftigt. Die alte Farbe ist bleihaltig. Und dort, wo sie bereits entfernt wurde, tritt ein weiteres Problem zutage: „Bestandsträger, an denen Verstärkungsträger angeschweißt werden sollten, weisen Risse auf“, sagt Rode. Mehr noch: An vielen Stellen sind die Schweißnähte gerissen. „Deren Erneuerung war nicht Bestandteil des Vertrags mit der ausführenden Firma“, so Rode. 200 000 Nieten wurden in der Strombrücke verbaut. Auch die werden alle auf Dauerhaftigkeit getestet.

Fehlplanung entdeckt

Auf die jüngste, wenn auch wohl nicht letzte Überraschung, stießen Rode und ihr Team auf der Strombrücke. Der Unterbau für die Gleise der Stadtbahn. Ursprünglich war der Plan, bei dem Gleiskörper aus den 70er Jahren würden Ausbesserungen reichen. Doch die Konstruktion mit Blechen und Nieten war aus heutiger Sicht wohl eine Fehlplanung. „Die Entwässerung funktioniert nicht.“ Rode zeigt auf einen Auslass, über den das Regenwasser abfließen sollte. Doch es sammelt sich lediglich darin. Das ganze Konstrukt hat zu wenig Neigung. Im stehenden Wasser sind viele Nieten, mit denen die Bleche befestigt wurden, bis zur Unkenntlichkeit weggerostet. „Eine Ausbesserung würde zu kleinteilig werden und wäre nicht ausreichend dauerhaft. Wir steigen nun in die Planung für eine Neukonstruktion ein“, so die Amtsleiterin.

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Linksrheinisch scheint die Welt noch in Ordnung. „Hier sind wir am weitesten“, sagt Rode, unter der Deichbrücke stehend. Auch die Deichbrücke wird in zwei Teilabschnitten abgerissen und neu gebaut. Die Unterstützungsbauwerke für diese Maßnahme stehen schon weitestgehend. Im kommenden Jahr soll der Abriss dieses Brückenabschnitts aus den 1920er-Jahren beginnen.

Nach dem Offenbarungseid im Mai vor dem Verkehrsausschuss wurde Kritik laut an der Vorgehensweise der Stadt bei der Sanierung der Mülheimer Brücke (siehe Kasten). Es sei nicht gründlich genug im Vorfeld sondiert worden. Mit tiefergehenden Voruntersuchungen wäre der wirkliche Zustand der Brücke vorher erkennbar gewesen. „Mir ist in dieser Dimension keine Gesamtinstandsetzung einer denkmalgeschützten Hängebrücke bekannt. Wir lernen daraus für die Sanierungen unserer weiteren Rheinbrücken“, sagt Rode zu der Sanierung der Mülheimer Brücke.

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