„Gnadenlos veraltet“Kreis investiert endlich wieder Geld in Oberbergs ÖPNV

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 Haltestellenschild am Betriebshof der Ovag. (Archivfoto)

 Haltestellenschild am Betriebshof der Ovag. (Archivfoto)

Oberberg – Die Zeiten des Sparens sind vorbei. Um die Oberbergische Verkehrsgesellschaft (Ovag) wieder auf Kurs zu bringen, nimmt der Kreis nun Geld in die Hand.

Nach Jahrzehnten, in denen die von Kreis und Kommunen getragene Gesellschaft vor allem nicht zu viel kosten durfte, soll der angehäufte Sanierungs- und Investitionsstau nun aufgeholt werden. Wie, erläuterte Ovag-Geschäftsführerin Corinna Güllner am Montag im Kreisentwicklungsausschuss.

Oberberg: Kreisausschuss gibt grünes Licht für Ovag-Modernisierung

Der Ausschuss gab grünes Licht für die Verwendung von 1,15 Millionen Euro in diesem und im kommenden Haushaltsjahr. Die Summe sei zwar „ein Tropfen auf dem heißen Stein“, wie Prof. Dr. Friedrich Wilke (FDP) sagte, „aber immerhin ein tragfähiger Kompromiss“. Denn das Dilemma bleibe, eine möglichst geringe Kreisumlage für Oberbergs Kommunen und einen attraktiven Nahverkehr unter einen Hut zu bekommen.

Ovag-Chefin Corinna Güllner weiß ganz genau, was ihr Unternehmen noch nicht hat.

Ovag-Chefin Corinna Güllner weiß ganz genau, was ihr Unternehmen noch nicht hat.

Bereits im März hatte sich die Kreispolitik mit dem Zustand ihres Busunternehmens beschäftigt. Jetzt zeigte Güllner ein weiteres Mal auf, wo die größten Baustellen sind . Der umfangreiche Investitionsbedarf in der Ovag-Zentrale in Niederseßmar mache sich nicht nur hinter den Kulissen bemerkbar, sondern habe auch direkte Auswirkungen auf die Fahrgäste.

Denn neben den Gebäuden seien auch die Computersysteme zur Fahrtenplanung und zur Steuerung „gnadenlos veraltet“, erklärte Güllner. Eine Folge ist zum Beispiel, dass für von Straßenbaustellen ausgebremste Linien nicht mal schnell ein neuer Fahrplan erstellt werden und die Fahrgäste informiert werden können.

Echtzeitinfos an Busbahnhöfen soll es auch in Oberberg geben

Echtzeitinfos an Busbahnhöfen, auf die Busmonitore geworfene Anschlussinfos oder auch Nachrichten über die Auslastung von Bussen: Was technisch längst machbar und von anderen Unternehmen umgesetzt wird, soll perspektivisch auch im Oberbergischen zu erleben sein.

Um mehr Menschen aus den Autos in ihre Linienbusse zu bekommen, hat die Ovag ihr Team im Bereich Marketing und Vertrieb bereits verstärkt. Die Mitarbeiter sind etwa mit Konzepten beauftragt, um Arbeitgebern das Job-Ticket schmackhaft zu machen, Ausflügler für den Busverkehr zu begeistern und auch junge Social-Media-Kanäle wie Instagram zu bespielen.

Busnetz in Oberberg braucht dringend Überarbeitung

Neue IT-Systeme und bessere Fahrgastinformation können aber nur die Grundlage sein, um das Busnetz zu verbessern, erklärte Güllner. Dass Oberberg bei einer landesweiten Erreichbarkeitsanalyse für Bus und Bahn auf dem vorletzten Platz landete, sei nicht allein den oftmals zu langen Wegen vom Wohnort zur nächsten Bushaltestelle geschuldet, sagte die Ovag-Chefin: „Wir kommen oft auch nicht auf die in der Analyse geforderte Taktdichte.“

Bislang habe es nur einzelne kosmetische Maßnahmen in Sachen Taktverbesserung gegeben, wie den Talsperrenbus zur Agger. Aber es brauche mehr: einen konsequenten Taktverkehr auf den primären und sekundären Linien, eine Ausrichtung der Buszeiten aufeinander und auf die Eisenbahn, mehr Busse samstagnachmittags und sonntags. Und: Dass Fahrgäste dem Anschluss nur noch hinterherwinken können, weil der eine Bus nicht auf den verspäteten gewartet hat, müsse der Vergangenheit angehören.

Oberberg: Für Wasserstoffbusse braucht es erstmal entsprechende Tankstellen

Die Busflotte selbst ist da noch in einem guten Zustand, die Fahrzeuge werden alle paar Jahre ausgetauscht. Auch um EU-Vorgaben zu erfüllen, empfiehlt ein Gutachten die Anschaffung von wasserstoffbetriebenen Bussen. Doch für die brauche es dann erstmal die nötigen Tankstellen, sagte Güllner. Möglichst noch vorher soll die technische Innenausstattung der Busse auf den Stand der Zeit gebracht werden, etwa um den Passagieren das Surfen im WLAN und bargeldloses Zahlen zu ermöglichen. Auch das wird richtig ins Geld gehen.

Klar ist: Die Aufgabenliste ist lang, alles abzuarbeiten dauert. Güllner unterstrich, dass hier keine Leuchtturmprojekte verfolgt würden: „Ich will nur, dass die Ovag auf den Branchendurchschnitt kommt.“

Jürgen Marquardt (CDU) zeigte sich froh, dass Güllner so viele innovative Ideen einbringe: „Aber es wird ein langer Prozess.“ Thorsten Konzelmann (SPD) sagte, die wichtigste Frage sei die nach der Gewinnung von mehr Fahrgästen. Dem stimmte Dr. Ralph Krolewski (Grüne) zu: „Nur so können wir die Klimaschutzziele erreichen.“

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Die Anmerkung von Prof. Dr. Wilke (FDP), dass bei der Ovag über viele Jahrzehnte zur Freude der Bürgermeister und Kämmerer gespart wurde, griff Frank Mederlet (SPD) auf: „Letztlich brauchen wir Kommunen, die mitspielen.“

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