„Das Mittelmeer ist kein Friedhof!“Mechernicher Pfarrer protestiert vor Rathaus

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Mechernich Mahnwavche

An den Tod von bisher 19000 Flüchtlingen auf dem Mittelmeer erinnert die Gruppe um Erik Pühringer (3.v.l.) jeden Samstagmittag. 

Mechernich – „Das Mittelmeer ist kein Friedhof!“ Unter diesem Motto findet seit sechs Wochen immer samstags vor dem Mechernicher Rathaus eine Mahnwache zur Erinnerung an den Tod der Flüchtlinge auf der Mittelmeerroute und für ein neues Asylrecht in Deutschland statt. Initiator ist Erik Pühringer, im Hauptberuf Pfarrer in Mechernich.

An diesem Samstag sind es acht Teilnehmer. Vor einer Woche waren es doppelt so viele: Die Zahl schwanke, aber das entmutige ihn natürlich nicht, sagt der Pfarrer in Mechernich. Er stellt sich seit sechs Wochen mit einer mal kleinen, mal größeren Schar Gleichgesinnter vor dem Rathaus zur Mahnwache auf. Eine Stunde lang harren die Teilnehmer dann in der winterlichen Kälte aus. Pühringer sagt zu seiner Motivation, dass er das schlicht als Christ tue.

Christliche Motivation

Doch macht er das auch in seinem Amt als Pfarrer? „Ich habe meinen Bischof nicht um Erlaubnis gefragt“, sagt Pühringer: „Als Christenmensch kann einen doch der Tod der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer nicht kalt lassen.“ Offiziell seien es bisher an die 19000. Zum Vergleich: Die Stadt Mechernich hat insgesamt gut 28000 Einwohner.

Pühringer trägt zur Mahnwache nicht die priesterliche Soutane, sondern eine dicke, wärmende Daunenjacke, darunter seinen Alemannia-Aachen-Schal: Er ist als Privatmensch zum Rathaus gekommen. Nur wer ihn kennt, weiß: Es ist der Pfarrer. Eine Pappe für die stille Mahnung hat er vor einigen Wochen beschriftet „Das Mittelmeer ist kein Friedhof“ ist darauf zu lesen. Die Pappe ist an einer festen Holzlatte befestigt, die im Holzfuß steckt – fertig ist der Ein-Mann-Protest.

Einige Gleichgesinnte

Die Premiere der Mahnwachen war am letzten Samstag im vergangenen November. Und eine Ein-Mann-Veranstaltung war es bisher nie. Gleichgesinnte fanden sich schnell, einige sind „Wiederholungstäter“. Aus Mechernich, Kommern und Eiserfey kamen sie an diesem Samstag, dem ersten im neuen Jahr. Einige haben weitere Mahnschilder mitgebracht. Darauf wird etwa an die Kritik erinnert, die nach dem Beschluss der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland ) laut wurde, ein eigenes Flüchtlingsschiff bereitzustellen, oder an die Arbeit der Initiative „Seebrücke Euskirchen“.

„Es ist Zeit, etwas zu tun“, sagt Ingrid Klefisch aus Eiserfey, die wie die anderen vor dem Mechernicher Rathaus die Kälte nicht stört: „Dagegen kann man sich warm anziehen!“ Rudi Balg aus Mechernich wirbt ebenfalls für das Engagement: „Jeder kann etwas gegen das Schicksal der Flüchtlinge im Mittelmeer tun.“

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Was genau das sein könnte, und ob eine Klein-Demo vor dem Rathaus einer Kleinstadt in der Eifel da überhaupt etwas bewirken kann? Mit dieser Skepsis, zuweilen Unverständnis, müssen die Mechernicher Mahnwachenden leben. Vor allem in den sozialen Medien sorgt ein Foto von der Aktion sofort für kontroverse Reaktionen sorgt: „Was soll das?“ oder „Gutmenschen!“ lauten da die teils abschätzigen Kommentare.

„Es geht uns auch um ein neues Asylrecht“, erklärt Erik Pühringer. Kriegsflüchtlinge sind von der Genfer Konvention geschützt, Wirtschaftsflüchtlinge suchen Arbeit. Menschen, die aus religiösen oder politischen Gründen fliehen, genießen im strengen Sinne Asyl in Deutschland. Der Initiator weiß, dass es bis zu einer möglichen Reform der Asylgesetzgebung einen langen Atem braucht. Und den wollen die Mechernicher auch beweisen. „Erst einmal bis zum Sommer werden wir hier jeden Samstag stehen“, kündigt Pühringer an. Genauer immer ab 11.55 Uhr – „den symbolischen fünf Minuten vor zwölf“, so Pühringer – und bis 13 Uhr.

Stiller Protest vor dem Rathaus

So wurde es bei der Polizei – deren Standort praktischerweise in Sichtweite ist – beantragt und genehmigt. „Wenn es mehr als 25 Teilnehmer werden, benötigen wir einen Ordner“, musste sich der Mahnwachen-Initiator belehren lassen. Jedenfalls sei die Zusammenarbeit mit den Ordnungsbeamten „erfreulich problemlos“ gewesen. Man habe ihm zugesichert, so Pühringer, „dass wir uns bei Fragen oder Problemen jederzeit an die Beamten wenden können.“

So steht das „Häuflein der Aufrechten“, wie es schon genannt wurde, am Samstagmittag mit seinem stillen Protest vor dem Rathaus. Wäre nicht eigentlich deutlich mehr Publikum unweit in der City zu finden? „Keine Sorge, wir fallen auch hier auf“, sagt Pühringer: „Im Rathaus ist auch das Standesamt. Wir hatten schon einige Trauungen, als wir hier standen.“ Und auch die Autofahrer auf der unteren Bergstraße registrierten die ungewohnte kleine Protestversammlung durchaus.

Bei Bedarf könne man die Aktion aber bis zur Ecke an der Weierstraße verlegen, so ist es genehmigt. Das geschehe derzeit nur deshalb noch nicht, weil der Sonnenstand im Winter vor dem Rathaus günstiger ist. Überzeugung und Entschlossenheit, dazu die Mahnwachen-Pappe – auch wenn er noch eine eher kleine Gruppe um sich versammelt: Ein bisschen erinnert Erik Pühringer in diesem Moment schon an Greta Thunberg.

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