Coronavirus-EpidemieStoppschild an der Praxistür – Arzt berät per Telefon

Lesezeit 5 Minuten
Große Zettel und Schilder an der Tür zur Gemeinschaftspraxis von Stephan Henrich und Stefanie Suhr machen auf das neue Prozedere aufmerksam.

Große Zettel und Schilder an der Tür zur Gemeinschaftspraxis von Stephan Henrich und Stefanie Suhr machen auf das neue Prozedere aufmerksam.

  • Wegen der Coronavirus-Epidemie haben niedergelassene Mediziner in Hellenthal ihre Arbeitsweise radikal gewandelt.
  • Der Kontakt mit den Patienten soll möglichst intensiv erhalten bleiben – aber auf Distanz.
  • Zudem sehen sich die Mediziner mit Blick auf den Eigenschutz in der Bredouille. Ein Praxisbesuch.

Hellenthal – An der Tür zur Gemeinschaftspraxis von Stefanie Suhr und Stephan Henrich hängen mehrere große Zettel. „Haben Sie Symptome, die auf ein Coronavirus deuten?“, steht auf einem. Daneben hängt ein Schild mit der Aufschrift „STOPP“.

Der Eingang zur Praxis ist abgeschlossen. Patienten werden gebeten, zu klingeln.

Abstand halten auch im Wartezimmer

„Die Praxis ist nicht geschlossen“, betont Stefanie Suhr. Sie hat im Wartezimmer Platz genommen. Auf der anderen Seite des Raumes sitzt ihre Angestellte und Kollegin Adelheid Trimborn und in einer weiteren Ecke Michael Huppertz von der Gemeindeverwaltung. Abstand halten ist das Gebot der Stunde – vor allem in der Hausarztpraxis.

Will sich und ihre Patienten schützen: Stefanie Suhr, Ärztin in Hellenthal.

Will sich und ihre Patienten schützen: Stefanie Suhr, Ärztin in Hellenthal.

Davon künden auch die Warnschilder und die abgeschlossene Tür. Suhr, Trimborn und Henrichs haben die Strukturen und Arbeitsweisen in der Praxis verändert. „Zum Schutz der Leute und der Mitarbeiter“, sagt Suhr.

Denn unter normalen Umständen sei Abstand halten im Wartezimmer so gut wie unmöglich: „Zu Stoßzeiten ist das Wartezimmer voll.“

Das neue Sprechstunden-Verfahren sieht vor, dass die Patienten möglichst vor einem Besuch anrufen. Die Arzthelferinnen nehmen den Anruf entgegen und notieren das Anliegen. Dann rufen die Ärzte die Patienten zurück.

Technik für die Videosprechstunde macht Probleme

Muss einer untersucht werden, bekommt er noch am selben Tag einen Termin. Zudem wollen Suhr, Henrichs und Trimborn eine Videosprechstunde einrichten. Da hapere es allerdings noch an der Technik, berichtet Suhr.

So wollen sie verhindern, dass sich viele Leute zur selben Zeit in der Praxis aufhalten. Das gelingt bislang. In der vergangen Woche seien maximal drei Patienten gleichzeitig in der Praxis gewesen, so Suhr.

Wenn ein Patient trotzdem schon vor der Tür stehe und Hilfe benötige, werde er aber natürlich nicht einfach weggeschickt. Entweder erhalte er dann einen Termin oder werde sofort untersucht.

Die neuen Maßnahmen gelten seit knapp zwei Wochen, dabei gibt es in der Gemeinde laut Huppertz noch keinen einzigen Covid-19-Infizierten. Doch nach einem Corona-Fall in einer Hellenthaler Zahnarztpraxis mussten 50 Patienten sich in vorsorgliche Quarantäne begeben.

Für sie sei das der Punkt gewesen, an dem sie reagieren mussten, berichtet Suhr. An nur einem Wochenende haben sie das gesamte System der Praxis umgestellt. Nun arbeiten Ärzte und Helferinnen im Schichtdienst. Ein Arzt ist immer im Home-Office, damit im Fall einer Ansteckung nicht gleich die ganze Praxis in Quarantäne gehen müsse, so Suhr.

Schichtdienst ist bei Dr. Gabriele Weimbs nicht möglich. Sie ist die einzige Ärztin in der idyllisch gelegenen Praxis am Ortsrand von Dickerscheid. Hinzu kommen noch vier Arzthelferinnen.

300 Anrufe am Tag in Dickerscheider Praxis

Doch auch sie hat Schutzmaßnahmen während der Corona-Pandemie ergriffen. So versucht sie ebenfalls die Zahl der Patienten, die in die Praxis kommen, zu minimieren. Auch sie ist aufs Telefon ausgewichen: „Wir haben ungefähr 300 Anrufe am Tag.“

Dr. Gabriele Weimbs, Ärztin in Dickerscheid, kann keinen Schichtdienst machen.

Dr. Gabriele Weimbs, Ärztin in Dickerscheid, kann keinen Schichtdienst machen.

Außerdem gibt es bei ihr jetzt so etwas wie ein Sprechstunde durchs Fenster. Sie habe praktischerweise eine Art Kioskfenster am Eingang der Praxis, sagt sie und lacht. Vom Fenster aus könne sie gut mit den Patienten, die noch zur Praxis kommen, kommunizieren.

Nicht nur der Kontakt wird minimiert. In der Gemeinschaftspraxis von Suhr und Henrich gilt auch die Devise: „So wenig Hausbesuche wie möglich fahren“, sagt Stephan Henrich.

Er hat sich per Telefon aus dem Home-Office zum Gespräch geschaltet. Dabei gelte es immer, die Dringlichkeit des Besuchs gegen das Ansteckungsrisiko für Arzt und Patienten abzuwägen.

In der Praxis werde sowieso immer alles desinfiziert, berichtet Suhr. Zusätzlich gebe es nun Plexiglasscheiben an der Anmeldung. Zudem trage inzwischen jeder Mundschutz und Handschuhe. Das sei aber vor wenigen Wochen noch gar nicht möglich gewesen.

Viel zu wenig Schutzkleidung zu bekommen

„Schutzkleidung ist ein großes, großes Problem“, sagt Henrich. Es gebe schlicht viel zu wenig davon. Dankenswerterweise habe die Praxis einige Mundschutze von der Gemeinde erhalten. Überhaupt klappe die Zusammenarbeit mit der Verwaltung sehr gut.

Das bestätigt auch Huppertz. Der Gemeinde sei das auch sehr wichtig, schließlich wendeten sich in diesen Tagen auch Menschen mit medizinischen Fragen an die Verwaltung.

„Ich glaube, die Kommunikation war noch nie so gut“, sagt auch Suhr. Dank der Hilfe der Gemeinde habe die Praxis nun einige Atemschutzmasken. Doch wie lange die reichen, sei ungewiss, so Suhr weiter. Denn eigentlich solle zurzeit auch jeder Patient in der Praxis eine tragen – so lange der Vorrat reicht.

Das könnte Sie auch interessieren:

Bei Gabriele Weimbs sieht es da noch schlechter aus. Sie habe gar keine Masken gehabt, als die Corona-Pandemie begann.

Inzwischen hat sie zwei Stück. Allerdings nicht von den Behörden, sondern von ihrer Tochter. Die sei Tierärztin und habe zufällig noch welche gehabt, sagt Weimbs. Auch sie ärgert sich über die mangelnde Versorgung mit Schutzkleidung.

Die Kassenärztliche Vereinigung habe angekündigt, noch einmal welche zu verteilen, sagt Henrich. Aber wann, wo und wie das geschehe, wisse keiner.

Der Praxis fehlen Einnahmen

Er macht sich auch noch um etwas anderes Sorgen: Durch den heruntergefahrenen Betrieb gingen der Praxis Einnahmen verloren. „Vier Wochen halten wir das gut durch“, sagt er. Doch danach könne es auch für die Arztpraxis wirtschaftlich eng werden.

Gabriele Weimbs teilt diese Sorgen nicht: . „Man fährt doch auch mal mehrere Wochen in Urlaub. Dann ist die Praxis ja auch zu.“

Einig sind sich die vier allerdings in einem: Die Zusammenarbeit mit den Patienten klappe sehr gut. In beiden Praxen gebe es nur wenige Beschwerden, viele äußerten Verständnis für die neuen Strukturen. Dafür seien sie wirklich dankbar.

Rundschau abonnieren