Toter Kölner StadtmitarbeiterHätte Kurt Brauns Tod verhindert werden können?

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Der Tatort in Köln-Dünnwald

  • Der Tod des Stadtmitarbeiters Kurt Braun erschütterte im Dezember die ganze Stadt.
  • Seitdem wurden viele Fragen beantwortet.
  • Wir fassen die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Fall zusammen...

Köln – Könnte Kämmereimitarbeiter Kurt Braun noch leben? Und hätte die Staatsanwaltschaft den mutmaßlichen Täter (60) vorher wegen seiner psychischen Probleme einweisen lassen müssen? Das prüft die Behörde jetzt (wir berichteten). Die Fragen und Antworten zu dem Vorfall.

Welcher Zeitraum ist betroffen?

Zwischen dem ersten Angriff des Mannes auf einen städtischen Mitarbeiter am 6. März und dem Tod von Braun am 13. Dezember liegen 283 Tage, mehr als neun Monate (siehe Chronik unten). Trotzdem wurde der psychisch kranke Mann in dieser Zeit nicht auf Antrag der Staatsanwaltschaft von einem Experten untersucht  – obwohl er nach dem Angriff sogar sofort  in eine geschlossene Klinik des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) eingewiesen worden war.

Warum konnte der Mann die Klinik verlassen?

Während der Unterbringung griff er am 23. März eine Pflegerin mit einem Messer an, trotzdem wurde er am 18. April nach den üblichen sechs Wochen entlassen. Zu den Gründen äußerte der LVR sich nicht, er ist an die Schweigepflicht gebunden und verwies an die Staatsanwaltschaft, die wiederum verwies an den LVR. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Ulf Willuhn, sagte aber Richtung LVR: „Somit müssen die dortigen Fachleute, nämlich psychiatrische Mediziner, jedenfalls zum Zeitpunkt der Entlassung davon ausgegangen sein, dass der Mann gegenwärtig nicht mehr gefährlich war. Genau diese mit der Entlassung dort verbundene psychiatrisch-sachverständige Einschätzung hat möglicherweise hier zur Verkennung des akuten Handlungsbedarfs geführt.“ Dagegen spricht, dass der LVR am 25. März gegenüber der Staatsanwaltschaft eine sofortige Unterbringung anregte.

Warum brauchte der Staatsanwalt so lange?

Das lag nicht etwa an zu wenigen Hinweisen und Strafanzeigen – ganz im Gegenteil: Paradoxerweise hat sogar die Vielzahl dafür gesorgt, dass die Staatsanwaltschaft so langsam arbeitete. Das bestätigte Sprecher Willuhn. Sowohl der LVR als auch die Polizei erstatteten Ende März separat Anzeige gegen den Mann. Und zusätzlich zur Anzeige regte der LVR ja eine sofortige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Es gab also drei  ganz konkrete Hinweise, doch die  Verfahren mussten laut Willuhn erstmal zusammengeführt werden. Willuhn sagte über diese drei Monate: „Man kann also sagen, dass die meiste Zeit zwischen Eingang der Anregung und Beginn der Gutachtersuche mit der aktentechnischen Zusammenführung der verschiedenen Vorgänge verbraucht worden ist.“

Warum wurde der Mann nicht untersucht?

Ganz einfach: Der Ende Juni angeschriebene Gutachter antwortete nicht. Trotzdem hörte bei der Staatsanwaltschaft niemand nach, es gab keine Expertise. Laut Willhuhn ist sie eventuell bei der Post verloren gegangen.

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Der Tatort in Köln-Dünnwald.

Welche Rolle spielt der gesetzliche Betreuer?

Möglicherweise hat er die Gefahr unterschätzt. Das lässt eine Aussage der Stadt vermuten. Nachdem der Mann am 18. April entlassen worden war, kontaktierte der sozialpsychiatrische Dienst den Betreuer, um Risiken abzuwägen. Stadtsprecher Alexander Vogel sagte: „Dieses Angebot wurde seitens des Betreuers nicht weiter verfolgt.“ Damit gab die Stadt sich zufrieden, laut Vogel habe der Betreuer gesagt, er melde sich bei Bedarf.

Wie viele Kölner haben gesetzliche Betreuer?

11.889 waren es 2018. Das Kölner Amtsgericht bestellt und überprüft sie. Infrage kommen für eine Betreuung Erwachsene, die „aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr regeln“ können. Der Betreuer übernimmt bestimmte Aufgaben, es sind meist drei Stunden monatlich. Bei Fehlern können Betreuer ausgetauscht werden.

Haben die Behörden nicht miteinander geredet?

Das ist wohl auch Teil der Fehleranalyse. Vogel sagte: „Diese Frage kann ich mit Blick auf die laufenden Ermittlungen derzeit nicht beantworten.“

Hat die Stadt Köln also nichts versäumt?

Sie hat zumindest vor der Tat versäumt, ein zentrales Melderegister einzuführen – wie andere Städte auch. Braun wusste nichts von der Gefahr durch den 60-Jährigen, weil dieser im März einen Kollegen aus einem anderen  Dezernat angegriffen hatte. Doch eine übergeordnete Meldestelle für alle Dezernate gibt es nicht. Bis Ende März soll das Zentralregister  kommen.

Hätte Brauns Tod verhindert werden können?

Willuhn sagte dazu: „Dazu kann man seriös keine Angaben machen, sondern nur spekulieren.“

Und wer ist nun schuld an den Ereignissen?

Fakt ist: Die Staatsanwaltschaft hat das laut eigener Erkenntnis nötige Gutachten nicht eingeholt. Fakt ist:  Der Mann wurde im April aus der LVR-Klinik entlassen, obwohl er in den sechs Wochen vorher drei Menschen angegriffen hatte. Und Fakt ist: Davon wusste Kurt Braun nichts, weil die Stadt kein zentrales Melderegister  hat. Am Dienstag war aus Behördenkreisen zu hören, dass die Schwelle zwischen der Betreuung eines psychisch Kranken und der  Einweisung  eine Lücke im System sein könnte.

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Was sind mögliche Konsequenzen?

Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob es  eigene Versäumnisse gab. Das kann bis zur Entlassung  führen. Nach Rundschau-Informationen soll der Fall  bei der Staatsanwaltschaft am Dienstag für viel Aufsehen gesorgt haben. Am heutigen Mittwoch (15. Januar) beschäftigt sich der Rechtsausschuss des Landtages mit dem Thema.

Wird dem Beschuldigten der Prozess gemacht?

Ja. Dies teilte die Staatsanwaltschaft mit. Dabei gehe es um eine dauerhafte Einweisung in eine Landesklinik. Derzeit ist der Tatverdächtige vorübergehend untergebracht. Einen Termin für die Verhandlung gibt es nicht.

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