Gerichtsverfügung zum Windpark Dahlem IVErhöhtes Tötungsrisiko für den Rotmilan?

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Die Bauarbeiten im Windpark Dahlem IV können zwar weitergehen, doch drehen dürfen sich die Rotoren nicht. Dabei ist die im Hintergrund zu sehende Anlage schon ans Netz angebunden, sie darf jedoch keinen Strom einspeisen.

  • Die Diskussionen um den Windpark Dahlem IV halten an.
  • Nach einem ersten Baustopp von 32 Monaten bis Anfang März dieses Jahres verzögert sich die Inbetriebnahme der Windräder von Dahlem IV nun aufgrund einer Gerichtsverfügung erneut.
  • Das sorgt für Freude – und für Verwunderung...

Dahlem – Windpark Dahlem IV – die nächste Runde: Mit einer Zwischenverfügung hat das Verwaltungsgericht Aachen – wie berichtet – am Freitag die Inbetriebnahme von drei neuen Windkraftanlagen im Wald zwischen Schmidtheim und Baasem gestoppt. Mit der Entscheidung, so teilte das Gericht mit, soll verhindert werden, dass vor einer Entscheidung über die Klage des Umweltverbands Naturschutzinitiative (NI) Tatsachen geschaffen werden. Die Naturschutzverbände sehen in dieser Entscheidung einen „großen Zwischenerfolg“.

Nach einem ersten Baustopp von 32 Monaten bis Anfang März dieses Jahres verzögert sich die Inbetriebnahme der Windräder von Dahlem IV nun erneut. „Es besteht während der im Eilverfahren erforderlichen Überprüfung der vorgelegten Unterlagen die Gefahr, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden und möglicherweise ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für den Rotmilan besteht“, heißt es vom Verwaltungsgericht Aachen (Aktenzeichen: 6L327/20).

Der Kreis Euskirchen

Bei der Kreisverwaltung Euskirchen, gegen deren zweite Baugenehmigung die Naturschutzverbände klagen, sieht man die Zwischenverfügung betont entspannt. Ein solcher „Hängebeschluss“, so ein Pressesprecher auf Anfrage, sei im Eilverfahren eine übliche Maßnahme.

Angesichts des Umfangs der Verwaltungsvorgänge einschließlich der Gutachten und der fachbehördlichen Stellungnahmen sei das auch „nachvollziehbar“.

Zugleich weist die Kreisverwaltung den Vorwurf zurück, man habe mit der erneuten Baugenehmigung von Dahlem IV voreilig gehandelt – eine erste Genehmigung wurde 2018 vom Verwaltungsgericht Aachen gestoppt. Die Prüfung einer Berufungsverhandlung beim Oberverwaltungsgericht Münster ist noch nicht entschieden (Aktenzeichen 8A4752/18). (sli)

Dort ist bei der 6. Kammer eine Klage seitens der NI anhängig, die der Ansicht ist, dass auch die zweite Baugenehmigung für den Windpark vom Kreis Euskirchen nicht hätte erteilt werden dürfen. Es wird speziell auf den Schutz von in einem Umkreis von rund 780 bis 1010 Metern Entfernung zu den Rotoren brütenden Rotmilanpaar hingewiesen. Rotmilane, die im Radius von 1000 Metern zu einer Windkraftanlage brüten, sind laut entsprechenden Vorgaben in NRW einem erhöhten Tötungsrisiko durch Kollision ausgesetzt. Windkraftanlagen dürfen daher in diesem Umkreis nicht betrieben werden. Darüber, ob diese Annahme auch im Fall der neuen, bis zu 206,95 Meter hohen Anlagen von Dahlem IV zutrifft, entscheidet das Verwaltungsgericht. Und dafür braucht es Zeit – offenbar auch, weil seitens der Kläger weitere ergänzende Studien vorgelegt worden sind. Für die Kammer steht nun die Sichtung und Bewertung der Expertisen verschiedener sachverständiger Stellen an.

„Die Gefahr besteht doch vor allen Dingen für die mit der Brut befassten Elterntiere. Wenn die getötet werden, ist der ganze Bestand weg“, so Alfred Glener, Mitglied des Vorstands des Nabu im Kreis Euskirchen, der sich der NI-Klage ebenso wie die Deutsche Wildtier-Stiftung angeschlossen hat. Glener sieht die erteilte Zwischenverfügung als „Riesenzwischenerfolg“.

OVG Münster

Dahlem IV beschäftigt auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster. Dort ist die Prüfung der Zulassung einer Berufung im Verfahren um die erste Baugenehmigung anhängig – während sich das Gericht in Aachen bereits mit der zweiten beschäftigt. Der Senat, so eine Sprecherin in Münster, habe bei der Genehmigungsbehörde in Euskirchen angefragt, wie man sich das vorstelle, wie man als OVG jetzt vorgehen solle.

Da der Bau der drei Anlagen weit gediehen ist – eine ist betriebsbereit, eine zweite wird derzeit verkabelt, der Bau des Turms einer dritten ist in vollem Gange – musste der Betreiber, die Firma Duno Air aus dem niederrheinischen Rees, den Inbetriebnahmestopp kassieren. Über die Verschiebung der Energieeinspeisung aus der ersten Anlage ins Netz ist Duno-Air-Geschäftsführer Thilo Wemmer-Geist auf Anfrage alles andere als erfreut. Seit 2015 habe man im Wald um das Projektgebiet Untersuchungen zu den verschiedenen Arten durchgeführt, speziell zu Rotmilan und Schwarzstorch: „Es gibt wahrscheinlich wenige Bereiche in NRW, die zum Thema Artenschutz so intensiv untersucht wurden.“

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Der „Leitfaden NRW“ fordere eine Raumnutzungsanalyse für ein Jahr, man habe also das Dreifache dokumentiert und entsprechende Verhaltensmuster der Tiere abgeleitet. Aus seiner Sicht, so Wemmer-Geist, „konnte dem Rotmilan kein erhöhtes Tötungsrisiko bescheinigt werden“. Ergänzende Gutachten des Naturschutzverbands, die dem Verwaltungsgericht mit der Klage gegen die zweite Baugenehmigung vorgelegt wurden, bezeichnet Wemmer-Geist als „vermeintliche Untersuchungen von Hobby-Ornithologen“. Die Zwischenverfügung sei „in der Tat verwunderlich“. Deutlicher wird er bei der Frage nach den durch den Bau und die Verzögerungen entstandenen Kosten für Dahlem IV: „Die belaufen sich zwischenzeitlich auf einen zweistelligen Millionenbetrag.“ Zugleich macht Wemmer-Geist deutlich, was er vom derzeitigen Verfahren hält: „Wenn selbst die hier durchgeführten Untersuchungen nicht mehr ausreichen sollen, dann kann an keiner Stelle in Deutschland mehr ein Windenergieprojekt realisiert werden.“

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