Valentinstag-ExtraReinhard und Regine aus Köln und das späte Glück

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Reinhold Vogel und Regine Volmer aus Köln haben nochmal die Liebe gefunden.

Köln – Die zierliche Frau mit den feinen Falten und der stattliche Mann mit den schelmischen Grübchen strahlen. Am Esstisch, vor sich zwei Tassen Kaffee, erzählen Regine Volmer, 79, und Reinhard Vogel, 73, wie sie einander gefunden haben. Vor ungefähr einem Jahr. Vollkommen unerwartet. Und dafür umso beglückender. „Uns verbindet eine tiefe Liebe“, sagt die Frau − und der Mann nickt: „Es hat sich vertieft.“ Was die beiden erleben, ist kein Einzelfall.

Alternsforscher und Psychologe Dr. Uwe Kleinemas von der Universität Bonn hat zur Liebe im Alter geforscht. „Das Suchen nach einer Partnerschaft hört auch im Alter nicht auf. Die Tendenz, sich selbst zurückzustellen und die eigenen Bedürfnisse zu kappen, ist weniger geworden. Folglich fordern immer mehr ältere Menschen für sich das Recht auf Lebensglück ein“, sagt Kleinemas. Längst gibt es eigene Singleportale, die sich an die „Silverager“ richten. Doch so etwas brauchten die Kölner nicht. Sie suchten ja gar nicht.

Liebesgeschichte aus Köln: Mit einer Whatsapp fing alles an

Aber von Anfang an. Ein Rückblick ins Frühjahr 2021. Regine Volmer ist seit dem Krebstod ihres Ehemanns seit 18 Jahren Witwe und ohne Partner. „Ich hatte das Thema für mich abgeschlossen“, sagt sie. Sozial engagiert als Koordinatorin bei „Kölsch Hätz“, singend im Chor, unterstützend in der Kirchengemeinde, unterwegs mit Freunden, Familie und Bekannten – das Leben der energiegeladenen Frau ist ausgefüllt. Sie ist zufrieden. „Nur was ich immer ganz schrecklich fand, war, wenn ich etwas erlebt hatte und dann abends alleine zuhause war und nur mit den Wänden reden konnte“, gibt die ehemalige Buchhalterin zu.

Reinhard Vogel kennt sie flüchtig. Gemeinsam singt man im Chor. Er, ehemals niedergelassener Orthopäde, verliert im Spätsommer 2020 seine Frau an den Krebs. „Wir waren fast 50 Jahre verheiratet“, sagt er. Drei Kinder, sieben Enkel. Eine glückliche Familie, eine erfüllte Ehe.

Regine Volmer weiß von diesem Schicksalsschlag. „Als sein Geburtstag kam, habe ich überlegt, ob ich gratuliere wie im Chor üblich.“ Sie tut es per Whatsapp. Der Nachbar lädt sie ein, mal zum Kaffee zu kommen.

„Gleichklang“ beim Kaffeetrinken

„Dann saßen wir an diesem Tisch ...“ Die beiden wechseln tiefe Blicke, lächeln sich an. Immer noch ein kleines bisschen ungläubig, immer noch beseelt von dem, was ihnen zugestoßen ist. „Schauen Sie sie doch an“, fordert Reinhard Vogel als wolle er sagen: Diese Frau ist nun wirklich ganz besonders.

Besonders war beim gemeinsamen Kaffeetrinken wohl der „Gleichklang“ der Erfahrungen. Etwas, das auch Psychologe Kleinemas als Merkmal von neuen Beziehungen im Alter ausgemacht hat. „Der Gleichklang der Erfahrungen wird wichtiger. Vertrauen erhält einen höheren Stellenwert und den Partnern ist es wichtig, dass sie als Person wahrgenommen werden“, sagt er.

Genau das passiert beim Kaffee-Nachmittag zwischen Regine und Reinhard. Die beiden sprechen über den Verlust der Ehepartner, über Trauer. Dass jemand den eigenen Schmerz, den Verlust und die Gefühle so gut verstehen kann, scheint fast unfassbar. „Das Verständnis füreinander macht unsere Beziehung so wertvoll“, sagt Regine Volmer. „Der Gleichklang ist bei uns auf allen möglichen Ebenen“, ergänzt ihr Partner.

Die Beziehung entwickelt sich schnell. Mit jedem Gespräch, mit jedem gemeinsamen Spaziergang wird sie klarer, fester. „Unsere Bekannten haben sich für uns gefreut. Jeder ist im Bekanntenkreis des anderen gut aufgenommen worden“, sagt Regine. Auch die Familien sind mit der neuen Partnerschaft einverstanden. Als Reinhard seinem Freund, Pater Lukas, gesteht: „Ich hab noch mal ein neues Glück gefunden“, antwortet der hocherfreut: „Et Herrjöttchen meint et joot met dir.“

Späte Liebe: Gelassenheit und Toleranz im Miteinander

Doch wie funktioniert die neue Partnerschaft in späten Jahren? „Jeder hat seine eigenen Bereiche“, ist ein Grundsatz. Wie die Spülmaschine eingeräumt wird, was wohin gehört − da haben Regine und Reinhard ihre festen Vorstellungen und lassen sich die auch gegenseitig. Mit einem Schmunzeln. Mit Gelassenheit und Toleranz. Und: Auf jeden Fall will jeder weiter seine eigene Wohnung halten. Auch wenn sie sehr oft bei ihm ist.

Die eigenen Bedürfnisse kennen und achten beide Partner. „Ab und zu brauche ich meinen freien Tag. Einfach ein Tag nur für mich“, sagt Regine Volmer. Auch ihr Freund hat seine Bereiche − seine kölschen Vorträge, das Golfen. Doch Gemeinsamkeiten überwiegen: „Wir spielen zusammen Doppelkopf, wir waschen Wäsche zusammen, wir genießen das gemeinsame Frühstück, wir reden viel, manchmal bis nachts um zwei oder drei Uhr ...“, zählt Regine auf.

Obwohl Reinhard ein bisschen stolz auf sein selbst gebackenes Brot ist, gibt es zum Frühstück jetzt die Lieblingsbrötchen von der Partnerin – aufbackbare für den Toaster. „Herrlich knusprig“, findet sie. Doch nicht nur beim Start in den Tag stimmt es zwischen dem Paar. Es teilt ähnliche Werte, ist interessiert und kommuniziert viel. „Ich empfinde es als sehr innige Verbundenheit“, sagt Regine Volmer. Auch in die Philharmonie und in die Kirche gehen die beiden gemeinsam. Der Glaube ist beiden wichtig.

Dann vielleicht auch noch mal eine Heirat? Lauthalses Lachen: Auf keinen Fall! „Ich hatte diese eine Ehe. Ich könnte nicht noch eine draufsetzen“, sagt Regine Volmer und fügt hinzu: „Ich glaube, dass wir beide uns die Rosinen rauspicken wollen.“ Reinhard Vogel ergänzt: „Zweisamkeit heißt das Zauberwort, das uns und auch der Seele gut tut.“

„Mit zunehmendem Alter wird es einerseits komplizierter, einen neuen Partner zu finden, weil die Ansprüche die Auswahl verkleinern. Wenn es aber funkt, ist die Wahl schnell getroffen“, hat Alternsforscher Kleinemas herausgefunden.

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