„Pietätlos und bürgerfeindlich“Euskirchener beklagt Vorkasse für Grabmalbetreuung

Lesezeit 6 Minuten
Der Euskirchener Rudi Esch beklagt, dass er die Abräumgebühr zahlen muss, die eigentlich frühestens 25 Jahre später fällig wird.

Der Euskirchener Rudi Esch beklagt, dass er die Abräumgebühr zahlen muss, die eigentlich frühestens 25 Jahre später fällig wird.

Euskirchen – Rudi Esch ist der Ärger deutlich anzumerken, er spricht von einer „Unverschämtheit“. Am 10. August war seine Ehefrau gestorben, gut sechs Wochen später erhielt er von der Stadt Euskirchen einen Gebührenbescheid. Die Verwaltung listete darin zum einen die Grabmalgenehmigung auf, 115 Euro, zum anderen die Abräumkosten für die Einebnung der Grabstätte. Sie belaufen sich inklusive Umsatzsteuer (19 Prozent) auf 821,10 Euro.

„Das Grabdenkmal ist noch nicht einmal erstellt und schon verlangen Sie mehr als 800 Euro für die Entfernung“, hat Esch in einem Beschwerdebrief an Bürgermeister Sacha Reichelt geschrieben. „Man ist in Schmerz und Trauer, und dann erhält man ein solches Schreiben. Das ist pietätlos und bürgerfeindlich“, sagt der 77-Jährige im Gespräch mit dieser Zeitung.

Verwaltung lehnt Widerspruch ab

An das neue Stadtoberhaupt wandte er sich, nachdem die Verwaltung seinen Widerspruch gegen den Gebührenbescheid abgelehnt hatte. Sie verwies auf den entsprechenden Paragrafen in der Friedhofsgebührensatzung. Darin ist festgelegt, dass die Stadt Gebühren für den Abbau und die Entsorgung von Grabmalen „bereits nach deren Aufstellung“ erhebt.

Gezahlt wird, wenn die Leistung erbracht ist

Im Kreis verfahren die Kommunen anders als die Stadt Euskirchen. Die Gebühren fallen erst dann an, wenn das Grab abgeräumt wird – und die Kosten sind geringer als die in Euskirchen. Zudem bieten zahlreiche Kommunen ihren Bürgern die Möglichkeit, die Gräber selbst abzuräumen.

In Bad Münstereifel ist es laut Stadtsprecherin Marita Hochgürtel üblich, dass Hinterbliebene die Arbeit selbst übernehmen oder eine Fachfirma beauftragen. Geschieht dies nicht, lässt die Stadt das Grab räumen und stellt die Kosten den Angehörigen in Rechnung: für ein Einzelgrab 190, für ein Doppelgrab 249 Euro. „Bei den Ermittlungen der Hinterbliebenen haben wir bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht“, sagt Hochgürtel.

In Blankenheim haben sich die Bürger selbst ums Abräumen der Grabstätten zu kümmern. Nach Ablauf der Ruhezeit haben sie drei Monate Zeit, dies zu erledigen oder eine Firma mit den Arbeiten zu beauftragen. Geschieht das nicht, ist die Gemeinde berechtigt, die Grabstätte kostenpflichtig abräumen zu lassen.

In Dahlem können die Bürger wählen: Entweder sie beseitigen das Grab selbst oder der Bauhof übernimmt. Erwin Bungartz, Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters, berichtet, dass der Bauhof oft dann aktiv wird, wenn die Entfernung des Fundaments, das bei großen Gräbern bis zu zwei Tonnen schwer sein kann, den Bürgern nicht möglich ist. Die Arbeit des Bauhofs kostet laut Bungartz etwa 150 bis maximal 400 Euro, je nach Grab-Größe.

In Hellenthal und Kall fallen die Kosten für die Einebnung erst dann an, wenn die Ruhezeit beendet ist und die Grabstätte tatsächlich beseitigt wird. In Hellenthal kostet dies 250 Euro für ein Urnen-, 300 für ein Einzel- und 400 Euro für ein Doppelgrab. Die Kaller berechnen zwischen 120 Euro für ein Einzelurnengrab und 360 Euro, wenn eine Doppelgrabstätte in Handarbeit beseitigt werden muss.

In Mechernich wundert sich Christian Habrich von der städtischen Friedhofsverwaltung über das Verfahren in Euskirchen. In Mechernich sei es üblich, dass das Abräumen und Einebnen des Grabs nach Ablauf der Ruhezeit von 30 Jahren von den Angehörigen organisiert werde. Städtische Gebühren fielen nicht an. Sind keine Angehörigen zu ermitteln, räume die Stadt das Grab ab. Die Kosten dafür seien in den allgemeinen Gebühren eingerechnet, so Habrich. Wird ein Grab vor Ablauf der 30 Jahre abgeräumt, fällt eine städtische Gebühr von 65 Euro pro früher abgeräumtem Jahr an.

In Nettersheim ist keine Gebühr fürs Einebnen festgelegt. „Bei uns machen das die Bürger zu mehr als 99 Prozent selbst“, so Bürgermeister Norbert Crump. Nur in den Fällen, in denen kein Angehöriger mehr zu ermitteln sei, kümmere sich der Bauhof um die Einebnung.

In Schleiden werden die Gebühren nach dem Einebnen der Grabstellen erhoben. Die Beseitigung einer Einzelgrabstätte kostet 297,50 Euro, die eines Doppelgrabs 391,51 Euro.

Weilerswist stellt für die Einebnung eines Doppelgrabs 310 Euro in Rechnung. Auch hier gilt, dass zuerst die Angehörigen gefragt werden, ob sie das Abräumen übernehmen oder damit einen Steinmetz beauftragen möchten, wie Pressesprecherin Claudia Roberz erklärt. „Wenn sich keine Hinterbliebenen mehr ermitteln lassen, muss die Gemeinde die Kosten tragen“, fügt sie hinzu.

In Zülpich kontaktiert die Stadtverwaltung vor Ablauf der Grabnutzungsdauer die Hinterbliebenen, ob sie das Abräumen übernehmen. Tritt die Stadt in Aktion, kostet dies 250 Euro (Einzelgrab) beziehungsweise 330 Euro (Doppelgrab), so Sprecher Torsten Beulen: „Sind keine Angehörige ausfindig zu machen, bleibt die Stadt auf den Kosten sitzen.“ (ejb, wki, jre, rha)

Besagte Gebühr wird für ein Doppelgrab fällig, an dem die Eheleute Esch ein Nutzungsrecht über 25 Jahre erworben haben. Die Stadt macht je Grabstelle 345 Euro geltend, macht zusammen 690 Euro. Hinzu kommt die Umsatzsteuer. „Angenommen, ich stürbe noch in diesem Jahr, würden die Abräumkosten 2045 anfallen“, sagt Esch. „Wenn ich noch zehn Jahre lebe, ebnet die Stadt das Grab im Jahr 2055 ein. Zahlen muss ich aber schon jetzt. So etwas darf doch nicht sein.“

2003 vom Stadtrat beschlossen

Stadtkämmerer Klaus Schmitz erklärte auf Anfrage, die antizipierte, also vorweggenommene Gebühr sei vom Rat 2003 beschlossen worden. „Damals verstärkte sich die Tendenz, dass es für uns schwieriger wird, Hinterbliebene ausfindig zu machen, die ein Grabmal abräumen, wenn das Nutzungsrecht abgelaufen ist.“ Gelinge dies nicht, müsse die Stadt die Einebnung übernehmen. Damit die Kosten, die auf diese Weise entstehen, nicht zulasten der Allgemeinheit gehen, wurde die Gebührensatzung geändert, wie Schmitz sagte.

Dass die Stadt neben der Abräumgebühr auch noch Umsatzsteuer erhebt, ist nach Angaben des Kämmerers gesetzlich vorgeschrieben: „Nach dem Steuerrecht werden wir in diesem Fall so behandelt wie jeder andere Unternehmer.“

Angehörige könnten Gräber auch selbst abräumen

Schmitz legt großen Wert auf die Feststellung, dass Hinterbliebene das Abräumen des Grabes auch selbst übernehmen können: „Wenn es dazu kommt, zahlen wir die Gebühr zurück.“ Dass die Stadt Euskirchen in ihrem Gebührenbescheid auf diese Möglichkeit nicht hinweist, sei ein Mangel, der behoben werden müsse, räumt der Kämmerer jedoch ein.

Das könnte Sie auch interessieren:

Er erzählte auch von Angehörigen, die die antizipierte Gebühr für sinnvoll halten. „Dann brauchen wir uns später um nichts mehr zu kümmern“, laute ihre Argumentation. Rudi Esch sieht die Angelegenheit mit anderen Augen. „Ich kenne Leute mit kleiner Rente, die jahrelang sparen, damit sie ihre Beerdigung bezahlen können. Wenn sie dann noch über 800 Euro extra zahlen müssen, ist das sehr bitter.“

„Viele waren entsetzt über die Höhe“

In den vergangenen Wochen, so Esch weiter, habe er mit vielen Leuten über die Praxis der Stadt Euskirchen gesprochen: „Keinem waren die Gebühr und der Zahlungszeitpunkt bekannt. Viele waren entsetzt über die Höhe.“ Selbst Mitglieder des Stadtrates, so der Euskirchener weiter, hätten zugegeben, dass sie von dem Verfahren nichts wüssten.

In seinem Brief an Bürgermeister Reichelt erinnert Esch an dessen Wahlkampfversprechen: „Sie geben sich bürgernah und bürgerfreundlich, so ist dies eine gute Gelegenheit, die Friedhofssatzung neu zu überdenken und zu ändern.“

Rundschau abonnieren