Grenzstaus, Zollbeamte, Ärger mit KundenWie der Brexit Oberbergs Firmen schadet

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Zeitverlust an den Grenzen ist eines der Probleme, die der Brexit für oberbergische Unternehmen mit sich brachte.

Zeitverlust an den Grenzen ist eines der Probleme, die der Brexit für oberbergische Unternehmen mit sich brachte.

Oberberg – „Durch den Brexit ist das Geschäft dramatisch beeinträchtigt,“ resümiert Dennis Lieth, im Vertrieb der Firma Jokey als Sales Director zuständig für Großbritannien und Irland. An den Standorten Gummersbach und Wipperfürth stellt die Firma Kunststoffverpackungen her. „England ist einer unserer wichtigsten Exportmärkte. Die vergangenen Wochen waren ein Alptraum.“ Für etliche – auch oberbergische – Unternehmen mit Handelsbeziehungen zu Großbritannien war es eine Katastrophe mit Ansage.

Schon vor Weihnachten gab es bei den Speditionen kaum noch Laderaum, und wenn, dann zu horrenden Preisen, erzählt Lieth. Dazu noch Corona. Viele Spediteure hätten Sorge gehabt, dass die Lkw im Stau an der Grenze feststeckten. Und genau so kam es dann.

Zu wenig britische Zollagenten

Der erlebte Stress wird deutlich, wenn Lieth von den Bemühungen berichtet, Lastwagen aus dem riesigen Stau am Zoll von Dover herauszuholen. „Es gab und gibt noch immer zu wenig Zollagenten auf britischer Seite. Die Fahrer hatten von uns die seit 1. Januar benötigten Exportpapiere mit, aber die britischen Kunden kannten sich damit überhaupt nicht aus, und so fehlten die Importpapiere.“

Die Folge: Lkw durften den Zoll nicht passieren, Ware kam nicht an, Kunden waren verärgert, fürchteten Konventionalstrafen, zumal viele von ihnen Verpackungen für Lebensmittel wie Joghurt, Dressing, Mayo oder Ketchup beziehen. „Natürlich haben wir Erfahrung mit dem Export in Nicht-EU-Länder wie zum Beispiel die Schweiz. Mit dem Unterschied, dass man auf Schweizer Seite damit Erfahrung hat.“

Bergneustädter Firma Gizeh leidet ebenfalls

Mit den Problemen steht die Firma Jokey nicht allein da. Das ergab Anfang des Jahres eine Blitzumfrage der IHK Köln bei 279 Unternehmen. Trotz des in letzter Minute erzielten Handelsabkommens berichten über die Hälfte von Staus mit langen Wartezeiten, fast 45 Prozent von Ärger mit Kunden und rund 87 Prozent von zusätzlichem bürokratischen Aufwand durch Zollformalitäten.

Einen enormen Zeitaufwand bei der Erstellung der Frachtpapiere stellt man auch bei der Bergneustädter Firma Gizeh fest, die ebenfalls Verpackungen nach Großbritannien liefert, und der verursacht zusätzliche Kosten. Ob man die in Zukunft dem Kunden aufbürdet? Schließlich könnten sich die britischen Kunden in der Folge nach einem Hersteller im eigenen Land umsehen.

Diese Sorgen bleibt dem Reichshofer Fahrradreifenproduzenten Schwalbe erspart. Die britische Tochter beziehe ihre Ware direkt vom ausländischen Auslieferungswerk, erläutert Sprecherin Doris Klytta. „Es gibt daher keinen direkten Warenverkehr zwischen Deutschland und Großbritannien.“

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Einen anderen Weg geht der Werkzeugbauer August Rüggeberg, der Werkzeuge unter dem Namen Pferd baut. „Nachdem immer wieder Fristen für eine Brexit-Lösung verstrichen sind, wollten wir auf jeden möglichen Fall vorbereitet sein“, schildert Unternehmenssprecher Florian Pottrick. „Wir wollten auf keinen Fall riskieren, dass ein Kunde wie Airbus seine Werkzeuge für die Triebwerke nicht rechtzeitig bekommt.“ So wurde im Kontakt mit einem britischen Logistiker bereits im vergangenen Jahr ein Lager in Manchester aufgebaut, um Lieferengpässe zu vermeiden und die kritischen Wochen des Übergangs zu überbrücken. „Inzwischen liefern wir von Marienheide aus nach Großbritannien wie in jedes andere von rund 100 Ländern“, so Pottrick.

Bei Jokey habe sich die Lage dank viel Support und intensiver Beratung der Kunden inzwischen leicht verbessert, stellt Sales Director Dennis Lieth fest. Es komme aber noch zu Verzögerungen. Laut IHK-Umfrage rechneten nur 36 Prozent der befragten Firmen damit, dass es schnell zu einer Normalisierung kommt, 13 Prozent wollen ihre Tätigkeiten in Großbritannien einschränken. Weder für Gizeh, für Rüggeberg noch für Jokey ist das eine Alternative. Im Gegenteil. „Wir haben eine klare Wachstumsstrategie“, so Lieth.

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