„Das ist Murks“Politiker ärgern sich über neuen Wahlkreisschnitt im Kreis Euskirchen

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Im Kreis Euskirchen gibt es für die Landtagswahl drei Wahlbezirke.

Im Kreis Euskirchen gibt es für die Landtagswahl drei Wahlbezirke.

Kreis Euskirchen – Der Kreis Euskirchen ist zu groß – zumindest, wenn es um die Wahlkreise für die Landtagswahl am 15. Mai geht. 128 Wahlkreise gibt es, die Zahl der Wahlberechtigten pro Wahlkreis liegt laut Innenministerium bei etwa 101.000 Menschen. Im Kreis Euskirchen wird die Zahl der Wahlberechtigten dem Ministerium zufolge höher liegen.

Ein Wahlkreis „Kreis Euskirchen“ sei deshalb nicht möglich. Stattdessen gibt es nun drei – die Kommunen Dahlem, Hellenthal und Schleiden gehören bei der Wahl zu Düren und Weilerswist zum Rhein-Sieg-Kreis.

Kreis Euskirchen: Landrat sieht Aufteilung als Herausforderung für Kandidaten

Der Kreis ist in den vergangenen Jahren für viele Menschen als Heimat attraktiv geworden. Durch den Zuzug aus dem Köln-Bonner Raum konnten Kommunen wie Euskirchen, Mechernich, Nettersheim, Zülpich und Weilerswist neue Baugebiete ausweisen und ihre Einwohnerzahlen steigern. 2015 lebten nach Angaben von IT-NRW 191.000 Menschen im Kreis, in diesem Jahr sind es mehr als 194.000.

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Durch den Zuzug liegt die Abweichung von der Durchschnittsgröße der Wahlkreise nun jedoch über dem gesetzlich erlaubten Wert von maximal 20 Prozent. Für den Wahlkreis 8 Euskirchen I beträgt der Wert laut Innenministerium mehr als 23 Prozent. Entsprechend wurde neu gerechnet.

„Das ist für die Kandidaten eine Herausforderung“, sagt Landrat Markus Ramers: „Entscheidend ist aber, wie es nach der Wahl aussieht und inwiefern sie sich zuständig fühlen für die Kommunen, die nicht zu ihrem Stammwahlbezirk gehören.“ Grundsätzlich sei es „Murks“, dass es nun drei Wahlbezirke im Kreis gebe, so der Landrat.

Thilo Waasem: „Wahlkreisschnitt bildet nicht Lebensrealität der Menschen ab“

„Den Wahlkreisschnitt finde ich unglücklich. Er bildet nicht die Lebensrealität der Menschen und das Zusammengehörigkeitsgefühl ab“, sagt Thilo Waasem, Landtagskandidat der SPD. Dass Weilerswist dem Rhein-Sieg-Kreis zugeordnet worden sei nicht nur ärgerlich, sondern auch unnötig. „Die Toleranzwerte hätten auch mit Weilerswist eingehalten werden können“, so Waasem.

Seine Parteifreundin, Anna Peters, die für die Sozialdemokraten im Wahlkreis 27 (Rhein-Sieg-Kreis III/Euskirchen III) antritt, empfindet Weilerswist nicht als „Anhängsel“. „Alle fünf Kommunen liegen mir am Herzen. Das ist auch eine Chance, die interkommunale Zusammenarbeit sogar über Kreisgrenzen hinaus auszubauen“, sagt Peters.

Auch Jörn Freynick, Kandidat der FDP im Rhein-Sieg-Kreis, ist zufrieden. „Ich bin in Bornheim-Hemmerich aufgewachsen, da hat man automatisch Beziehungen nach Metternich“, sagt der Liberale schmunzelnd. Technisch sei die Neueinteilung für die FDP ungewohnt gewesen. „Die Zusammenarbeit der beiden beteiligten Kreisverbände Euskirchen und Rhein-Sieg ist dadurch ganz neu aufgestellt worden. Wir lernen gegenseitig voneinander, haben aber schnell festgestellt, dass wir ähnliche Herausforderungen haben“, so Freynick.

Dr. Ralf Nolten hält jetzige Lösung für die beste

Dr. Ralf Nolten (CDU) ist bis zum 15. Mai politisch noch für Kall zuständig. Aktuell macht dort aber schon sein Parteifreund Klaus Voussem Wahlkampf, da Kall nun wieder zum Wahlkreis 8/Euskirchen I gehört. Für beide Christdemokraten ist das kein Problem. Wahlkreiseinteilungen erfolgen laut Nolten entlang von Vorgaben hinsichtlich der Größe und mit Blick auf naturräumliche, wirtschaftliche oder infrastrukturelle Abgrenzungen. Der Wahlkreis bekomme nun formal wieder den Zuschnitt, den er von 2005 bis 2017 gehabt hat.

„Ich bin gerne in Kall unterwegs gewesen und werde auch in Dahlem gerne auf die Menschen zugehen“, sagt Nolten: „Ich werde in allen Kommunen ohne Ansehen der Kreisgrenzen Wahlkampf machen, habe jetzt schon in allen Städten und Gemeinden an den Haustüren geklingelt und werde das auch noch in den nächsten Wochen tun.“ Gleiches gelte für die Wahlkampfstände. In Düren habe er zwar sein Wahlkreisbüro, in den drei Euskirchener Kommunen habe er aber in den vergangenen fünf Jahren regelmäßig Bürgersprechstunden in den Rathäusern angeboten.

Wahlkreisänderung wurde rückgängig gemacht

Die Änderung, mit der 2015 Dahlem dem Wahlkreis 8 und Kall dem Wahlkreis 12 zugeschlagen worden war, ist rückgängig gemacht worden. Der Grund: Die Zahl der Wahlberechtigten soll in allen Wahlkreisen ähnlich hoch sein. Laut Innenministerium lag der Durchschnitt in den 128 Wahlkreisen bei 121.981 Einwohnern, die Abweichung soll bei nicht mehr als etwa 20 Prozent liegen.

Die Zahl der Wahlberechtigten pro Wahlkreis liegt bei etwa 101.000. Der Kreis Euskirchen liegt laut Ministerium darüber, sodass ein einzelner Wahlkreis „Kreis Euskirchen“ nicht gebildet werden könne. Die Einteilung der 128 Landeswahlkreise erfolgte zuletzt durch die Änderung des Landeswahlgesetzes durch den Landtag am 9. und 16. Februar 2021. (tom)

Die jetzige Lösung sei die beste, da sie mit ihren geringen Abweichungen vom Mittelwert zudem langfristige Planungssicherheit gebe. Klaus Voussem ergänzt: „Wir haben schon in der vergangenen Legislaturperiode erfolgreich in Kall Wahlkampf gemacht. In den vergangenen Wochen habe ich bei meinen Hausbesuchen in der Gemeinde Kall viele gute Gespräche geführt und viele Menschen kennengelernt.“

Für die Wähler sei es es sicher einfacher, wenn der Kreis Euskirchen ein Wahlkreis wäre. „Das würde auch das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. Um das zu erreichen, müsste aber die Einwohnerzahl entweder dramatisch sinken – was ich keinesfalls hoffe – oder es eine große Wahlkreisreform geben, die die 128 Wahlkreise reduziert“, sagt der Euskirchener. Daher gelte nach wie vor: Jede Stimme zählt gleich und jedes Mitglied des Landtags soll annähernd die gleiche Anzahl an Bürgerinnen und Bürgern repräsentieren. Aktuell sei sein Wahlkreis immer noch überproportional groß.

Kandidatin aus Düren ist auf Bus und Bahn angewiesen

Und wie plant man einen Wahlkampf für eine Kandidatin, die eigentlich im Kreis Düren zu Hause ist, in der Eifel nun aber auf Stimmenfang gehen muss? „Generell versuchen wir, Termine in jedem Ortsverband zu machen“, sagt Mona Noé von den Grünen. Die junge Schleidenerin organisiert den Wahlkampf für Isabel Elsner und Dr. Thomas Keßeler.

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Elsner habe von Beginn an großen Wert darauf gelegt, nach Schleiden, Hellenthal und Dahlem zu kommen. Dabei kommt aber erschwerend hinzu, dass die 26-Jährige Dürenerin auf Bus- und Bahn angewiesen ist. „Das macht den Wahlkampf mitunter problematisch“, sagt Noé. Teilweise habe sie Anfangswege von bis zu drei Stunden mit unzähligen Umstiegen. Das führe schon mal zu ungewollten Verspätungen – trotz Puffer.

Doch Elsner macht das Beste aus der Situation. „Ich will zeigen, dass die Strecken, die ich im Wahlkampf zurücklege, mit dem ÖPNV machbar sind, aber im realen Leben unrealistisch sind. Ich brauche drei Stunden mit Bus und Bahn für eine Strecke, die mit dem Auto maximal eine Stunde dauert. Das kann man niemanden ernsthaft zumuten“, sagt Elsner.

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